Presse und Experten feuern 

Florian Wirtz bei Liverpool: Kritik wächst – Überhaupt nicht auf Höhe

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Die Pleite des FC Liverpool in der Champions League bei Galatasaray hat auch mit Blick auf die Personalie Florian Wirtz neues Öl ins Feuer gegossen. In England schießen sich Presse und Experten in diesen Tagen auf den deutschen Top-Transfer der Reds ein, welcher in Liga und Königsklasse nach wie vor auf seinen ersten Scorerpunkt wartet. Ben Littlemore, Content Manager bei Transfermarkt.co.uk, ordnet die Situation des 22-Jährigen ein.

So absehbar wie die Wirtz-Euphorie unmittelbar nach seinem 125-Millionen-Transfer an die Anfield Road war, so absehbar war auch das aktuelle Medienecho rund um den deutschen Nationalspieler. Wenngleich der Profi unlängst attestierte, sich von vereinzelten Kritikern nicht unter Druck setzen lassen zu wollen, wird er in diesen Tagen dankbarer Spielball für die Medien und Teil der Automatismen des Geschäfts. Läuft es nicht, muss idealerweise schnell ein Schuldiger her – und für nicht wenige ist dieser leicht an einem sehr teuren Neuzugang festgemacht, der bislang hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Zu Wochenbeginn hatte zunächst die als Trainer derzeit vereinslose englische Stürmer-Ikone Wayne Rooney öffentlich große Zweifel an Liverpools Verpflichtung geäußert. „Ich sehe nicht, wo er ins Team passt“, ließ der 39-Jährige wissen und fuhr im Rahmen seiner knallharten Analyse fort: „Das war sehr viel Geld. Ich glaube, Wirtz schadet tatsächlich dem Gleichgewicht von Liverpool und der Art, wie sie spielen. Wirtz ist wahrscheinlich derjenige, der bislang am wenigsten überzeugt hat, obwohl er so viel Talent hat. Ich habe schon viele Spieler gesehen, die in diese Liga gekommen sind und ihre Zeit gebraucht haben. Es liegt nicht am Preisschild. Es liegt nicht am Spieler oder an seinen Fähigkeiten. Ich sehe einfach nicht, wie er in das System von Liverpool passt.“

Liverpool-Legende Carragher fordert: Wirtz draußen lassen

Rooneys ehemaliger Nationalelf-Kollege und Reds-Legende Jamie Carragher legte nach und forderte von LFC-Coach Arne Slot ein, Wirtz erstmal draußen zu lassen: „Er ist einfach überhaupt nicht auf der Höhe“, wurde Carragher in der „Daily Mail“ nach dem 0:1 der Reds in Istanbul zitiert. Im Moment stimme die Balance in der Mannschaft nicht und der deutsche Nationalspieler sei der offensichtlichste Fall.

Wirtz sei ein junger Spieler, der in eine neue Liga gekommen sei und noch viel Zeit vor sich als Profi von Liverpool habe. „Aber im Moment denke ich, dass er aus der Mannschaft herausgenommen werden muss, damit Liverpool zu dem zurückkehren kann, was es in der letzten Saison war, und dann von dort aus Selbstvertrauen aufbauen und defensive Stabilität entwickeln kann“, befand der 47-Jährige und ergänzte: „Denn im Moment ist es ein Chaos.“

„Die Eingewöhnungsphase dauert frustrierender Weise noch an“, schrieb das „Liverpool Echo“ mit Blick auf den Deutschen. Wirtz warte noch immer auf den großen Durchbruch und Slot müsse schnell herausfinden, wie er den offensiven Mittelfeldspieler am besten einsetzen könne. Der „Express“ hob zwar auch ein paar gute Aktionen von Wirtz gegen Istanbul hervor, betonte aber: „Liverpool braucht noch viel mehr von einem Spieler, auf den sie so viel gesetzt haben. Wirkt nicht selbstbewusst.“

FC Liverpool: Viel Gegenwind für Neuzugang Wirtz

Der Gegenwind für Wirtz wird in diesen Tagen stärker. TM-Experte Littlemore attestiert ebenfalls, dass die Offensivkraft sportlich betrachtet „alles andere als einen Traumstart“ an der Anfield Road hingelegt hat. „Aufgrund der hohen Ablösesumme waren auch die Erwartungen groß und obwohl er seine offensichtliche Qualität aufblitzen ließ, tat sich der Deutsche schwer, in den Spielen Einfluss zu nehmen.“ Ein Fehler des Deutschen hatte auch die Entstehung des Istanbuler Siegtreffers am Dienstag eingeleitet. „Während Liverpool Spiele gewann – was zuletzt auch oft eher zufällig geschah –, entging Wirtz der massiven Kritik. Wenn sie nun jedoch weiterhin Punkte liegen lassen, wie in den letzten beiden Spielen, wird der Druck auf den Spielmacher weiter steigen“, prognostiziert Littlemore.

Angesichts der geschilderten Faktoren gilt es mittlerweile eher als unwahrscheinlich, dass Wirtz am Samstagabend beim Top-Duell mit Chelsea erneut in der Startelf stehen wird. Für Liverpool war es die zweite Niederlage binnen weniger Tage, zuvor hatte das Slot-Team in der Premier League 1:2 gegen Crystal Palace verloren.

Symbolisch für die aktuelle Situation: Liverpools Top-Transfer Florian Wirtz kommt zuletzt nicht auf die Beine.

Symbolisch für die aktuelle Situation: Liverpools Top-Transfer Florian Wirtz kommt bei den Reds zuletzt nicht richtig auf die Beine.

Aber warum kommt Wirtz beim LFC noch nicht richtig auf die Beine? TM-User „Liverpool_38“ schrieb unlängst im LFC-Forum bei Transfermarkt, sowohl der Deutsche als auch 145-Millionen-Transfer Alexander Isak seien im Liverpooler Spiel „bisher Fremdkörper. (…) Auch wenn die Neuzugänge ‚Welpenschutz‘ haben, muss das bis Mitte/Ende November sitzen. Akklimatisieren gehört dazu, aber bei den Summen, die gezahlt wurden, muss zumindest der Spielfluss ab einem gewissen Zeitpunkt sitzen“. Eine Herausforderung, die Trainer Slot meistern und den wertvollsten Spieler seines Kaders erfolgreich integrieren muss. „Mal schauen, wie er diese Luxus-Probleme managen wird“, schreibt „Liverpool_38“ im Forum.

„Wir sind nicht weit weg vom Level der Vorsaison“, ließ der Niederländer nach der Niederlage am Bosporus wissen und wollte sich in seiner Analyse auch auf die positiven Ansätze im Spiel seiner Mannschaft stützen. Experte Littlemore urteilt derweil mit Blick auf den Ex-Leverkusener Wirtz: „Er tut sich schwer, sich an die Körperlichkeit der Premier League zu gewöhnen.“ Nicht alle Stimmen sind mit Blick auf Wirtz allerdings negativ behaftet. Slot, der seinem Schützling bereits vor rund eineinhalb Wochen den Rücken gestärkt hatte, liege grundsätzlich richtig, wenn er Wirtz Zeit gebe, schrieb das „Liverpool Echo“, schließlich hätten die Reds ihn „für fünf Jahre, nicht für fünf Wochen“ verpflichtet.

Der ehemalige Chefreporter der „Times“ und des „Daily Telegraph“, Henry Winter, verwies in einem Beitrag auf die Parallelen zur englischen Legende Peter Beardsley, der in den 80er-Jahren ebenfalls mit einer Millionen-Ablöse hochdekoriert an die Anfield Road kam und im ersten Halbjahr mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Auch Littlemore hat Wirtz längst nicht abgeschrieben: „Null Tore und null Vorlagen in seinen ersten acht Spielen in der Premier League und der Champions League sind alles andere als ideal, aber es war immer klar, dass er eine Weile brauchen würde, um sich an die neue Liga und das neue Team zu gewöhnen.“ Der TM-Experte warnt jedoch zugleich: „Aufgrund der Ablösesumme und der Erwartungen werden ihm Fans und Medien nicht allzu viel Zeit lassen.“