Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat sich für eine Anhebung von Erbschafts- und Reichensteuer ausgesprochen. „Wir haben große Milliarden- und Millionen-Erbschaften. Es geht die Welt nicht unter, wenn man die ein bisschen stärker heranzieht“, sagte Klingbeil beim Tagesspiegel-Hauptstadtgespräch im Deutschen Theater in Berlin.

Erbschaften von über 20 Millionen Euro würden bisher „effektiv mit zwei bis drei Prozent“ besteuert, sagte der Vizekanzler, während kleiner Erbschaften höher besteuert werden. Für höhere Freibeträge sei er offen.

Auf die Frage von Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar, ob er bei seinen Vorschlägen die Unterstützung des Koalitionspartners CDU/CSU habe, sagte er: „Das weiß ich nicht.“ Klingbeil verwies darauf, Unionsfraktionschef Jens Spahn habe die Vermögensungleichheit in Deutschland thematisiert.

Klingbeil sieht „Korrekturbedarf“ beim Bürgergeld

Klingbeil beklagte einen Mangel an Leistungsgerechtigkeit. „Heute kannst Du der Beste in der Schule gewesen sein. Du kannst der Beste im Studium gewesen sein. Du kannst der Fleißigste auf der Arbeit gewesen sein. Aber Du wirst Dir keine Eigentumswohnung in Berlin leisten können.“ Die Reichensteuer noch einmal anzuheben, „muss diskutiert werden“. Wenn der Satz „Leistung muss sich lohnen“ gelten solle, „brauchen wir dringend mehr Gerechtigkeit“, sagte Klingbeil.

Beim Bürgergeld gebe es einen „Korrekturbedarf“, sagte Klingbeil: „Wir sind uns völlig einig in der Regierung, auch Bärbel Bas und ich, dass wir da den Druck erhöhen.“ Es müsse „hart unterbunden werden“, wenn sich jemand am Sozialstaat bereichere. Um die Haushaltslücke zu schließen, sagte er, es müsse es „am Ende ein Gesamtpaket geben, bei dem alle ihren Beitrag leisten“.

123,6 Milliarden: Bund investiert in Rekordhöhe

Klingbeil sagte, es ärgere ihn, wenn manchmal der Eindruck entstehe, dass die Union etwas verändern wolle, die SPD aber nicht. „Wir dürfen nicht die Bewahrer des Status quo sein“, sagte der SPD-Chef: „Die SPD war nie stark, wenn sie Status-quo-Partei war.“ Stark sei die SPD stets mit einer Politik von Veränderung und Aufbruch gewesen. Klingbeil sagte, die SPD müsse Politik machen für Menschen, die 2500 oder 3000 Euro verdienten. „Die sind“, sagte er, „gerade nicht bei uns.“

Klingbeil ließ erkennen, dass er keiner anderen Regierungskonstellation zutraut, die gegenwärtigen Probleme zu lösen. „Wenn Union und SPD das nicht hinkriegen, in welcher Konstellation soll es denn dann klappen? Wenn Friedrich Merz und ich das nicht hinkriegen, in welcher Konstellation soll es denn dann klappen?“ Er wies jedoch die Formulierung von CSU-Chef Markus Söder zurück, die schwarz-rote Koalition sei die „letzte Patrone“ der Demokratie. „Das ist mir zu groß“, sagte er.

Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) sieht Veränderungswillen bei der SPD

© Laurin Schmid für den Tagesspiegel

Über den Ausgang der Kommunalwahlen in NRW und den Verlust des Oberbürgermeister-Amtes in der Hochburg Dortmund sagte Klingbeil, die SPD habe AfD-Erfolge verhindert und zudem das Oberbürgermeister-Amt in Köln zurückerobert.

Klingbeil rief seine Partei auf, sich um Sorgen und Nöte der Menschen zu kümmern. „Ich wünsche mir von meiner Partei, dass sie sich weniger um interne Sitzungen kümmern“, sagte er, und verwies auf erfolgreiche Oberbürgermeister und Ministerpräsidenten, die nahe am Alltag der Menschen seien.

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Angesichts der jüngsten Luftraumverletzungen von Nato-Staaten durch Russland zeigte sich der Vizekanzler besorgt. Klingbeil rief zu einer erhöhten Wachsamkeit gegenüber Russland auf. „Man darf das nicht als Lappalie abtun. Ich erwarte, dass innerhalb der Nato-Gremien da Klartext geredet wird. Dass mit Russland Klartext geredet wird. Das ist jetzt auch der Test, ob wir naiv sind oder nicht … Putin testet gerade, wie weit er gehen kann.“ Er rate, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Gefragt sei nun eine Körperhaltung der Nato, die Russland deutlich mache: „Bis hierhin und nicht weiter.“