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Absage an Skyranger? Statt Hochtechnologie bevorzugt die Ukraine rustikale Rüstungsgüter. Offenbar laufen bereits Gespräche mit KNDS über Gepard-Ableger.
Kiew – „Gepard, Gepard und nochmals Gepard“, sagt Serhiy. Den ukrainischen Schützen hatte Army Recognition gefragt, was seiner Ansicht nach die drei wichtigsten Systeme zur Abwehr von russischen Drohnen seien. Im Ukraine-Krieg hat das Bundeswehr-Alteisen Wladimir Putins Invasionsarme enorme Verluste beigebracht. Die Verteidiger scheinen vom Oldtimer inzwischen so begeistert zu sein, dass sie ihn anscheinend nachbauen wollen, wie Defense Express aktuell berichtet. Und das, obwohl sein Erbe schon aufmarschiert ist.
Feste Größe im Ukraine-Krieg: Allen Ansprüchen des 21. Jahrhunderts zur Abwehr gewachsen
Laut dem Magazin hat das Verteidigungsministerium der Ukraine in einem Rückblick auf die diesjährige „Messe Defence and Security Equipment International“ in London angedeutet, mit dem deutschen Waffenbauer KNDS Gespräche aufgenommen zu haben – nach Auskunft von Defense Express hätten die ukrainischen Vertreter „gemeinsam mit Ralf Ketzel, dem CEO (Geschäftsführer) von KNDS Deutschland, die Umsetzung gemeinsamer Vereinbarungen über Lieferungen, technische Unterstützung und gemeinsame Produktion des Gepard-Systems für die Streitkräfte der Ukraine besprochen“.
Denys Schmyhal spreche öffentlich von einer gemeinsamen Produktion des Gepard-Luftabwehrsystems, berichtet t-online unter Bezug auf einen Telegram-Post des ukrainischen Verteidigungsministers. Diese Aussage ist bemerkenswert, weil das Fahrzeug als von den Anforderungen der Zeit als längst überholt galt.
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Der Gepard ist ein Konstrukt der 1960er-Jahre und seit 2012 ausgemustert, weil ihm schlicht der Gegner gefehlt hat – als Bollwerk gegen russische Kampfhubschrauber gedacht, hatte er diesen Angreifern nie gegenübergestanden. Inzwischen ist die Bedrohung, für die er gebaut wurde, allerdings real: Angriffe aus der Luft durch Drohnen und Marschflugkörper in massenhafter Zahl, die über die damals schlimmsten Befürchtungen weit hinaus geht. Bemerkenswert ist das Ansinnen der Ukraine insofern, als das Prinzip, für das der Gepard steht, jetzt in einer zeitgemäßen Form von Rheinmetall mit dem Skyranger realisiert worden ist. Allerdings steht dem Gepard auf einer Website von KNDS die Tür in die Zukunft noch offen.
„Die aktuelle Version des Gepard ist allen Ansprüchen des 21. Jahrhunderts zur Abwehr moderner Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, ferngelenkter Flugkörper und Raketen gewachsen.“
„Die aktuelle Version des Gepard ist allen Ansprüchen des 21. Jahrhunderts zur Abwehr moderner Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, ferngelenkter Flugkörper und Raketen gewachsen. Auch Drohnen werden zuverlässig bekämpft“, ist auf der Unternehmens-Website der KNDS Group zu lesen; was unterstreicht, dass der Panzer in seiner jetzigen Form noch 75 Jahre up-to-date zu sein verspricht. Seine ballistischen Geschosse seien gefeit gegen elektronische Abwehrmaßnahmen; deren Geschoss-Splitter würden Ziele zuverlässig neutralisieren, schreibt KNDS – und findet sich im erfolgreichen ukrainischen Abwehrkampf bestätigt – der Griff in die Mottenkiste ist insofern folgerichtig. Der Ukraine-Krieg hat die Liebe zum Flakpanzer Gepard wieder entflammt. Dessen Erbe ist nicht nur moderner, sondern trägt als Skyranger jetzt einen scheinbar auch zeitgemäßen Namen.
Ein Rheinmetall-Produkt, dass beispielsweise für die Nahverteidigung in der Nato-nahen European Sky Shield Initiative (ESSI) gesetzt ist. Statt des Zwillingsgeschützes des in der Ukraine zu späten Ehren gekommenen Gepard trägt der Skyranger eine einzelne 30-Millimeter-Kanone. Laut Defense Express rechne Rheinmetall-Chef Armin Papperger noch in diesem Jahr mit einem Bundeswehr-Auftrag für das Skyranger-System über sechs bis acht Milliarden Euro. Tatsächlich soll der Skyranger seinem Ahnherr in Mobilität, Reaktionsschnelligkeit und Genauigkeit überlegen sein. Allerdings scheinen sie in der Feuerrate auf Augenhöhe zu liegen. Das Zwillingsgeschütz des Gepard kommt auf 550 Schuss pro Minute pro Seite, also auf insgesamt 1.100 Schuss.
Skyranger gegen Putins Drohnen alternativlos? Über den Stückpreis herrscht Stillschweigen
Der Skyranger verschießt 1.000 bis 1.200 Geschosse pro Minute aus einem einzelnen Rohr – abhängig von der 30- oder 35-Millimeter-Munition. Defense Express betont, dass der Gepard kaum einfach geklont werden könne: Statt nach alten Vorlagen zu bauen, müsste das System von Grund auf neu konzipiert und die gesamte Elektronik auf den heutigen Stand der Technik gehoben werden; was dann allerdings die Frage aufwirft, was einen wiederbelebten Gepard von einem neu konstruierten Skyranger unterscheide oder ob er einfach eine Light-Version der ukrainischen Streitkräfte darstellen würde. Defense Express legt diese Vermutung nahe. Beispielsweise dreht sich der Gepard-Turm auf dem Fahrgestellt eines Leopard 1 und wird mit dessen Motor bewegt, was beides kaum noch zur Verfügung stehen würde.
Der Skyranger rasselt auf einem Leopard 2-Fahrgestell, wird aber aber ebenfalls radbasiert gebaut werden, in Deutschland beispielsweise auf dem Chassis des GTK Boxer – wahrscheinlich sogar vorrangig; was Defense Express aufgrund der vermutlich geringeren Kosten auch für einen Gepard-Nachfolger in Erwägung zieht. Die ersten Bestellungen für den Skyranger sind bereits 2024 erfolgt. Über den Stückpreis herrscht Stillschweigen, allerdings rechnen verschiedene Medien mit unterschiedlichen Kosten. Defense Express hatte aufgrund der ersten bestellten Tranche der Bundeswehr mit mindestens zwölf Millionen Euro pro Einheit kalkuliert. Entwicklungskosten und Serviceleistungen seien da aber noch eingepreist.
Darauf ist Verlass: Ein Soldat nahe Odessa lehnt gedankenverloren auf einem der beiden Geschützen eines vom Westen gelieferten Flugabwehrkanonenpanzers Gepard. Der Erfolg der Waffe gegen die Drohnen von Wladimir Putin ist so durchschlagend, dass die Ukraine offensichtlich ihren Nachbau plant. © IMAGO/Kay Nietfeld/Avalon
60 Flakpanzer Gepard hatte die Bundesregierung in die Ukraine geliefert – mit Ersatzteilen. Die Flugabwehrkanonen-Panzer waren eines der ersten Waffensysteme, die die Ukraine aus Deutschland bekommen hatte. Damals noch unter der Prämisse, dass sich die Ukraine lediglich verteidigen können sollte. Laut der Open Source-Plattform Oryx hat die Ukraine auch keinen davon verloren, obwohl andere Quellen von mindestens einem beschädigten oder neutralisierten System sprechen. Insgesamt sollen der Ukraine aus den verschiedenen Geberländern mehr als 100 Gepard-Systeme zur Verfügung stehen – ohne dass Verluste publiziert wären. Mit der Fokussierung auf einen Gepard-Nachfolger unter zumindest teilweise eigener Regie setzt die Ukraine ihren Weg einer autonomen Rüstungsindustrie fort.
Selenskyjs neuer Panzer: Hat wahrscheinlich wenig mit dem ursprünglichen Gepard-System gemeinsam
Bereits mit selbstfahrenden Geschützen hat die Ukraine Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten bewiesen. Im Sommer 2022 kam der erste Prototyp der ukrainischen Haubitze Bohdana bei der Befreiung der Schlangeninsel zum ersten Mal zum Einsatz. Gemeinsam mit der französischen Haubitze Caesar gelang es, einen der ersten großen ukrainischen Siege am Schwarzen Meer zu erringen. Es war ein Einzelstück, das es eigentlich gar nicht mehr hätte geben dürfen. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtete, dass die Bohdana ursprünglich in einer Fabrik in Kramatorsk im Donbass entwickelt wurde, wo sich auch der Prototyp befand. Kurz vor Kriegsbeginn entschied die ukrainische Militärführung jedoch, den Prototyp zu vernichten, um zu verhindern, dass die Technologie in russische Hände fällt.
Doch anstatt zerstört zu werden, wurde die Bohdana in ihre Einzelteile zerlegt und ins ukrainische Hinterland gebracht. Trotz einiger technischer Unzulänglichkeiten bewährte sich die Haubitze an der Front. Dieser erfolgreiche Einsatz überzeugte schließlich das ukrainische Verteidigungsministerium, die Serienproduktion der Bohdana zu genehmigen. Eine Waffe, die ähnlich funktioniert wie die schwedische Archer oder die französische Caesar. Nur rustikaler – und günstiger beziehungsweise schneller und in höheren Stückzahlen verfügbar. Die Bohdana könnte also zur Blaupause für einen dem Skyranger ähnlichen Flugabwehr-Panzer nach ukrainischer Façon werden. Immer wieder war auch zu vernehmen gewesen, dass sich die Ukraine mit der Handhabung westlicher Rüstungstechnik schwer tat.
Anders vor allem als mit der Haubitze 2000 hat sich die Ukraine offenbar aber schnell mit dem Flugabwehrkanonenpanzer angefreundet und in ihren militärisch-taktischen Workflow besser integriert als die meisten anderen westlichen Systeme. Demzufolge macht ein Joint Venture für diese Waffe Sinn. Laut Defense Express würde KNDS die Unterlagen zur Revitalisierung dieses Systems bereitstellen, im Gegenzug bekäme die deutsche Rüstungsschmiede Einblick in die daraus folgenden Entwicklungen durch die Ukraine – was im besten Fall als Fundament für die Wiederaufnahme der Produktion diene. Allerdings werde am Ende weder ein Gepard noch ein Skyranger aus der Kooperation hervorgehen, vermutet Defense Express.
Laut dem Magazin „kann man zu dem Schluss kommen, dass im Falle einer Wiederaufnahme der Produktion praktisch ein neues System entstehen wird, das technisch und wahrscheinlich auch äußerlich wenig mit dem ursprünglichen Gepard-System gemeinsam haben wird“. (Quellen: Mitteldeutscher Rundfunk, Army Recognition, Defense Express, t-online, Oryx) (hz)