Manga-Day in Esslingen: Der westlichen Sachen überdrüssig - Wieso die Manga-Szene immer weiter wächst Viele Besucher kamen in die Esslinger Sammlerecke, um sich Gratis-Mangas mitzunehmen, die an diesem Tag verteilt wurden. Foto: Roberto Bulgrin

Mangas wie Pokémon oder Dragonball haben in Deutschland längst Kultstatus. Beim Manga-Day in der Esslinger Sammlerecke zeigt sich: Der Hype ist ungebrochen.

Es hat etwas Magisches, wie Manga-Künstler Daniel Eichinger seinen Stift bewegt. Er hält ihn weit oben. Die Bewegungen sind langsam, aber flüssig, als er am Samstag für einen Fan in der Esslinger Sammlerecke eine seiner düsteren Figuren zeichnet. Vielleicht kein Zufall, dass seine Art zu arbeiten an die japanische Teezeremonie erinnert, bei der es auch um Perfektion von Bewegungsabläufen geht. Aus diesem Land kommt die Kunstform Manga, die seit Jahren in Deutschland immer beliebter wird und Teil der Popkultur geworden ist. Spannend ist, wie der Trend sich entwickelt.

In der Sammlerecke, Europas größter Comic-Buchhandlung, findet jährlich der Manga-Day statt, zu dem zwischen 1000 und 2000 Comic-Fans anreisen. „Es waren auch schon 3000“, sagt Inhaber Frieder Maier. Aber an diesem Tag spiele das Wetter nicht so mit. Trotzdem ist viel los. Hunderte Besucher arbeiten sich durch die vielen Gänge und Tische. Besonders groß ist der Andrang an dem Tisch, an dem man sich bis zu sechs Gratis-Mangas mitnehmen darf, die von den Verlagen extra für diesen Tag gedruckt wurden.

Mangas sind eines der wichtigsten Genres der Sammlerecke Esslingen

„In Japan“, erklärt Julian Maier, „sind Mangas und Animes ein fester Bestandteil des Alltags.“ Der Sohn von Frieder Maier ist vor zwei Jahren in den Betrieb eingestiegen, um irgendwann die Sammlerecke zu übernehmen. „Man sieht es beispielsweise an der Leichtathletik-WM, bei der alle japanischen Starter des 100-Meter-Laufs vor dem Startschuss eine Pose aus One Piece eingenommen haben“, sagt er. Dort gebe es ganze Kaufhäuser, die ausschließlich alles rund um Anime und Manga anbieten. Wie groß der Hype in Deutschland irgendwann sein könnte, vermag Maier nicht abzuschätzen. Noch wachse die Szene. Die Frankfurter Buchmesse widme dem Genre inzwischen mehrere Hallen. Anfangs hätten sie in der Sammlerecke an Neuerscheinungen etwa fünf Titel pro Monat bekommen, inzwischen seien es um die 80. „Mangas gehören zu den wichtigsten Produkten im Sortiment.“

Dass es eine ernst zu nehmende Kunstform ist, die sich weiterentwickelt, zeigt auch Daniel Eichingers Debütwerk „Jovantore“: Die Bilder, alle in Schwarz und Weiß, sind beeindruckend detailreich. „Ich habe drei Jahre daran gearbeitet“, sagt er. Sieben bis zehn Stunden habe er pro Seite des über 300 Seiten langen Buchs gezeichnet. „Für manche Seiten deutlich länger“, sagt der Künstler.

Manga-Künstler Daniel Eichinger nimmt sich viel Zeit für seine Fans. Foto: Roberto Bulgrin

Aber die Szene wächst nicht nur in Sachen gedruckter Titel, Comic-Serien oder Videospiele, sondern hat Ausläufer in die unterschiedlichsten Bereiche. Draußen auf dem Hof bietet Michelle Wenzel selbstgehäkelte Plüschfiguren an: Frösche, Axolotl, Gurken – alle schön bunt und mit freundlichen Augen. „Das heißt Amigurumi“, erklärt die 29-Jährige. Eine Subszene, bei dem sich die japanische Popkultur mit dem Häkeln verbunden hat. Es sei ein neuerer Trend, der in den USA schon deutlich bekannter sei. Seit einem Jahr häkle sie hauptberuflich die kleinen Figürchen. „Die Comic-Szene überschneidet sich mit den Kuscheltierliebhabern“, erklärt Wenzel.

Auch die Stadtbücherei Esslingen folgt dem Manga-Trend

Zudem sind Mangas längst ein generationenübergreifendes Phänomen. Die 38-jährige Aphi aus Esslingen besucht mit ihren beiden Töchtern den Manga-Day. Sie sei schon immer Fan des Genres gewesen. Jetzt sind es auch die Töchter. Die Zwölfjährige ist wie ein Charakter aus dem Videospiel Genshin Impact verkleidet. Ihr Lieblings-Manga sei „Mein Schulgeist Hanako“. „Es geht um einen Geist auf einer Schultoilette, der beschworen wurde, um Wünsche zu erfüllen“, erklärt sie. Der Zeichenstil und die Geschichte würden ihr daran besonders gefallen.

Auch die städtische Bücherei macht mit, wie Serena Porretto erklärt, die für den Manga-Einkauf zuständige Bücherei-Mitarbeiterin. Eine Woche gebe es bei ihnen noch eine Manga-Ausstellung zu sehen.

Jasmin Wellner und Andreas Grühn sind leidenschaftliche Manga-Fans. Foto: ff Mangas: „Es gibt für alle Altersklassen und Lebenssituationen was“

Dass Andreas Grühn mit 45 Jahren nicht zu den ältesten Manga-Fans zählt, habe ihn überrascht. „Es sind viele deutlich ältere da“, sagt er. Zusammen mit Freundin Jasmin Wellner sind sie aus Freiberg am Neckar angereist. In der Coronazeit sei er mit Mangas in Kontakt gekommen. „Irgendwann war ich der westlichen Sachen überdrüssig“, erklärt er die Faszination. Der westlichen Popkultur fehle die Vielschichtigkeit, mitunter sei sie „zu woke“. Bei den Mangas gebe es „für alle Altersklassen und Lebenssituationen was.“ Etwa eigene Genres für erwachsene Frauen, die sich mit Themen wie Beziehung und anderen Lebensfragen beschäftigen. „Das nennt sich Josei“, sagt die 37-jährige Jasmin Wellner. Natürlich gebe es auch ein Pendant für Männer, ergänzt Grühn: „Seinen“.

Die Künstler beim Manga-Day

Daniel Eichinger
 Der in Österreich geborene Künstler lebt heute mit seiner Familie in Deutschland, liebt Science-Fiction-Klassiker und Videospiele und legt mit „Jovantore“ seine erste große Eigenproduktion vor.

Lukas Hepp
 Der Esslinger Autor ist bekannt für seine „Stuttgarter Schocker“.

Peter Puck
 Im Jahr 2002 mit dem Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet, ist Peter Puck seit 1985 mit seiner satirischen Tierfigur Rudi erfolgreich. 2025 erschien die Gesamtausgabe „Alles Rudi 01“. Seine Strips karikieren mit feinem, oft schwarzem Humor Subkulturen.

Jo-Kurt Berger
 Ein Zeichner aus Schwäbisch Gmünd, der schwäbische Eigenheiten humorvoll in seine „Schwabenteuer“-Cartoons verpackt und damit die lokale Kultur verschiedener schwäbischer Städte feiert. „Ich möchte, dass jeder seinen Ort wiederfindet“, sagt er. Esslingen hat er einen eigenen Band gewidmet, der im Jahr 2018 erschienen ist.