Leipzig ist in Grunde die vergangenen 35 Jahre immer am Limit des Leistbaren gefahren, hat nie wirklich finanziellen Speck ansetzen können. Was schon in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass die Stadt wichtige Grundstücke und Liegenschaften nicht sichern konnte, eher zu verkaufen gezwungen war. Und in der aktuellen Haushaltslage ist die Stadt erst recht nicht handlungsfähig.

Und so kann sie auch nicht wirklich Retter in der Not sein, wenn ein Grundstück einer Tochtergesellschaft der Gröner Group in der Markranstädter Straße eventuell zur Insolvenzmasse wird. Ein für die Kultur sehr wichtiges Grundstück.

Dass einige Tochtergesellschaften der Gröner Group in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, ist schon länger Thema – auch deutschlandweit. Erste Auswirkungen bei der Immobilie Markranstädter Straße 4 gab es bereits, wie in der Ratsversammlung am 24. September Anne Vollerthun (Bündnis 90/Die Grünen) anführte, die gemeinsam mit Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) einen Antrag eingereicht hatte, dass sich die Stadt um den Erhalt des Kulturstandorts Markranstädter Straße 4 bemühen solle. Der Müll wird nicht abgeholt, weil offensichtlich Rechnungen nicht bezahlt wurden. Genauso drohen Strom und Wasser abgeklemmt zu werden.

„Das Grundstück Markranstädter Straße 4 ist ein wichtiger Standort für die freie Kunst und Kultur sowie Kreativwirtschaft in Leipzig, insbesondere im Bereich elektronischer Musik sowie Atelier- und Proberäumen. Seit Jahren wird das Gebäude durch das Kollektiv Elipamanoke als Club, Veranstaltungsraum und Produktionsstätte für künstlerische und gesellschaftspolitische Arbeit genutzt.

Die bereits vorhandenen Flächen für Atelier- und Proberäume würden sinnvoll auf das Ziel des Beschlusses VII-A-08505-NF-03 ‚Leipziger Atelierprogramm etablieren‘ einzahlen“, schrieben Vollerthun und Kumbernuß in ihrem Antrag. „Das Gebäude befindet sich im Eigentum einer Tochtergesellschaft der Gröner Group, gegen die im Mai 2025 Insolvenzverfahren eröffnet wurden.

Diese neue Lage eröffnet potenziell Handlungsspielräume für die Stadt Leipzig, um den dauerhaften Erhalt dieses Kulturortes abzusichern. Der Stadt kommt dabei eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl und den Erhalt kultureller Vielfalt im Stadtteil Plagwitz zu, der durch Gentrifizierung und Verdichtung zunehmend unter Druck steht.“

Leipzig dürfte derzeit gar nicht kaufen

Und so sahen die beiden zumindest die Chance, die Stadt könnte einen Erwerb der Immobilie bei einem möglichen Insolvenzverfahren prüfen: „Eine frühzeitige Prüfung des Erwerbs durch die Stadt, gegebenenfalls in Kooperation mit Dritten (z. B. Stiftungen, Wohnungsbaugesellschaften, Kulturträgern), bietet die Chance, dauerhaft kulturelle Infrastruktur zu sichern und aktive Stadtentwicklung zu gestalten. Die Antragstellung berücksichtigt sowohl die aktuelle rechtliche Situation des Eigentümers als auch die Notwendigkeit, kulturelle Freiräume zu erhalten und demokratisch abzusichern.“

Doch genau dieser Punkt kollidiert nun mit dem geradeso mit Ach und Krach genehmigten Haushalt der Stadt. Die Stadt dürfe gar nicht kaufen, selbst wenn sie wolle, erklärte OBM Burkhard Jung. Das verbiete schlicht die Haushaltslage.

Was Thomas Kumbernuß so schon vermutet hatte, weshalb der entscheidende Punkt 1 a aus dem gemeinsamen Antrag auch extra abgestimmt werden sollte.

Punkt 1 selbst war nicht das Problem. Der lautete schlicht: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine Arbeitsgruppe aus Liegenschaftsamt, Amt für Wirtschaftsförderung und Kulturamt einzurichten und gemeinsam mit den Eigentümern bzw. dem Insolvenzverwalter der Liegenschaft Markranstädter Straße 4 in Leipzig-Plagwitz sowie den derzeitigen Nutzenden zu prüfen, inwieweit die Immobilie an einen neuen Eigentümer überführt werden kann, der ein nachweisliches Interesse an der Fortführung einer kreativwirtschaftlichen Nutzung hat …“

Frau Anne Vollerthun (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 24.09.25. Foto: Jan KaeferAnne Vollerthun (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 24.09.25. Foto: Jan Kaefer

Das kann auch ein neuer privater Eigentümer sein, der die hier seit Jahren etablierten Kultureinrichtungen, Ateliers und Proberäume sichert und damit einen wichtigen Kulturstandort in Plagwitz. Wichtig auch vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit schon dutzende Leipziger Clubs ihre Räume verloren haben, wie Linke-Stadträtin Mandy Gehrt anführte.

Für viele Investoren war es lukrativer, die kulturellen Nutzer zu entmieten und aus den alten Leipziger Fabrikanlagen lieber teure Lofts für ein zahlungskräftiges Publikum zu machen.

Wie rettet man den Kulturstandort?

Auch Burkhard Jung bat dringend darum, den Punkt 1 a lieber nicht positiv zu votieren, der da lautete: „Sollte im Ergebnis dessen festgestellt werden, dass es finanzieller Hilfe der Stadt Leipzig bedarf, erhält der Haushaltsantrag VIII-HP-10299 optional einen entsprechenden Sperrvermerk in Höhe der erforderlichen Mittel, um gegebenenfalls unterstützend eingreifen zu können.“

Genau das kann und darf die Stadt unter den prekären Haushaltsbedingungen, die am 24. September ja ganz zentral Thema waren, nicht. Und auch das Kulturamt hatte in seine Stellungnahme betont: „Ein Ankauf der Liegenschaft durch die Stadt Leipzig könnte der drohenden Verdrängung entgegenwirken und die kulturelle Nutzung langfristig sichern. Derzeit stehen keine planmäßigen Mittel für einen Grunderwerb zur Verfügung.

Weiterhin ist der Beginn von Neuinvestitionen für Grunderwerb allerdings während der vorläufigen Haushaltsführung entsprechend § 78 SächsGemO in Verbindung mit den Regelungen unter Pkt. V in der VwV KomHWI unzulässig.“

An der kulturellen Bedeutung des Standorts ließ auch das Kulturamt keinen Zweifel. „Vor diesem Hintergrund besteht die begründete Sorge, dass bei einem Verkauf der Immobilie Markranstädter Straße 4 durch die Plagwitzer Gewerbepark Verwaltungs GmbH eine Verdrängung des Clubs ‚elipamanoke‘ sowie der dort ansässigen Atelier- und Proberäume droht. Der Club ‚elipamanoke‘ ist ein wirtschaftlich agierender Betrieb mit erheblichem kulturellem Mehrwert und überregionaler Strahlkraft für die Stadt Leipzig.

Aus Sicht der Verwaltung ist ein Erhalt der Clubkultur an diesem Standort besonders schützenswert. Clubkulturelle Nutzungen sind durch den rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 428.1 ‚Gewerbegebiet Markranstädter Straße/ Plagwitz Süd – Teil Nord und Ost‘ in der Markranstädter Straße 4 explizit zulässig. Dies stellt eine bauplanungsrechtliche Besonderheit im Leipziger Stadtgebiet dar.“

Vielleicht, so deutete das Kulturamt an, könne man mit den gegenwärtigen Nutzern eine Lösung finden: „Parallel dazu soll gemeinsam mit den derzeitigen Eigentümern sowie den derzeitigen Nutzenden geprüft werden, ob ein Erwerb der Liegenschaft durch die ansässigen Mietenden selbst oder durch eine dritte Partei, die die bestehenden Nutzungen sichern möchte, möglich ist. Ziel ist es, tragfähige Optionen zur Sicherung des Standorts im Sinne der Kultur- und Kreativwirtschaft zu berücksichtigen.

Die Prüfung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts für die Zwischenzeit wird vorgenommen.“

Das geht so ungefähr in die Richtung der fünf Punkte aus dem Antrag von Anne Vollerthun und Thomas Kumbernuß, der mit 37:22 Stimmen bei zwei Enthaltungen auch die notwendige Mehrheit bekam. Der extra abgestimmte Punkt 1a fiel dann nach einigem Rätselraten an den Abstimmungsgeräten mit 21:30 Stimmen bei elf Enthaltungen durch.

Und wäre selbst bei einem positiven Votum nicht umsetzbar gewesen. Die Stadt fällt jetzt für viele Jahre als möglicher Retter in der Not einfach aus und kann nur noch begleitend helfen, eine Bestandslösung für die Markranstädter Straße 4 zu finden.