Die Cannabis-Freigabe der nun endenden Regierung in Berlin ist auf halbem Wege steckengeblieben. Zwar hat sie erstmals all die Erkenntnisse aus der Suchtforschung aufgenommen, die eine Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums auch aus juristischen Gründen folgerichtig erscheinen lässt. Aber am entscheidenden Punkt, nämlich dem kontrollierten Verkauf, endete der Prozess.
Und mit der neuen schwarz-roten Regierung scheint es auch nicht mehr weiterzugehen. Aber wie schafft man legale und kontrollierbare Abgabemöglichkeiten? Das war die Frage eines gemeinsamen Antrags von drei Stadtratsfraktionen.
Der Antrag von Linken, Grünen und Freier Fraktion kam in der Ratsversammlung am 16. April zum Aufruf. Und während Linke-Stadträtin Juliane Nagel auf die Logik einer solchen Legalisierung einging und die Frage, mit welchem Partner Leipzig einen solchen legalen und auch nachvollziehbaren Verkauf organisieren könnte, ansprach, schwadronierte AfD-Stadtrat Roland Ulbrich – weil die Gelegenheit so schön war – mal wieder über das Suchtverhalten der Linken.
Da kann man schön draufdreschen und sich selbst als Hüter einer suchtfreien Sesselpoltik verkaufen. Motto: Die Linken kiffen ja nur. „Dafür sind sie ja bekannt.“
Eine Rhetorik, die jede Untersuchung zum Suchtverhalten der Deutschen ignorierte und so tat, als würde einzig und allein die konservative Verbotspolitik den Drogengebrauch in irgendeiner Weise verhindern. Was sie nicht tut.
Das erzählt jede Todesstatistik in Deutschland. Denn mindestens zwei Drogen sind ja nicht verboten: Nikotin und Alkohol. Und Alkohol können sich schon 16-Jährige im Supermarkt kaufen und sich die Birne wegknallen. Über 70.000 Alkohol-Tote im Jahr sprechen eine klare Sprache.
Die Probleme eines illegalen Marktes
Cannabis schafft zwar auch Probleme und man beseitigt den Cannabis-Konsum auch nicht mit Verboten. So funktioniert Sucht nicht. Was ganz offensichtlich im konservativen Lager (das auch seine eigenen Suchtprobleme hat) nicht verstanden werden will.
Die Teil-Legalisierung des Cannabis-Konsums hat zumindest einen Teil dieses Drogengebrauchs aus der Illegalität geholt und die Zahl der registrierten Drogendelikte in Sachsen um 25 Prozent sinken lassen. Aber legal kommen die Bedürftigen an das Cannabis eben nur dann, wenn sie es zum Eigengebrauch selbst anbauen oder Mitglied einer Genossenschaft werden, die gemeinsam Cannabis für den Eigengebrauch anbaut.
Acht solcher Genossenschaften gibt es mittlerweile in Sachsen, drei davon in Leipzig. Viel zu wenig, um den tatsächlichen Bedarf abzudecken, wie Juliane Nagel erklärte.
Viele Konsumenten sind also weiterhin auf den Schwarzmarkt angewiesen, wo sie überhaupt keine Kontrolle über die Reinheit des Stoffes haben.
Ausnahmemöglichkeit Forschungsprojekt
Im Dezember 2024 hat die Bundesregierung zumindest ein Türchen geöffnet, wie eine legale Abgabe von Cannabis dennoch gewährleistet werden kann: zu Forschungszwecken. „Um die legale, kommerzielle Cannabis-Abgabe in lizenzierten Fachgeschäften dennoch zu ermöglichen, könnten jedoch Modellprojekte im Rahmen des zum April 2024 in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) als Forschungsvorhaben nach § 2 Absatz 4 KCanG laufen“, heißt es im gemeinsamen Antrag von Linksfraktion, Grünenfraktion und Freier Fraktion dazu.
Der diese Möglichkeit dann auch als Ausweg aus der Misere sah, da sich der Gesetzgeber nun einmal nicht dazu durchringen konnte, den Verkauf über lizenzierte Handelsgeschäfte zuzulassen.
Womit dann schon das nächste falsche Argument von AfD-Stadtrat Ulbrich ohne Grundlage ist, denn den Markt für Cannabis gibt es längst. Auch die illegalen Händler geben das Kraut nicht zum Selbstkostenpreis ab. Wo er das Märchen herhat, hat Ulbrich nicht erklärt.
Er polterte lieber gegen den Geschäftssinn der Linken und unterstellte ihnen jetzt auf einmal kapitalistisches Denken, als wenn sie vom Verkauf selbst profitieren würde. Aber wie gesagt: Den Markt gibt es längst. Und auf Märkten wird nichts zum Selbstkostenpreis verkauft, sonst funktionieren sie nicht.
Im Gegenteil: Ist ein Produkt durch staatliche Verbote knapp, wird es sogar teurer. Und auch lizenzierte Händler würden das Cannabis nicht zum Selbstkostenpreis abgeben.
Roland Ulbrich (AfD) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Die kontrollierte Abgabe hat noch einen anderen Aspekt, der natürlich den AfD-Stadtrat nicht die Bohne interessierte: eben eine Kontrolle über den verkauften Stoff, seinen Anbau und seine Verarbeitung. Denn ein Riesenproblem auf dem illegalen Markt ist schon lange, dass die Ware entweder gestreckt wird oder in ihrer Suchtwirkung so hochgezüchtet, dass sie den Konsumenten gesundheitlich massiv beeinträchtigt. Dem kann man nur einen Riegel vorschieben, wenn man die Abgabe legalisiert und kontrolliert.
Aufklärung, Prävention und Schadensbegrenzung
Und noch etwas kommt hinzu, das die Grünen-Stadträtin Chantal Schneiß betonte: Mit der Legalisierung kann auch Aufklärung verbunden werden und letztlich Schadensbegrenzung ermöglicht werden. Für die Grünen, so Schneiß, geht es dabei um den Dreiklang Aufklärung, Prävention und Schadensbegrenzung.
So wie es übrigens auch das Gesundheitsamt der Stadt sieht, wo man sich ja seit Jahren intensiv auch mit Drogenprävention beschäftigt und jedes Jahr einen ausführlichen Suchtbericht erstellt, den aber bei der AfD augenscheinlich niemand liest. Und wenn ihn dort jemand liest, hat er wohl nicht verstanden, was darin steht und wie tief Sucht in der modernen Konsumgesellschaft verankert ist.
Und Drogen gehören bei vielen Menschen zum Alltag – von illegalen bis legalen, von Alkohol bis Tabletten. Es ist auch noch eine falsche Geste, wenn von rechts auf links gezeigt wird. Denn auf Drogen sind auch Menschen aus dem konservativen und bürgerlichen Milieu.
Chantal Schneiß (Bündnis 90 / Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Und wo die Menschen in die Suchtspirale geraten, aber die Aufklärung und Prävention fehlen, da nimmt das Problem ohne Bremsen an Fahrt auf. Die Betroffenen oder ihre Angehörigen tauchen dann in den Suchtberatungsstellen der Stadt auf, wenn das Problem nicht mehr zu vertuschen ist und die Alltagssorgen überhandnehmen.
Forschung und Prävention
So gesehen ist die Einrichtung einer legalen Abgabestelle auch ein Schritt zu mehr Transparenz. Und zu mehr Kontakten zu den Konsumenten. Und die Vorlage aus dem Gesundheitsamt betont auch, dass aus dem von der Stadt vorgeschlagenen Kooperationsprojekt mit dem Forschungsprojekt der DEMECAN GmbH auch wieder Gelder in die Leipziger Präventionsarbeit fließen sollen. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Begleitung durch die Fachhochschule Erfurt (CAN-Chain Projekt).
„Die Teilnahme am Projekt von DEMECAN ist für konsumierende Menschen erst ab einem Alter von 25 Jahren möglich. Im Vergleich dazu ist im Forschungsprojekt des ZIS und des Vereins Cannabis Forschung Deutschland eine Teilnahme bereits mit Erreichen der Volljährigkeit möglich“, schreibt das Gesundheitsamt der Stadt in seiner Vorlage.
„Ein Teil der Einnahmen aus dem Forschungsprojekt von DEMECAN soll für suchtpräventive Projekte der Stadt Leipzig zur Verfügung gestellt werden.“
Also ein sinnvolles Projekt, um in Leipzig ein bisschen mehr Kontrolle über den Cannabis-Markt zu bekommen und gleichzeitig die Prävention zu stärken. Was dann die Stadtratsmehrheit auch so sah: Mit 35:24 Stimmen bei sechs Enthaltungen stimmte sie dem Vorschlag der Verwaltung zu, in das Forschungsprojekt der DEMECAN GmbH einzusteigen.