In den Bierzelten auf dem Cannstatter Wasen kann es schon mal heiß hergehen. Viel Bier und ausgelassene Stimmung auf den Bänken hinterlassen nicht nur bei den Besuchern ab und zu Spuren. Auch das Equipment der Servicekräfte wird regelmäßig auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch was tun, wenn der massive Kellnergürtel, auf dem das Gewicht von bis zu 18 Maßkrügen – immerhin rund 40 Kilo – lastet, seinen Dienst versagt? Oder die Naht am gutgefüllten Geldbeutel platzt? Dann machen sich die Angestellten in Richtung des Wohnwagenparks der Schausteller auf. Denn etwas abseits vom Wasen-Trubel steht der „Gastrokönig“: eine mobile Reparaturwerkstatt samt Verkaufsstand.
Service-Truck auch auf der Wiesn
„Ich schätze, dass insgesamt rund 2000 Bedienungen auf den Volksfest im Einsatz sind. Da geht halt immer mal etwas kaputt“, sagt Sebastian Erhart, der seit rund zehn Jahren auf dem Cannstatter Wasen zu Gast ist. Seine Ehefrau Sandra arbeitet normalerweise im Innendienst, ist aber sowohl auf dem Volks- als auch auf dem Oktoberfest einige Tage vertreten. „Ich genieße es, in direktem Kundenkontakt zu stehen“, sagt die 36-Jährige. Auch auf der Wiesn hat der „Gastrokönig“ einen Service-Truck, er wird von ihrer Schwester betrieben. „Egal ob München oder Stuttgart –meist sind es nur Kleinigkeiten, die für uns nicht viel Arbeit bedeuten, aber für das Personal viel ausmachen“, fügt der gleichaltrige Gatte hinzu.
Eine Geldbeutel-Tasche mit viel Patina Foto: Sebastian Steegmüller
„Einen Druckknopf können wir an einer Tasche in fünf Minuten richten. Er ist hinterher wie neu. Wenn dadurch jedoch der Geldbeutel, Zigaretten oder Wertsachen wie das Handy vor einer Bierdusche geschützt sind, kann die Reparatur goldwert sein“, sagt Sandra Erhart. Sind die Arbeiten etwas aufwendiger, werden Leih-Geldbeutel, -Taschen und -Gürtel zur Verfügung gestellt. Denn Zeit ist bekanntlich nicht nur im Bierzelt Geld.
Musiker reißt die Hose
Nicht nur Kellnerinnen und Keller zählen zur Kundschaft, sondern quasi jeder, der auf dem Wasen etwas zu schaffen hat. „Beispielsweise das Band-Mitglied, dessen Hose kurz vor einem Auftritt gerissen ist.“ Dann müsse es natürlich schnell gehen. „Ein Schmunzeln kann man sich da nicht verkneifen.“ Aber auch Festwirten habe man schon mit Rat und Tat zur Seite gestanden. „Mal einen Knopf angenäht oder etwas an der Tracht ausgebessert“, sagt der gelernte Koch, der über seine Frau zur Taschnerei gekommen ist und den Herd seither nicht vermisst. „Es ist ein spannendes Handwerk. Ich liebe es mit Leder zu arbeiten, es ist ein so schönes Produkt.“ Zugleich bedauert er, dass kaum noch Lehrlinge nachkommen und hofft auf ein Umdenken in der Gesellschaft. „Früher hat man auch Schuhe repariert, heute schmeißt man alles weg.“
Für die Produkte, die das österreichische Familienunternehmen mit Sitz in Salzburg seit 1995 herstellt und seit 20 Jahren auch beim Volksfest anbietet, sei das Wegwerfen keine Option. „Egal, was passiert, wenn noch irgendwas möglich ist, wird es repariert“, laute die Devise. Die Arbeit wird ihnen dabei wohl nicht ausgehen. Denn nach dem Volks- beziehungsweise Oktoberfest geht es nicht in den Urlaub, sondern zunächst auf eine große Gastronomiemesse in Salzburg. „Dann geht auch schon die Wintersaison für uns los.“ Auch bei den Partys in Ischgl und natürlich in Tirol werden Geldbeutel, Taschen und Co. gebraucht. „Und auch auf der bayerischen Seite“, sagt Sebastian Erhart, der betont, dass sie in Deutschland nicht nur im Süden unterwegs sind. „Unser nördlichster Kunde ist die Sansibar in Sylt.“