Kampfdrohnen in Polen, Drohnen über dem Flughafen von Kopenhagen, Drohnenschwärme in Schleswig-Holstein – die Liste ließe sich fortsetzen. Auch wenn nicht immer klar bewiesen werden kann, wer die Drohnenflüge veranlasst hat, sind sich die meisten westlichen Politiker und Sicherheitsexperten einig, dass Russland seine Finger im Spiel hat. „In diesem Jahr haben die Angriffe Russlands noch an Intensität zugenommen“, sagt der CDU-Außenpolitiker Roderich Kieswetter. Deshalb werde jetzt mehr darüber gesprochen. Der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim fordert als Reaktion auf darauf, den sogenannten Spannungsfall auszurufen.

Vorstufe zum Verteidigungsfall

Was damit gemeint ist? Der „Spannungsfall“ ist sozusagen die Vorstufe zum Verteidigungsfall und ist im Grundgesetz über Artikel 80a geregelt. Er muss von Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit festgestellt werden. Den sicherheitspolitischen Vorteil, den Kiesewetter darin sieht: Damit könnte „die Zuständigkeit zur Sicherung kritischer Infrastruktur und des zivilen Lauftraums auf die Bundeswehr übertragen werden“, teilt er auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ mit. Konkret bedeutet das: Die Bundeswehr könnte Drohnen nicht nur über ihren eigenen Liegenschaften abschießen beziehungsweise abfangen, sondern überall. Zudem wird mit dem Spannungsfall automatisch die Wehrpflicht ausgelöst – eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes bedarf es laut einer Kurzmitteilung des Bundestags von 2024 dafür nicht.

536 Russland zugeordnete Spionage-Drohnen

Was ihm derzeit fehle, sei „eine Verknüpfung hybrider Angriffe in allen Dimensionen“- ob Unterwasser, zur See, an Land oder im Luft- und Weltraum – zu einem Gesamtbild russischer hybrider Angriffe, sagt Kiesewetter. Wenn es dieses gäbe, würde man erkennen, dass „die Angriffe Russlands intensiver und häufiger sowie bedrohlicher werden“. Allein zwischen Januar und März 2025 seien mehr als 536 Russland zugeordnete Spionage-Drohnen über sensiblen Einrichtungen in Deutschland registriert worden. Auch die Deutsche Flugsicherung hat in diesem Jahr mehr Störungen durch Drohnen registriert als im Vorjahr. Bis Ende August waren es 144 Vorkommnisse – im Vergleich zu 113 im selben Vorjahreszeitraum und 99 im Jahr 2023.

Knackpunkt Zweidrittelmehrheit

Wegen der russischen Angriffe auf die Europäische Union und die Nato fordere er bereits seit einem Jahr, die Auslösung des Spannungsfalls zu erwägen, so Kiesewetter. Dass dafür eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag zustande kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich – auch nach dem Regierungswechsel. Denn selbst die Unterstützung der Grünen-Fraktion würde nicht reichen, es bräuchte weitere Stimmen der Linkspartei oder aus der AfD. Doch der CDU-Politiker ist überzeugt, dass eine härtere Gangart im Umgang mit Russland vonnöten ist. „Wenn wir nur mit Beschwichtigung agieren und nicht mit Stärke und Konsequenz, wird Russland die Angriffe weiter intensivieren und eskalieren“, sagt er.

Dobrindt will Luftsicherheitsgesetz ändern

Dass Deutschland nicht optimal auf hybride Bedrohungen vorbereitet ist, haben auch andere Unionspolitiker erkannt – und entsprechende Gesetzesänderungen in Aussicht gestellt. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte für den Herbst eine Reform des Luftsicherheitsgesetzes an. „Ich will im Luftsicherheitsgesetz festschreiben, dass die Bundeswehr der Polizei im Inneren Amtshilfe leisten darf – gerade bei Drohnenabwehr-Einsätzen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Nach „Bild“-Informationen soll auch der Abschuss von Drohnen durch die Bundeswehr möglich werden. Die Bedrohungslage durch die Drohnenüberflüge sei hoch. Die Gefahrenabschätzung müsse aber in jedem Einzelfall getätigt werden, so eine Sprecherin des Ministeriums.

Russland wolle sich ein Bild der Lage machen

In den vergangenen Wochen hatte mehrere Nato-Länder Luftraumverletzungen gemeldet. In Dänemark, wo am Mittwoch die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Treffen zusammenkommen, wurde wegen Drohnenvorfällen vorübergehend der Flughafen in Kopenhagen geschlossen.

Welchen Zweck hybride Angriffe auf Nato-Staaten haben? Kiesewetter beantwortet diese Frage so: Es gehe Russland darum festzustellen, „wo unsere Flugabwehr Lücken und Schwächen hat und welche Fähigkeiten wir haben beziehungsweise nicht haben“. Moskau wolle, kurz gesagt, „das Schlachtfeld vorbereiten“.