Nachts schlafen die meisten. Doch zur Ruhe kommt eine Großstadt wie Leipzig auch dann nicht: Besucherinnen und Besucher der Stadt, Geschäftsreisende und Menschen, die aus anderen Gründen zeitweilig in Leipzigs Hotels wohnen, haben auch in der Nacht Wünsche. In unserer Reihe „Nachtarbeit in Leipzig“ besuchten wir die Nighties im Steigenberger Grandhotel Handelshof.

Er war früher eine Institution, besonders in den großstädtischen Hotels, der Nacht-Concierge oder Nacht-Portier, später Night-Auditor oft auch Nightie genannt. Er trat vorwiegend im korrekten schwarzen Anzug mit korrekt gebügeltem weißem Hemd und Krawatte auf, war oft schon älter, fast immer männlich und für alle Gästewünsche des Nachts zuständig. In alten Filmen geht er dann oft, wenn alles schläft, noch eine Runde durch die Hotelflure, und sitzt dann hinterm Tresen bis der Morgen anbricht.

Im Zeitalter der preiswerten Beherbergung und digitaler Check-in und Echek-outs ist er oft verschwunden. Meist ist diese selten gewordene Spezies nur noch in der gehobeneren Hotellerie anzutreffen. In Leipzig fanden wir, mit Jessica Hündorf und Michael Hoffmann, zwei Vertreter dieses Berufsstandes und durften sie auch befragen.

Frau Hündorf, Herr Hoffmann, sagen Sie bitte ein paar Worte zu Ihrer Person. Ich nehme an, Sie haben eine Ausbildung als Hotelfachfrau bzw. Mann.

Ich bin Michael Hoffmann, gelernter Restaurantfachmann und arbeite hier seit 5 1⁄2 Jahren als Night Manager.

Mein Name ist Jessica Hündorf, ich habe hier im Haus die Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht und bin seit über drei Jahren fest als Night-Auditor eingestellt. Ich kenne auch Michael seit meiner Ausbildung. Schon während der Ausbildungszeit war ich eher der Mensch, der lieber im Spätdienst und nachts arbeitet.

Michael Hoffmann: Wir zwei sind ein festes Team. Wir arbeiten auch sehr gern miteinander,. Es ist auch wichtig, dass man sich versteht und aufeinander verlassen kann. Vor allem in der Nacht, weil wir niemanden als Ansprechpartner haben.

Michael Hoffmann und Jessica Hündorf. Foto: Thomas KöhlerMichael Hoffmann und Jessica Hündorf. Foto: Thomas Köhler

Der Nacht-Concierge war früher meist männlich. Ist eine Frau auch heute noch die Ausnahme?

Jessica Hündorf: Tatsächlich kommt es super selten vor. Es gucken auch immer alle sehr perplex, wenn sie erfahren, dass ich dauerhaft in der Nacht arbeite. Oft werde ich gefragt, ob ich das so gewollt habe, oder ob mir das aufgezwungen wird. Ich finde es eigentlich toll, Leute damit auch ein bisschen zu überraschen.

Wenn die meisten Leipzigerinnen und Leipziger, aber auch ein großer Teil der Gäste des Steigenberger, schon schlafen, sind Sie dann quasi Hotel-Chef?

Michael Hoffmann: Wir arbeiten hier in dem Hotel immer zu zweit. Einer ist ständig an der Rezeption und einer erfüllt Gästewünsche. Aber ja, man ist schon für das gesamte Haus und die Gäste zuständig. Wir sind die ersten Ansprechpartner für Gäste oder Kolleg/-innen bei Herausforderungen. Aber wenn es hart auf hart kommt, ist unsere Direktorin Frau Charlotte Holtmann immer telefonisch zu erreichen.

Was macht man eigentlich als Nightie, gibt es da festgelegte Aufgaben, auch wenn gerade kein Gast Wünsche hat?

Michael Hoffmann: Definitiv. Wir haben viele administrative Aufgaben und beschäftigen uns mit Zahlungskontrollen, Rechnungen und den Tagesabschlüssen unserer Systeme.

Natürlich bereiten wir für Kolleg/-innen der Tagschichten (auch anderer Abteilungen) einige Aufgaben vor.

Gibt es denn nach zwei Uhr bis in die frühen Morgenstunden, also gegen fünf, überhaupt etwas zu tun, oder ist es dann eher langweilig?

Michael Hoffmann: Es ist ganz unterschiedlich. Langweilig wird es nie. Das ist auch gut so, sonst würde die Zeit auch nicht vergehen. In der Woche ist es tatsächlich zwischen zwei und fünf oft ruhig. Da sind sehr viele Geschäftsreisende im Haus. Am Wochenende ist es dann schon etwas anders.

Da haben wir auch jüngere Gäste, die dann eben nachts vielleicht vom Feiern zurückkommen und spontan Zimmer benötigen oder Hunger haben. Da haben wir mehr zu tun. Für diese Wünsche hat die Küche schon so einige kleine Speisen vorbereitet. Wir wärmen diese ggf. dann auf, richten es hübsch auf den Tellern an und servieren diese auf dem Zimmer.

Wie läuft so ein Nachtdienst im Normalfall ab?

Michael Hoffmann: Nachtdienst bedeutet, dass wir 22 Uhr anfangen. Der Spätdienst übergibt uns die wichtigsten Informationen vom Tag und alles, was wir über das Haus bzw. die Gäste für die Nacht wissen müssen. Gegen 22.30 Uhr sind wir dann allein an der Rezeption. Nur die Bar ist noch geöffnet.

Jessica Hündorf: Wir fangen mit unseren Aufgaben an, checken gegebenenfalls noch Gäste ein, die spät anreisen und bereiten alles für die Tagesabschlüsse vor. Bis etwa zwei Uhr haben wir meistens noch häufig mit Gästewünschen zu tun. Einer von uns bleibt immer an der Rezeption, um Gäste zu betreuen und natürlich für die Sicherheit zu sorgen.

In Filmen geht der Nachtportier, wenn alle schlafen, auf Hausrundgang. Machen Sie das auch?

Michael Hoffmann: Das gehört zu unseren täglichen Aufgaben. Bei uns sind es zwei Rundgänge, einer gegen 24 Uhr durch den öffentlichen Bereich sowie den Personalbereich. Dabei wird kontrolliert, ob alles abgeschlossen ist, oder jemand auffällt, der nicht zum Haus gehört. Ab 3 Uhr gehen wir dann über die Flure des Hotels, dort sammeln wir dann die Roomservice-Karten von den Zimmertüren ein.

Manchmal stellen Gäste ihre Roomservice-Wagen wieder nach draußen, diese nehmen wir natürlich mit, damit alles schön aussieht. Außerdem können Gäste ihre Schuhe vor der Zimmertür ablegen, die dann geputzt oder poliert wieder nach oben gehen.

Was sind die häufigsten Anliegen, die Gäste haben?

Michael Hoffmann: Das Häufigste ist die vergessene Zahnbürste, die bringen wir ganz schnell aufs Zimmer. Oder jemand möchte vielleicht ein zusätzliches Kissen oder eine andere Bettdecke. Häufig sind auch Anfragen für Taxis. Manche haben Fragen zur Klimaanlage, da zeigen wir, wie das genau funktioniert. Auch beim Fernseher funktioniert manchmal etwas nicht, wir sind manchmal auch Techniker. Es ist individuell.

Sie sind auch die Techniker, sagten Sie. Wenn das WLAN ausfällt oder etwas anderes passiert, sind Sie also zuständig?

Michael Hoffmann: Grundsätzlich passiert so etwas gerne in der Nacht und an Wochenenden. Das WLAN fällt aus oder wir haben Wasserprobleme, also Wasserschaden, dann machen wir selbst was wir können oder dürfen.

Jessica Hündorf: Wir haben aber auch Firmen, die wir im Notfall anrufen können, die dann auch vor Ort reparieren oder Probleme beheben.

Gibt es denn auch außergewöhnliche Gästewünsche und können Sie diese erfüllen?

Michael Hoffmann: Ja. Lustig wird es immer, wenn Gäste nachts spontan Dinge gekauft haben möchten. Socken, Blumen … sogar Präservative mussten wir schon spontan besorgen. Im Rahmen des Möglichen versuchen wir natürlich Dinge zu organisieren, das machen wir dann mit der Hilfe eines Taxiunternehmens, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Das ist natürlich eine Sonderleistung, die wir nicht als selbstverständlich hinnehmen. Wir sind für die Zusammenarbeit auch sehr dankbar.

Jessica Hündorf: Es gibt auch Sachen, die nachts noch schwieriger zu organisieren sind, oder bei denen wir uns fragen, wie man da erst nachts darauf kommt. Letztens kam ein Gast gegen Mitternacht und wollte für den nächsten Tag 10 Uhr einen privaten Chauffeur für eine Fahrt nach Prag haben. Wir stehen nachts da, gucken ihn an und denken uns: Wen sollen wir denn jetzt noch erreichen?

Dann bieten wir halt Alternativen an, wie Taxis oder dass man dies dann am nächsten Morgen abklärt. Viele erwarten dann mitten in der Nacht aber trotzdem eine Reaktion. Das sind Situationen, die dann auch im Gedächtnis bleiben.

Wollen Gäste mitten in der Nacht auch noch für den nächsten Abend Karten für Veranstaltungen, oder so etwas?

Jessica Hündorf: Manchmal, aber hier kann tagsüber unsere Concierge spontan Karten besorgen. Meistens sind es eher Anfragen für bestimmte Taxi-Fahrten oder Chauffeurservice. Vor allem beim Fußball. Letztes Jahr gab es die großen Spiele der Fußball-EM und es gab ja den abgegrenzten Bereich um das Stadion. Es durften keine Autos rein, auch keine Taxis.

Dann wurden wir abends nach den Spielen, als diese zu Ende waren, von Gästen angerufen, die wollten, dass wir Taxis zum Stadion schicken. Wir erklärten ihnen ausführlich, dass es nicht möglich ist, dass es aber Stationen gab, an denen Taxis bereitstanden. Plötzlich riefen dann sie vier, fünfmal an, beschwerten sich lautstark, warum man das nicht schafft – man sei doch das Steigenberger. Da weiß man nicht mehr, was man sagen soll.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Dauerhaft Nachts arbeiten bringt ja auch einen speziellen Tagesrhythmus mit sich, wie gehen Sie damit um?

Jessica Hündorf: Das ist bei Michael und mir verschieden. Ich bleibe noch so lange wie möglich wach, gehe zwischen 10 und 12 Uhr ins Bett und schlafe dann bis kurz vorm Dienst. Sozusagen, dass der Nachtdienst für mich wie ein Frühdienst ist. Ich habe dann vormittags Zeit, alles zu erledigen, Termine zu machen.

Mit Freunden ist es ein bisschen schwieriger. Aber ich habe einen sehr guten Freundeskreis, der diese Schichtarbeit kennt und selber auch aus der Hotellerie stammt. Deswegen ist es zum Glück relativ einfach, sich miteinander zu verabreden.

Michael Hoffmann: Ich gehe nach dem Dienst direkt ins Bett. Für mich ist es dann sozusagen ein Spätdienst. Ich habe noch ein bisschen was vom Nachmittag und dem frühen Abend, mache auch noch ein bisschen Sport. Wie meine Kollegin schon sagt, das soziale Leben leidet dann schon ein bisschen darunter.

Wenn mal Feiern sind oder man mit Freunden ins Kino gehen will, muss man die freien Tage nutzen oder vorausplanen. Aber wir sind in der Hotellerie und haben meistens auch Freunde, die selber im Schichtdienst arbeiten. Da kann man sich schon arrangieren.

Sie sind beide freiwillig Nighties und machen das auch gern, wollen Sie das langfristig beibehalten?

Jessica Hündorf: Erstmal ja. Wir hatten einen Kollegen in der Nachtschicht, welcher nach drei Jahren aufgehört hat, weil es ihm körperlich irgendwann zu schaffen machte. Bei mir geht es noch. Ich weiß nicht, wie es bei Michael aussieht, aber ich würde es wenigstens noch ein Jahr lang machen.

Ich habe für mich mitgekriegt, dass ich ein Nachtmensch bin. Es gibt auch die seltenen Tage, an denen wir wirklich Ruhe haben. Dann ist es unglaublich schön, einfach mal zu entspannen und die Ruhe dieser Nacht auf einen wirken zu lassen.

Michael Hoffmann: Ich habe mein ganzes Leben schon im Schichtdienst gearbeitet, als Restaurantfachmann und ein paar Jahre bei der Lufthansa, im Dreischichtsystem. Als für mich feststand, dass ich die Lufthansa verlasse, habe ich mir geschworen, keinen Dreischicht-Rhythmus mehr zu machen. Weil das dazu geführt hat, dass ich irgendwann gar nicht mehr schlafen konnte.

Ich habe die Stellenanzeige hier gefunden und dachte, man kann es ja mal versuchen. Ich bin gut damit klargekommen, in diesen Rhythmus reinzukommen. Es ist manchmal ein bisschen schwierig, schlafen zu können, wenn tagsüber Bauarbeiten oder Renovierungen im Haus sind. Das ist manchmal schon störend.

Mit dem Urlaub ist es so: Ich brauche mindestens zwei Wochen am Stück, weil man eine ganze Weile braucht, um wieder in den normalen Tagesrhythmus zu kommen. Da ist eine Woche für mich persönlich zu wenig. Danach muss man sich wieder umgewöhnen, um wieder in den Nachtrhythmus zu kommen.

Frau Hündorf, Herr Hoffmann, ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche eine störungsfreie Nachtschicht.

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Teil 1 der Nachtarbeit-Reihe: Graffiti, Drogen, Rambazamba: Auf Nachtstreife mit Richard und Alex vom Polizeirevier Leipzig-Südwest