AUDIO: Studie: Fischbestände in der Elbmündung eingebrochen (1 Min)
Stand: 29.09.2025 15:10 Uhr
Die Fischbestände in der unteren Elbe sind massiv eingebrochen. Einer neuen Studie eines Hamburger Forscherteams zufolge, ist der gesamte Fischbestand seit 2010 um 90 Prozent geschrumpft.
Vom Mühlenberger Loch bis fast nach Cuxhaven: Auf diesen 80 Kilometern Elbstrom sind die Fische fast verschwunden. Der Stint und die Flunder, aber auch der Kaulbarsch und die Finte. Das belegen Daten von fünf Messstationen vor Ort, die vier mal im Jahr gesammelt werden. Sie zeigen auch, wie salzig oder trüb die Elbe dort ist. Ausgewertet hat sie ein Forschungsteam vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels und der Universität Hamburg.
Seit den 1980er-Jahren wurde die Elbe demnach zwar sauberer und die Fischbestände konnten sich erholen. Aber dann habe es eine dramatische Kehrtwende gegeben: Seit 2010 sind die Fischbestände den Angaben zufolge kollabiert.
Forscher: Schlick belastet Jungfische
Studienautor Jesse Theilen sieht einen wesentlichen Grund für den Einbruch von 90 Prozent in wenigen Jahren: Der Schlick vom konstanten Ausbaggern der Elbe zerstöre die für Jungfische wichtigen Flachwasserzonen und mache die Nahrungssuche schwer. Außerdem würden Teile der Elbe salziger, weil es weniger regne und das Nordseewasser schneller einströme. Und im Sommer würden die Fische unter den Sauerstofflöchern in der Elbe leiden.
Laut Theilen liefere die neue Studie ein Beispiel dafür, wie menschliche Eingriffe Umweltfaktoren in Flussmündungsgebieten verändern und dadurch die Fischfauna beeinflussen. „Unsere Daten belegen, dass Fischbestände langfristig stark unter Druck geraten, wenn ihr Lebensraum durch Umweltveränderungen belastet wird“, sagt Theilen in einer Mitteilung.
Schlick verstopft zunehmend die Fahrrinne und schränkt das Navigieren auf der Elbe zwischen Cuxhaven und dem Hamburger Hafen ein.
Hafen: „Umweltauswirkungen weitestgehend vermieden“
Die Hamburg Port Authority (HPA), die für die Planung und Umsetzung der Fahrrinnenanpassung im Hamburger Hafen zuständig ist, wollte sich auf NDR Anfrage nicht zu der neuen Studie äußern. Auf der Webseite der HPA heißt es jedoch, dass bei der Anpassung der Fahrrinne „negative Folgen für den Lebensraum Tideelbe weitestgehend vermieden“ werden konnten. Die Baggermengen für den Ausbau seien „auf das unbedingt notwendige Maß reduziert“ worden. Vereinzelte ökologische Beeinträchtigungen würden „durch umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen vollständig kompensiert“, so die HPA.
Herber Schlag für Biodiversität
Umweltschutzorganisationen wie der Hamburger Naturschutzbund NABU sehen das kritisch. Sie warnen seit Jahren vor den Folgen der Elbvertiefung und fordern eine grundlegend andere Hafenpolitik. Die neue Studie des Leibnitz-Instituts bestätige jetzt, was die Umweltschützer schon vor zehn Jahren prognostiziert hätten, sagt der NABU-Vorsitzende Malte Siegert im Gespräch mit NDR 90,3. „Dass die Elbe jetzt, bildlich gesprochen, den Bach runter geht, war politisch und wirtschaftlich gewollt“, so Siegert. „Man hat ja ganz andere Prioritäten gesetzt: Gewässerschutz spielt keine Rolle, Fische auch nicht.“
Und bei den Fischen bleibe es nicht: Landseitig seien viele Vogelarten abhängig von den Fischen in der Elbe, da ihnen diese als Nahrung dienen, sagt Siegert. Ohne diese Nahrungsquelle brechen die Vogel-Populationen langfristig auch zusammen. Am Ende sei das gesamte Ökosystem bedroht. „Das ist wirklich ein großer und herber Schlag für das Thema Biodiversität“, so Siegert.
In Hamburg ist eine neue Studie zur Elbvertiefung vorgestellt worden. Die hat sich laut der Autoren wirtschaftlich nicht gelohnt.
Die Situation für die Fische in der Elbe bei Hamburg sei „ziemlich furchtbar“, sagt die Gewässerexpertin des BUND, Linda Kahl, zu NDR 90,3.