Ausgerechnet der Parasport öffnet Russland die Tür zur Rückkehr auf die Weltbühne des Sports. Während das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Bann für die Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo festhält, lädt das Internationale Paralympische Komitee (IPC) Russland und Belarus zu seinem Großereignis ein. In den Bergen Norditaliens wird bei den Paralympics die russische Flagge wehen – erstmals seit den Doping-Spielen von Sotschi.
„Für uns ist das schwer verständlich. Das ist eine Entscheidung, die wir allenfalls respektieren können. Aber die Beschlüsse waren eindeutig“, sagte Vizepräsident Karl Quade vom Deutschen Behindertensportverband (DBS). Die Generalversammlung des IPC hatte zuvor in Seoul entschieden, die seit dem Angriff auf die Ukraine geltende Teilsuspendierung Russlands und des Verbündeten Belarus aufzuheben und die beiden Nationalkomitees wieder als Vollmitglieder in die Organisation aufzunehmen.
„Es hat sich an der Sachlage eigentlich überhaupt nichts geändert“, sagte Quade: „Wenn wir von Sotschi ausgehen, 2014 dieser Sündenfall mit dem Doping, dann der Krimkrieg, das setzte sich ja in einer Tour fort. Und das wurde auch noch mal deutlich gesagt von einigen. Die Verbindung zum Militär besteht ja weiter.“
Der ukrainische Sportminister erhob Korruptionsvorwürfe. „Wir werden vielleicht noch erfahren, wie viele Rubel diejenigen gekostet haben, die dafür gestimmt“ haben, teilte Matwij Bidnyj auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit. Er sprach von einem Verrat olympischer Werte. Ob Sportlerinnen und Sportler aus der Ukraine bei den Paralympics antreten, ließ er offen, die Entscheidung hänge „von vielen Umständen ab“.
Die Ukraine will das Gastgeberland Italien dazu bewegen, Russlands Rückkehr zu stoppen.
Bei den Paralympics in Paris 2024 waren Russen und Belarussen unter neutraler Flagge und unter strikten Auflagen startberechtigt. Bei den Winterspielen 2022 in Peking waren sie sogar komplett ausgeschlossen. Nun erfolgt die komplette Abkehr vom einst harten Vorgehen. Das IOC, das gegenüber Russland lange einen versöhnlicheren Kurs verfolgte als das IPC, hatte vorige Woche festgelegt, bei den Winterspielen (6. bis 22. Februar 2026) wie zuletzt in Paris Aktive aus Russland und Belarus nur als Einzelathleten unter neutraler Flagge und bei Erfüllung strenger Kriterien zuzulassen. Mit der Russlandfrage wird sich das IOC erst nach den Spielen wieder beschäftigen, die Tür zur Rückkehr aber steht nun offen.
„Das IPC wird mit den beiden betroffenen Mitgliedern zusammenarbeiten, um so schnell wie möglich praktische Maßnahmen zu ergreifen“, hieß es in der Stellungnahme der paralympischen Dachorganisation. Die finale Entscheidung über eine Zulassung liegt bei den jeweils für die Sportarten zuständigen Weltverbänden, die zuletzt noch die Sanktionen aufrechterhalten hatten.
Die Ukraine will Italien dazu bewegen, Russlands Rückkehr zu stoppen. „Die Position des Gastgeberlandes und des Organisationskomitees ist entscheidend, und wir arbeiten in dieser Angelegenheit bereits eng zusammen“, sagte Bidnyj: „Wir appellieren an unsere europäischen Partner, die die kommenden Paralympischen Winterspiele ausrichten, nicht zuzulassen, dass die Flagge des Aggressorstaates über dem freien und demokratischen Raum gehisst wird, während der Angriffskrieg weitergeht.“
Das Russische Paralympische Komitee begrüßte die Wiederaufnahme bereits euphorisch. Es sei eine „faire Entscheidung“ und „ein Beispiel dafür, wie die Rechte der Athleten ohne Diskriminierung aus nationalen oder politischen Gründen geschützt werden sollten“.