Benno Pludra hält ein dickes Buch in die Kamera. Hinter ihm stehen Kinder.

AUDIO: DDR-Autor Benno Pludra bringt Kinder bis heute zum träumen (4 Min)

Stand: 01.10.2025 15:15 Uhr

Mit einer Auflage von mehr als fünf Millionen Büchern war Benno Pludra der erfolgreichste Kinderbuchautor der DDR. Bücher wie „Lütt Matten auf der weißen Muschel“ und „Bootsmann auf der Scholle“ kommen bis heute gut an. Vor 100 Jahren wurde Pludra geboren. 

von Anke Jahns

„Die See, das Meer – da musste ich nur die Augen zumachen, da wusste ich schon alle Geschichten, die da kommen könnten.“ So hat Benno Pludra einmal über seine Inspiration gesprochen. Das Meer zieht sich wie ein roter Faden durch seine Bücher. Es verleiht seinen Geschichten eine eigene Magie – wie in der Geschichte vom alten Fischkutter Tambari, den Kinder wieder seetüchtig machen. Oder im Buch „Lütt Matten und die weiße Muschel“, in dem ein Junge auf das Glück beim Fischen hofft. Oder in „Bootsmann auf der Scholle“, wo ein kleiner Hund auf Eisschollen in die offene See treibt.

Träume vom Meer, Katastrophe auf See

Pludras Liebe zum Meer prägt nicht nur seine Bücher, sondern auch sein Leben. Geboren am 1. Oktober 1925 und aufgewachsen fernab der Küste in der Niederlausitz, träumt er schon als Kind davon, Seefahrer zu werden. Mitten im Zweiten Weltkrieg heuert er schließlich bei der Handelsmarine an – als junger Matrose.

„1944, im Dezember sind wir dann torpediert worden und abgesoffen“, erinnert sich Pludra einmal im Interview mit dem MDR. „Dann ist es untergegangen, ein großes Schiff mit 10.000 Tonnen. Aber ich bin aus dem Wasser wieder rausgekommen.“ Pludra ist einer der wenigen Überlebenden des Angriffs. Er ist erst 19 Jahre alt, als sein Schiff versenkt wird – und sein Haar wird daraufhin schneeweiß.

Gezeichnet von diesem Erlebnis kehrt er nach dem Krieg zurück. Er will helfen, ein neues, antifaschistisches Deutschland aufzubauen, und wird über das sogenannte „Neulehrerprogramm“ der Alliierten nach dem Krieg Lehrer.

Durch Preisausschreiben zum Kinderbuchautor geworden

Cover: Benno Pludra: "Lütt Matten und die weiße Muschel"

Cover der Beltz-Ausgabe von „Lütt Matten und die weiße Muschel“: Das Buch handelt von Lütt Matten, der in einem Fischerdorf an der Ostsee lebt und hofft, dass er die geheimnisvolle weiße Muschel findet, die ihm beim Fischfangen Glück bringt.

Die DDR sucht einige Jahre später über Preisausschreiben nach Kinderbuchautoren. Pludra gewinnt und wird mit 27 Jahren Schriftsteller in dem kleinen, engen Land. Das Meer bleibt nicht nur die kalte, unberechenbare, gefährliche Welt für ihn, sondern wird auch Sehnsuchtsort, eine Heimat, die sich ins Weite öffnet. Er verbringt viel Zeit auf der Insel Hiddensee, erkundend und schreibend.

„Wichtig ist das Wahrhaftige. Dass man nicht versucht, dem Leser etwas einzubläuen“, erzählt der Pludra einmal. Dass der Kinderbuchautor seine Leser ernst nimmt, spüren auch die Kinder von heute. So wie die elfjährige Maja Kerber. Sie liebt die Phantasie der Figuren, zum Beispiel Lütt Matten: „Ich finde diese Stelle besonders schön: ‚Die Bettdecke bläht sich auf, schwillt an, schwillt ab und flattert. Lütt Matten hält ihre Zipfel fest, und da, o Wunder, segelt das Bett.'“ 

Durch Lizenzausgaben auch im Westen bekannt

„Lütt Matten und die weiße Muschel“ wird 1964 verfilmt, wie auch „Die Reise nach Sundevit“ (1966) und andere Pludra-Titel. Die meisten seiner Bücher erscheinen nicht nur in der DDR , sondern auch als Lizenzausgaben im Westen. Für den Literaturwissenschaftler Carsten Gansel bleibt Pludras Werk zeitlos schön. „Das Tolle an ihm ist seine hohe Poetizität, also die Bildhaftigkeit seiner Sprache“, erklärt Gansel. „Und, wie Marcel Reich-Ranicki es früher gesagt hätte: Eine Geschichte darf nicht langweilen. Genau das ist bei Pludra so. Sie sind einfach unterhaltsam.“

Nur einmal bekommt Benno Pludra große Schwierigkeiten mit der DDR-Zensur. Er weigert sich, nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns die „Insel der Schwäne“ umzuschreiben. In der Erzählung weitet sich ein Konflikt um einen Spielplatz zum Konflikt zwischen den Erbauern der DDR und den Nachgeborenen aus. Pludra streikt – schreibt ein Jahr lang nichts. 1980 darf „Insel der Schwäne“ erscheinen.      

„Fernab von jeder Ideologie – und deswegen sehr verkäuflich“

Nach der Wende erhält er zweimal den Deutschen Jugendliteraturpreis, einmal für sein Gesamtwerk. Für die Beltz Verlagsgruppe, die 2002 das Erbe des Kinderbuchverlags der DDR übernommen hat, sind Benno Pludras Bücher ein großer Schatz. „Sie sind auch fernab von jeder Ideologie und deswegen sehr verkäuflich“, erklärt Andrea Baron, Verantwortliche Lektorin bei Beltz – Der Kinderbuchverlag. Sowohl im Westen als auch im Osten spreche der Autor die Kinder von heute noch an. „Es geht um Fantasie, Trost  und Verantwortung – und das ist eben bis heute sehr ansprechend. Weswegen wir seine Werke alle noch einmal neu auflegen.“

In Potsdam, wo Pludra jahrzehntelang mit seiner Familie lebt, stirbt der große Schriftsteller 2014 im Alter von 88 Jahren. Er hinterlässt neben mehr als 40 Werken einen großen Wunsch an die Kinder von morgen, den er im Interview einmal so ausgedrückt hat: „Dass die Kinder die Bücher lesen und berührt werden.“

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