Bei einer Podiumsdiskussion prallten unterschiedliche Positionen zur Lösung der Stauprobleme im Stuttgarter Nordosten aufeinander.

Im Rahmen der ganz neuen, vom VfB Stuttgart lancierten Veranstaltungsreihe „Wirtschaftsarena – was die Region bewegt“ sind am Montagabend die Meinungen zu einer möglichen Lösung der Stauprobleme im Nordosten Stuttgarts unmissverständlich aber fair aufeinander getroffen.

Zwei Befürworter und zwei Gegner

Bei einer Podiumsdiskussion in Kooperation mit der Stuttgarter Zeitung traten Andreas Stihl, Gesellschafter des gleichnamigen Unternehmens und Geschäftsführer der Wirtschaftsinitiative „Grüner Tunnel“, und Steffen Bilger, Ludwigsburger CDU-Abgeordneter und parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion als Befürworter einer 10,7 Kilometer langen Tunnellösung auf.

Ihnen gegenüber saßen der grüne Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Beatrice Soltys, Baubürgermeisterin der Stadt Fellbach, die den Sinn und die Machbarkeit eines solchen Vorhabens nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus verkehrspolitischen und ökologischen Gründen anzweifelten.

Die hinter der Tunnelidee stehende Wirtschaftsinitiative der Unternehmen Stihl, Bosch, Lapp und Trumpf sehen das Fellbach und Waiblingen am einen und Kornwestheim am anderen Ende verbindende Tunnelprojekt nach einem halben Jahrhundert ergebnisloser Diskussionen um einen Nordostring als Befreiungsschlag.

Oberirdische Straße war Jahrzehnte nicht durchsetzbar

„Ich wohne in Neckarrems“, sagte Andreas Stihl. „Jeden Morgen sehe ich lange Staus und mir tun die Leute leid, die so lange an der Kreuzung warten müssen und einen Teil ihrer Lebenszeit verlieren.“ Es sei klar, dass eine oberirdische Straße wegen ihrer Folgen für die Landschaft nicht durchsetzbar sei. Ein Tunnel bewahre hingegen unter anderem die kostbaren Böden. Die Kosten dafür, die ein Gutachten eines renommierten Münchner Planungsbüros auf 1,6 Milliarden Euro schätzt, müsse man gegenrechnen gegen die volkswirtschaftlichen Stauverluste in der Region Stuttgart, die Stihl insgesamt auf eine Milliarde Euro pro Jahr taxierte.

„Ich muss Ihnen bei Ihren Rechnungen widersprechen“, sagte Landesverkehrsminister Hermann. Unter drei bis vier Milliarden Euro sei ein solches Projekt nicht zu haben. „Das ist eigentlich ein grauer Tunnel, kein grüner. Er braucht schon beim Bau siebenmal mehr Energie als eine oberirdische Straße.“ Die massiven Folgekosten, die man aktuell bei der Sanierung von Straßentunneln erlebe, seien da noch gar nicht einberechnet.

Vision – oder die Mühen der Gegenwart?

Am Ende stand letztlich die Frage im Raum, ob ein solches Projekt genau die langfristige Vision ist, welche die Region braucht, oder ob es nicht von den konkreten Problemen der Gegenwart wegführt. „Wir müssen für solche Dinge offen sein“, sagte der CDU-Politiker Bilger. Er betonte, dass dies nicht bedeutete, aktuelle Projekte zu vernachlässigen. Er zeigte sich beispielsweise zuversichtlich, dass der aktuell in den Haushaltsnöten des Bundes feststeckende Albaufstieg an der A8 noch finanziert werde: „Wir werden in den Haushaltsberatungen dafür sorgen.“

Die Fellbacher Baubürgermeisterin Soltys warf den Befürwortern des Projekts eine Art Tunnelblick vor. „Wie die Wurst hat auch so ein Tunnel zwei Enden“, sagte sie: Die Straßen rund um einen gebauten Tunnel würden nicht ansatzweise in der Lage sein, das durch die zwei, je zweispurigen Röhren provozierte Verkehrsaufkommen aufzunehmen. Um die Probleme zu lösen, müsse man auf alle Verkehrsträger blicken – zu denen etwa auch die unzuverlässig gewordene S-Bahn gehöre, was in Fellbach massiv zu spüren sei.

Bis es je losgeht, wird es dauern

Vom moderierenden Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Joachim Dorfs, auf die aktuellen Finanznöte angesprochen, sagte Tunnelbefürworter Stihl, dass er sich keine Illusionen über die Zeitdauer bis zur möglichen Realisierung mache: „Mir ist klar, dass frühestens in zehn Jahren gebaut werden kann. Bis dahin kann die Finanzlage wieder eine andere sein.“

Landesverkehrsminister Winfried Hermann erklärte hingegen den Ansatz grundsätzlich für einen Irrweg. Die Befürworter vernachlässigten die finanziellen und ökologischen Folgelasten des Projekts: „Ein Tunnel mit elf Kilometern löst die Probleme nicht.“