Marum Bremen

Wissenschaftler finden „fehlendes Puzzleteil“ der Klimaforschung

29.09.2025 – 18:21 UhrLesedauer: 2 Min.

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Taucher am Ozeanboden (Symbolfoto): Der Meeresgrund spielt für das Klima eine entscheidende Rolle. (Quelle: IMAGO/imago)

Klimaforschung ist komplex. Dank eines Systems, an dem auch Bremer Wissenschaftler arbeiten, kann man sie immer besser verstehen. Erste Erkenntnisse sind erstaunlich.

Warum sich die Erde in manchen Epochen stark abkühlt, obwohl sie sich zuvor erwärmt hatte, beschäftigt Forschende seit langem. Eine neue Studie liefert nun eine mögliche Antwort. Dominik Hülse vom Marum – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und Andy Ridgwell (University of California) haben in ihrem erweiterten Erdsystemmodell jetzt zeigen können, dass die Erde nach einer Erwärmung auch „überreagieren“ kann – bis sie tief in eine Eiszeit fällt.

Bislang galt die Verwitterung von Silikatgestein als Hauptprozess, der über Jahrmillionen das Klima stabilisiert: Erwärmt sich die Erde, verwittern Gesteine schneller, nehmen mehr CO2 auf und die Erde kühlt sich wieder ab. Doch das allein erklärt laut dem Forscherduo nicht, warum die Erde in der Frühzeit zeitweise völlig vereist war. Den Wissenschaftlern nach kommt ein zweiter, bisher unterschätzter Mechanismus hinzu – ein Wechselspiel aus Nährstoffen, Sauerstoff und Algen im Meer. Hülse und Ridgwell nennen es eines der „fehlenden Puzzleteile“ der jüngeren Klimaforschung.

Steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre, wachsen Algen im Meer schneller. Sie binden CO2, sterben ab und transportieren den Kohlenstoff in die Tiefe. Doch bei dieser Entwicklung geht dem Ozean Sauerstoff verloren – und das setzt neue Nährstoffe frei, die wiederum das Algenwachstum befeuern. Diese Rückkopplung führt dazu, dass immer mehr Kohlenstoff auf dem Meeresboden gebunden wird. In der Folge kühlt die Erde stark ab – manchmal so stark, dass Eiszeiten entstehen.

Das neue Modell von Hülse und Ridgwell zeigt: Das Klimasystem der Erde reagiert auf eine starke Erwärmung nicht immer sanft. Unter bestimmten Bedingungen kann es überkompensieren und in eine extreme Abkühlung kippen. „Wir konnten erstmals zeigen, dass die Erde nach einer Erwärmung nicht zwangsläufig in den Ausgangszustand zurückkehrt – sie kann überkorrigieren“, so Hülse. Diese Prozesse liefen allerdings über Zeiträume von Hunderttausenden Jahren ab.

Für die Gegenwart heißt das: Die heutige CO2-Zunahme lässt sich durch natürliche Selbstregulierung nicht kurzfristig ausgleichen. „Dass die Erde sich irgendwann wieder abkühlt, wird uns nicht helfen – das passiert viel zu langsam“, betont Ridgwell.

Die Forscher vermuten, dass niedrigere Sauerstoffgehalte in der Ur-Atmosphäre solche extremen Rückkopplungen begünstigten – und so die sogenannten Schneeball-Erde-Phasen auslösten. Heute dämpfe der höhere Sauerstoffgehalt der Atmosphäre diese Prozesse. Langfristig könnte sich die Erde zwar wieder abkühlen, aber nicht in absehbarer Zeit.

Das Marum zählt zu den international führenden Einrichtungen der Meeresforschung. Es untersucht, wie Ozeane und Meeresböden das globale Klima beeinflussen, und erforscht ihre geologischen, biologischen und chemischen Prozesse. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Einrichtung liefern Grundlagenwissen über das Erdsystem und tragen damit zum Verständnis bei, wie sich das Klima in Zukunft entwickeln könnte.