Originaltext November 2013:
Die digitale Revolution stellt nicht nur Kleinverlage und Nachwuchsschriftsteller vor neue Herausforderungen: Auch Bestsellerautoren müssen sich überlegen, wie sie mit neuen Märkten und neuen Lesegewohnheiten umgehen. Die Chancen sind dabei jedoch größer als die Risiken.
Der König des gepflegten Grusels hatte es mal wieder voraus gesehen: Schon im Jahr 2000 veröffentlichte Stephen King mit „Riding the Bullet“ und „The Plant“ Ebooks, um den Markt für elektronische Literatur anzutesten. Da es jedoch noch keine Lesegeräte gab, mussten die Käufer die Seiten am heimischen Monitor lesen oder – ganz oldschool – ausdrucken. Nach anfänglich großem Interesse auch der Medien stellte King das Experiment mangels Wirtschaftlichkeit schnell wieder ein.
Mittlerweile sieht es ganz anders aus: Fast 10 Prozent trugen die Ebooks 2012 in Deutschland zum Umsatz der Branche bei, Tendenz stark steigend. Fast noch wichtiger: Die Aversion der Leser gegenüber Ebook-Readern nimmt in gleichem Maße ab.
Im Gegensatz zum Buchladen sind virtuelle Regalmeter unbegrenzt und kennen keine staubigen Ecken – elektronische Demokratie erlaubt kleinen Nischenwerken die gleiche Verfügbarkeit wie aktuellen Bestsellern. Es ist Platz für alle da, und das wollen auch erfolgreiche Autoren für sich nutzen. Sie können ihre älteren Werke überarbeitet neu auflegen, bisher nicht erschlossene Märkte bedienen und auf das Interesse ihrer Leser individuell reagieren.
Pioniere in Sachen ePublishing
Ein Vorreiter bei der Selbstvermarktung ist der Amerikaner Lee Goldberg, der nicht nur seine Romane digital aufbereitet anbietet, sondern auch Romanfassungen von TV-Filmen, die er geschrieben hat, und annotierte Versionen seiner Drehbücher: „Letzteres ist aber nur ein sehr begrenzter Markt“. Immer wieder fasst er mehrere Werke zu preiswerten Paketen zusammen oder startet zeitlich begrenzte Sonderangebote: „Das erzeugt Mundpropaganda, bringt neue Leser und verbessert die Platzierung in den Charts“. Wichtig ist in seinen Augen auch das Design der Buchcover, das sich von den Print-Versionen unterscheiden muss: „Die meisten Leute sehen nur die Miniaturansicht bei Amazon, darum muss das Cover auffällig sein, starke Farben haben und wenig Text.“
Diane Duane, eine erfolgreiche Autorin u.a. von „Star Trek“-Romanen, die in Irland lebt, geht noch einen Schritt weiter: „Die eigenen Bücher digital neu aufzulegen, ermöglicht eine konsequente Überarbeitung. Man kann Dinge rein nehmen, die man aus Platzgründen in der Print-Version raus streichen musste. Man kann ungeliebte Cover ersetzen. Und wenn man Geld in die Übersetzung investiert, kann man sogar in Ländern erfolgreich sein, in denen sich kein Verlag für das Buch gefunden hat“. Ihre eigene „Young Wizards“-Reihe, die seit 1983 erscheint, wird gerade überarbeitet, während die erweiterte Version ihres Fantasy-Krimis „Stealing the Elf-King’s Roses“ sogar als „Author’s Cut“ erscheint.
Deutsche Autoren beginnen erst langsam damit, die Möglichkeiten des ePublishing ohne den Umweg über große Verlage zu nutzen. Das liegt auch daran, dass oft erst nach Jahren die Rechte an den eigenen Werken an sie zurück fallen. Fantasy-Autor Kai Meyer arbeitet dabei eng mit der Agentur, die ihn vertritt: „Wir bringen nach und nach die Backlist als Ebooks raus“. Partner ist dabei Dienstleister Bookwire.
Lee Goldberg ist überzeugt, dass in der Selbstvermarktung von Büchern die Zukunft liegt: „Es gab nie eine bessere Zeit für Autoren. Keinen Verlag zu haben ist kein Makel mehr. Und man muss sich vom Verlag auch nicht alles gefallen lassen. Man hat ganz neue Möglichkeiten.“
NACHTRAG 2025: Es hat sich nicht erkennbar viel getan. Momentan scheint es mir, als würden die meisten Profi-Autoren doch lieber im Schoß von Profi-Verlagen bleiben. Die Selbstvermarkter sind nicht selten Hobbyschreiber ohne großen Markt. Das Geschäftsmodell ist noch nicht durchdacht. Was aber zugenommen hat, ist die Anzahl an Kleinverlegern, die auf eigene Rechnung Bücher drucken und vertreiben, weil das System von Anlieferung-Druck-Auslieferung vereinfacht wurde.
Und damit ist unsere kleine Retrospektive meiner alten Beiträge für das ZDF Hyperland-Blog auch schon beendet. Ich hoffe, es hat euch gefallen und wer weiß – vielleicht schauen wir in 15 Jahren nochmal nach, wie sich alles entwickelt hat.