AUDIO: „Das Paradies und die Peri“ in Hamburg: Bewegendes Gesamtkunstwerk (4 Min)
Stand: 28.09.2025 10:17 Uhr
Am Sonnabend ist die neue Intendanz von Tobias Kratzer an der Staatsoper Hamburg mit Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ eröffnet worden. Das Publikum erlebte einen mitreißenden Abend – mit Irritationsmomenten.
Eine Zuschauerin steht im Parkett auf und brüllt, voller Wut. Kurz nachdem die Hauptdarstellerin auf der Bühne mit einem Eimer Theaterblut übergossen wurde. Empört verlässt sie den Saal. Es ist nur ein Moment, aber die Luft ist geladen, die Nerven im Saal liegen blank: Man fragt sich, war das echt, war das inszeniert? Auch das Publikum ist unschlüssig.
Tobias Kratzers Inszenierung lässt uns in den Spiegel blicken
Ob echt oder gespielt: Die Eröffnungs-Inszenierung springt einen an, packt einen bei den Gefühlen, wühlt auf. Und von vornherein spielt das Publikum mit: Eine Kamera schwenkt von der Bühne aus durch den Saal, man sieht sich selbst auf einer großen Videoleinwand, verdruckst, peinlich berührt. Jemand scheint zu schlafen, ein anderer beginnt zu weinen: Dieser Abend lässt uns in einen Spiegel blicken. Denn es geht letztlich um uns alle.
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„Das Paradies und die Peri“ ist eine alte Geschichte aus der persischen Mythologie. Robert Schumann hat sie 1843 in ein weltliches Oratorium verwandelt. Die Peri ist ein aus dem Paradies gefallenes Fabelwesen. Um zurück ins Paradies zu gelangen, muss es Gott ein Geschenk machen – das, was Gott am liebsten ist. Die Peri macht sich auf die Suche und geht zu den Menschen.
Vera-Lotte Boecker: Strahlend schön und voller Gefühl
Vera-Lotte Boecker singt die Peri strahlend schön und voller Gefühl. Man geht mit ihr mit auf die Reise. Die Bühne ist schlicht und wirkt funktional, wie ein Messezentrum oder eine leere Kunstgalerie. Quer durch den Raum hetzen Passanten, Fußgängerinnen, mit heutiger Kleidung. Die Peri kauert dazwischen, sie ist allein.
Was jetzt passiert, gehört zum Berührendsten, was Musiktheater bieten kann. Hier verschmelzen Orchester und Handlung, Gesang und Bühnenbild, Kostüm und Schauspiel zu einem bewegenden, zu einem luftigen Gesamtkunstwerk, das gleichzeitig ruppig und direkt ist, Fragen stellt und nachdenklich macht. Es ist ein phänomenaler Start in die neue Intendanz.
„Das hat Hamburg wirklich gebraucht“
Das findet auch das Publikum: „Es kann so weitergehen, das hat Hamburg wirklich gebraucht“, sagt ein Zuschauer danach. Da war zu lange zu viel Verschlafenheit – und dieses Stück jetzt ist einfach genial, ein ganz großer Wurf.“ Ein anderer sagt: „Ich fand’s sehr erfrischend. Ich bin Mitte 30, und das hier macht Lust auf mehr.“
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Der Abend ist noch viel mehr. Er erzählt etwas Hochaktuelles: Davon, was uns Menschen ausmacht. Heldenmut, die Liebe zu einem Partner oder einer Partnerin, Empathie und Mitgefühl. Die Peri findet den Schlüssel zum Paradies schließlich im Publikum. Ohne Krampf werden die Krisen unserer Zeit beleuchtet: Krieg, Autokraten, Pandemie, Klima.
Kratzer und Wellber scheinen das Genre Oper neu zu erfinden
Dieser Opernabend ist ein Statement: Er will die Menschen mitreißen, erzählen, wie wichtig gegenseitiger Respekt ist. Und es gelingt ohne Moralisieren oder Kitsch, sondern mit Haltung, mit großem Können von Chor, Philharmonischem Staatsorchester und Ensemble. Regisseur und Neu-Intendant Tobias Kratzer, eben erst zum Opernregisseur des Jahres gewählt, und der neue Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber scheinen das Genre Oper neu zu erfinden. Es gibt zwar ein paar Buh-Rufe für den Regisseur, aber am Ende steht der ganze Saal und jubelt. Völlig verdient.
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