Bei Trainer Gerardo Seoane hatte ein 0:4 gegen Werder Bremen das Fass zum Überlaufen gebracht, Borussia Mönchengladbach trennte sich nach zwei Jahren und drei Monaten vom Schweizer. Seit Dienstagnachmittag ist auch der Mann seinen Posten los, der Seoane einst einstellte und vor zwei Wochen freistellte: Roland Virkus hat seinen Rücktritt eingereicht, Präsidium und Aufsichtsrat haben ihn von seinen Aufgaben als Geschäftsführer Sport entbunden.

Virkus gebührten in der Pressemitteilung, die Borussia herausgab um 14.30 Uhr, die ersten Worte: „Ich habe immer gesagt, dass der Verein über allem steht und mich deshalb zu diesem Schritt entschieden“, wird der 58-Jährige zitiert. Nach Informationen unserer Redaktion übernimmt Virkus zunächst einmal keinen anderen Job im Verein, für den er seit 35 Jahren arbeitet, und legt eine Pause ein.

„Wir sind in den Gremien der geeinten Meinung, dass wir uns für die zukünftige Ausrichtung im sportlichen Bereich anders aufstellen wollen“, sagt Borussias Präsident Rainer Bonhof – das erweckt den Eindruck, als habe der Verein Virkus den Vortritt gelassen bei seiner Entscheidung. Der Präsident galt bis zuletzt als einer der größten Virkus-Befürworter.

„Roland hat die Situation gemeistert und wirklich ein gutes Händchen gehabt, da muss man das Gesamtpaket sehen“, sagte der 73-Jährige noch Anfang August im Interview mit unserer Redaktion. Bonhof verwies auf die Situation, die Virkus 2022 als Nachfolger von Max Eberl vorgefunden habe.

Er habe gewusst, was auf ihn zukommt, betonte Virkus noch kurz vor der Seoane-Trennung gegenüber unserer Redaktion. „Mit vielen Topspielern auf dem Zenit und ohne internationales Geschäft wäre es unabhängig von den ausführenden Personen herausfordernd geworden“, sagte er. Nachdem viele Altlasten abgebaut waren, sollen die Zweifel an Virkus‘ gestalterischen Fähigkeiten auch intern immer größer worden sein.

Gladbach: Doppelte Vakanz nach Virkus-Rücktritt

„Unsere gemeinsame Entscheidung kam in einer wertschätzenden Atmosphäre zustande“, erklärt Michael Hollmann, der Vorsitzende des Aufsichtsrates. Im Bereich der sportlichen Leitung besteht nun eine doppelte Vakanz bei Borussia, denn noch vor Kurzem hatte es geheißen, Virkus sei als Geschäftsführer Sport mit der Suche nach einem Sportdirektor beauftragt.

Die Antwort, ob jemand unter ihm anfängt, sukzessive ein Übergang erfolgt oder ein Externer anstelle des früheren Nachwuchsdirektors und Jugendtrainers kommt, hat die Vereinsführung jetzt gegeben. Mit dem Seoane-Abschied verbindet Virkus die Tatsache, dass beide schon lange in der Kritik standen, beständig Rückendeckung erhielten, nun aber zwischen der Anbahnung und dem Vollzug nicht viel Zeit verging.

Was für Seoane das 0:4 gegen Bremen war, war für Virkus das 4:6 gegen Eintracht Frankfurt am vergangenen Samstag. Nach dem Gegentor zum 0:5 hallten laute „Virkus raus“-Rufe durch den Borussia-Park. Zeitnah einen Schnitt zu machen, erschien nicht nur aufgrund der jüngsten Ereignisse samt Absturz von Platz fünf Ende März auf Platz 18 nach fünf Spieltagen der neuen Saison unausweichlich. Zu sehr war Virkus‘ Wirken mit dem Versinken Borussias im Mittelmaß verbunden – mit absteigender Tendenz.

Gladbach-Kandidaten: Nils-Ole Book – und wer noch?

Auf Seoane folgte U23-Coach Eugen Polanski als „Bis auf Weiteres“-Trainer der Profis, die Entscheidung über seine Zukunft dürfte vertagt sein, bis ein Virkus-Nachfolger installiert ist. Auch wenn die Sommer-Transferperiode erst vor einem Monat zu Ende gegangen ist, bleibt nicht allzu viel Zeit – es gilt womöglich, einen Transfer-Winter vorzubereiten, der Borussia beim „Projekt Klassenerhalt“ helfen muss.

Der Name von Nils-Ole Book, der die SV Elversberg von der Regionalliga in die 2. Bundesliga und dort in die Relegation managte, ist nach wie vor der meistgenannte. Ihm müssten die Vereinsbosse wohl relativ große Kompetenzen einräumen. Die Spur war nach Informationen unserer Redaktion schon mal heißer.

Ein weiterer Kandidat könnte Marinko Jurendic sein, der Ende Mai überraschend den FC Augsburg verlassen musste. Zuvor leistete der Schweizer gute Arbeit beim FC Zürich. Alexander Rosen, der lange bei der TSG Hoffenheim das Sagen hatte, dürfte zu teuer sein für Gladbach. Immer wieder ist im Umfeld auch von Jonas Boldt, bis 2024 Sportvorstand beim Hamburger SV, die Rede. Max Huiberts, der als Stürmer bei Borussia keine Spuren hinterließ, tut das seit fast zehn Jahren als Technischer Direktor bei AZ Alkmaar – der „Alkmaar-Weg“ dürfte kompatibel sein mit dem viel (mitunter zu viel) zitierten „Borussia-Weg“.

In Eberl und Virkus beförderte Gladbach 2008 und 2022 jeweils den Nachwuchsdirektor, nicht nur deshalb, sondern vor allem aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit rückt auch Mirko Sandmöller in den Fokus – zumindest übergangsweise. Ex-Borussen ohne große Management-Erfahrung wie Martin Stranzl oder Christoph Kramer mögen Sehnsüchte bei den Fans wecken, dürften zunächst aber nur als Zuarbeiter eines neuen sportlichen Leiters infrage kommen.