Gruppenbild mit Damen: Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (rot), und Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen (blau) im Kreise europäischer Staats- und Regierungschefs. Foto: dpa/AP/Sebastian Elias Uth/Ritzau Scanp
Ein Drohnenwall und die finanzielle Unterstützung der Ukraine. Die Staats- und Regierungschefs stellen beim Gipfel in Kopenhagen Weichen für ein robusteres Auftreten gegenüber Moskau.
Der Himmel über Kopenhagen ist Sperrzone. Die Sicherheitsvorkehrungen für das informelle Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in der dänischen Hauptstadt sind auf ein bisher nicht gekanntes Niveau gehoben worden. Im Vorfeld des Gipfels hatten zahlreichen Drohnenüberflüge über dänischen Flughäfen und Militäreinrichtungen für Aufsehen gesorgt.
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat keine Zweifel, wo die Urheber dieser Attacken zu suchen sind: in Russland. Die Premierministerin sieht die Luftraumverletzungen allerdings in einem größeren Zusammenhang. „Ich denke, wir müssen unsere nationale Perspektive in Bezug auf die Sicherheit in Europa hinter uns lassen und das Muster des hybriden Krieges betrachten“, sagte Frederiksen am Rande des Gipfels. Der Krieg in der Ukraine sei kein Krieg in einem einzelnen Land, sondern ein „Versuch Russlands, uns alle zu bedrohen“. Und sie schiebt eine deutliche Warnung hinterher: „Wenn ich mir Europa heute ansehe, denke ich, dass wir uns in der schwierigsten und gefährlichsten Situation seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs befinden.“
Damit hatte Frederiksen den Ton für das Treffen gesetzt, bei dem es auch um gemeinsame EU-Anstrengungen für eine bessere Abschreckung und Verteidigung ging. Eine zentrale Rolle spielt dabei der sogenannte „Drohnenwall“. Dabei handelt es sich um ein System zum Abfangen von Drohnen an der Ostflanke der Union. Die Dinglichkeit dieses Themas wurde angesichts der russischen Provokationen durch Drohnenattacken in Polen den Europäern vor einigen Wochen deutlich vor Augen geführt.
Da es sich bei der Zusammenkunft am Mittwoch um ein informelles Treffen handelte, wurden keine Beschlüsse gefasst. Ziel war es, den regulären Gipfel Ende Oktober in Brüssel vorzubereiten. Dennoch wurden die Gespräche in Kopenhagen wohl auch in Moskau mit großem Interesse verfolgt. Denn es wurden die Weichen für die finanzielle Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland gestellt – und die Europäische Union steht dabei vor einer Entscheidung von historischer Tragweite.
Scharfschützen stehen auf dem Dach, als die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Gipfeltreffen im dänischen Parlament im Schloss Christiansborg in Kopenhagen eintreffen. Foto: dpa/AP/Emil Helms/Ritzau Scanpix
Vieles deutet darauf hin, dass in Zukunft die in Europa eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine-Hilfe herangezogen werden. Möglichgemacht hat das ein Sinneswandel in Berlin. In einem Gastbeitrag für die „Financial Times“ schrieb Bundeskanzler Friedrich Merz in diesen Tagen, dass eine „tragfähige Lösung“ erarbeitet werden müsse, „mit der wir der Ukraine – ohne in Eigentumsrechte einzugreifen – ein zinsloses Darlehen in Höhe von insgesamt fast 140 Milliarden Euro zur Verfügung stellen können“. Bisher war Deutschland dagegen, auf das beschlagnahmte Geld zurückzugreifen. Bedenken gab es etwa, dass die EU als Finanzstandort beschädigt werden könnte, da ausländische Investoren um die Sicherheit ihrer Einlagen bangen könnten. Aus diesem Grund wird aus Berliner Regierungskreisen betont, dass es sich nicht um eine Enteignung handle – wie sie von Kiew immer wieder gefordert wird.
Bedenken hat auch Belgien. Denn die eingefrorenen russischen Zentralbankreserven von fast 200 Milliarden Euro liegen größtenteils als Barreserven beim belgischen Zentralverwahrer Euroclear und das Land befürchtet, bei möglichen Klagen haftbar gemacht zu werden. Eine Art Buchungstrick soll verhindern, dass dies geschieht. Dazu soll Euroclear das Geld in zinslose EU-Anleihen investieren. Die EU-Kommission will auf diesem Weg dann insgesamt 140 Milliarden Euro in Form von gestaffelten Krediten an die Ukraine weitergeben.
Kritisch äußerte sich am Rande des Gipfels in Kopenhagen auch der luxemburgische Regierungschef Luc Frieden. Er betonte, der Vorschlag werfe „eine ganze Reihe von Fragen auf“. So müsse unter anderem geklärt werden, „wer am Ende des Tages die Verantwortung“ für die Rückzahlung der Darlehen trage. Berlin drängt aber darauf, diesen Weg weiter zu verfolgen. „Wenn es gelingt, diesen Hebel anzusetzen, dann hat es das Potenzial, ein Gamechanger zu sein“, betont ein ranghoher Vertreter der Bundesregierung. Denn damit sei die Finanzierung des ukrainischen Abwehrkampfes für mindestens zwei Jahre gesichert. Das würde den Preis eines Sieges in diesem Abnutzungskrieg für das wirtschaftlich bereits schwer angeschlagene Russland weit nach oben treiben. Diese neue Ausgangslage werde auch im Kreml „einige Denkprozesse in Richtung Verhandlungslösung“ in Gang setzen, so die Hoffnung im Westen.