Bücher prägen ihr Leben: Dietlind Pedarnig hat nicht nur unter anderem Germanistik studiert, sie hat daraus als Lektorin im Münchner Allitera Verlag auch einen Beruf gemacht. Insbesondere Bücher, die sich in vielerlei Hinsicht mit bayerischer Kultur beschäftigen, hat sie herausgegeben. Nun hat sie sich der bayerischen Mentalität über Humorpostkarten angenähert.
Montag: Bilder von BayernSieht so ein echter Bayer aus? Humorpostkarte aus dem Buch „Obacht, Bayern!“ (Foto: Allitera Verlag)
Der Herbst ist da – Bücherzeit. Diese Woche erscheint im Allitera Verlag mein Buch „Obacht, Bayern!“ – 480 Seiten sind es geworden mit 1700 Abbildungen. Weniger war schier nicht möglich, um dem Klischee „Bayern“ auf die Schliche zu kommen, wie es über Humorpostkarten seit dem 19. Jahrhundert in alle Welt nahezu unverändert bis heute verbreitet wird. Wo kommt es her, das selbstbewusste „Mia san Mia“-Gefühl, das Bild vom schuhplattelnden, jodelnden, Unmengen Bier konsumierenden Bayern in Lederhosen? Sehen uns die anderen so, oder haben wir das Stereotyp selbst auf den Weg gebracht, weil „Bavaria sells“? Wer in dieses Buch schauen will, gern ab Donnerstag in der kleinen, feinen Glockenbachbuchhandlung, unabhängig und mit einem Riesenengagement inhaberinnengeführt von Pamela Scholz. Zusammen mit Steffi Sack präsentiert sie außerdem den hörenswerten Podcast „GlockenbachWelle“, in dem sie über interessante Bücher, den Bücherkosmos an sich und über ihre Liebe zur Literatur plaudern.
Dienstag: Münchner Palais-Geschichte
Wer wie ich ein Faible für Palais-Architektur hat und nach den wenigen Spuren sucht, die in München nach den Kriegszerstörungen noch zu finden sind, der wird im Bayerischen Nationalmuseum fündig. Weltweit einmalig und bezaubernd schön: ein kostbares Kabinett aus dem einstigen Palais des Grafen Tattenbach in der Theatinerstraße. Mit feinstem Seidentaft bespannt flattern hier Schmetterlinge und Vögel über Wände und Decken, Fuchs und Eule blinzeln dem Betrachter zu. Das Rokoko-Spalierzimmer konnte vor dem Abbruch des Palais gerettet werden, wurde vom Museum gekauft und hier wiederaufgebaut. Aber es gibt noch mehr Schmuckstücke aus der Münchner Palais-Geschichte Münchens zu entdecken: Ganze Treppen oder Portaltüren lassen ahnen, wie prunkvoll und kunstsinnig Münchens Adel in der Zeit des Barock und Rokoko zu leben verstand.
Mittwoch: Ausstellung „Heimatlos“Karl Valentin und Liesl Karlstadt, zu sehen in der Ausstellung „Heimatlos“ am Karlstadt-Valentin-Musäum. (Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum)
Das Karlstadt-Valentin-Musäum gehört zu meinen Lieblingsmuseen in München. Der Humor der beiden Volksschauspieler: unvergessen. Außerdem hat der Valentin Postkarten gesammelt und das ist ja auch meine Leidenschaft. Das verbindet. Wegen Umbaumaßnahmen ist das Museum im Isartor samt Café leider geschlossen, aber die aktuelle Ausstellung „Heimatlos“ davor kann man bei Tag und Nacht und jeder Witterung anschauen. Und dann muss ich mich entscheiden: in die „Schmalznudel“ (vulgo „Café Frischhut“) am Viktualienmarkt für einen Kaffee und ein Wunderwerk bayerischer Süßspeisenküche, die Auszogne, oder ins „Gasthaus Isarthor“, wo mein Freund, der Journalist und Allitera-Autor Karl Stankiewitz einen Stammplatz hatte.
Donnerstag: Ins Weltall eintauchenDie Universitäts-Sternwarte München (USM) in Bogenhausen wurde 1816 als Königliche Sternwarte gegründet. (Foto: Corinna Guthknecht)
Heute steht ein Ausflug der ganz anderen Art an. Das Engagement für den Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V. lässt mich immer aufmerksam dessen Veranstaltungsangebote studieren. Heute gibt’s eine Führung durch die Universitäts-Sternwarte in Bogenhausen und Arno Riffeser, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erläutert den 1835 aufgestellten großen Refraktor von Joseph von Fraunhofer, sowie andere historische Instrumente. Großformatige, beleuchtete Aufnahmen lassen ins Weltall eintauchen.
Freitag: Weißwürste am GroßmarktHervorragende Weißwürste kann man zum Beispiel am Münchner Großmarkt bekommen. (Foto: Stephan Rumpf)
Es gibt sie noch in München, die Wirtschaften ohne Schnickschnack und Bayernkitsch an der Wand. Ein Tisch (ohne Tischdecke!), ein Holzstuhl. Fertig. Nichts lenkt ab von der herausragenden Qualität, die auf dem Teller serviert wird. In der „Gaststätte Großmarkthalle“ – schon der schlichte Name ist Programm – gibt’s alles, was der Wurstliebhaber begehrt: Wollwurst, Briesmilzwurst, Kalbsbratwürstl und natürlich die legendären Weißwürste aus der Fabrikation vom Wallner, die man übrigens auch im Straßenverkauf mit nach Hause nehmen kann. Und wenn man dann noch zu „Un po‘ di tutto“ auf einen Espresso geht, dann ist man auf den Spuren dessen, was seit dem 16. Jahrhundert mit dem Zustrom von Künstlern jenseits des Brenners in München gute Tradition hat: bayerisches und italienisches „Savoir vivre“ in Personalunion.
Samstag: Ausflug zum Kloster SeeonDas Kloster Seeon ist als Kultur- und Bildungszentrum eine der zentralen Einrichtungen des Bezirks Oberbayern. (Foto: Sven Hoppe)
Ein Teil meines Buches geht auf die Reise: Im Mesnerhaus von Kloster Seeon, dem Kultur- und Bildungszentrum des Bezirks Oberbayern, eröffnet heute die Ausstellung „Obacht, Bayern! Ein Land und sein Klischee in historischen Humorpostkarten“. Wer anschließend genug über die trügerische Idylle des bayerischen Wirtshauses, den derben Dachauer Bauern oder die immer fröhlich Maßkrüge schleppende Kellnerin erfahren hat, kann noch bei einer Tasse Kaffee die Aussicht auf den Seeoner See samt Kloster von der Terrasse des Mesnerhauses aus genießen. Traumhaft schön und nur fast ein Klischee … (bis 15. März 2026, Öffnungszeiten: www.kloster-seeon.de). Wer es dorthin nicht schafft: Die Ausstellung wandert dann weiter nach Schloss Ismaning (Oktober 2026 bis Februar 2027).
Sonntag: Raus zum Tegernsee
Heute geht’s naus aus der Stadt nach Tegernsee. Zuerst ins Olaf-Gulbransson-Museum, um einmal mehr die wunderbaren lichten Aquarelle des Norwegers mit der Liebe zu Bayern zu betrachten oder den beißenden Humor der Simplicissimus- Karikaturisten. Anschließend führt der Weg ins „Herzogliche Bräustüberl“ hinüber, wo sich unter dem Gewölbe Dackel Buzi unter dem dicken Bauch seines Herrchens versteckt oder die Engerl von Toni Aron gar so nett von den Wänden runterschauen auf meinen traditionsgemäß georderten Obatztn in Begleitung einer reschen Brezn. Das hab ich schon in Schülerzeiten beim Schwanzen so gemacht. Verzeihung, lieber Dr. Brandhofer!
Die Autorin und Lektorin Dietlind Pedarnig. (Foto: Allitera Verlag)
Dietlind Pedarnig, geboren 1960 in München, studierte Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Musikwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und arbeitet heute als Lektorin im Allitera Verlag. Hier hat sie den Fotobildband „Momentaufnahmen“ (2012), die Anthologie „Bayerische Schriftstellerinnen“ (2013) und die Adventskalender „Die Krippen des Bayerischen Nationalmuseums“ (2013) und „Bayerisches Brauchtum im Advent“ (2015) herausgegeben. 2016 erschien von ihr in Zusammenarbeit mit Konstantin Köppelmann der Prachtbildband „Münchner Palais“. 2017 folgte dann zusammen mit Gerd Holzheimer die Anthologie „Kulinarisches Bayern“.