Berlin – In Tegel am Borsigturm in der alten „Kanonenhalle“ produziert die Berliner Firma Nostalgic-Art seit 35 Jahren. Hier werden nostalgische Blechschilder, Dosen, Kaffeebecher, Wanduhren und Magnete produziert, bedruckt und vertrieben. Auf allen Produkten prangen Motive aus den 1950er Jahren, von Coca-Cola und BMW, von Persil und Kellogs oder die Route 66 oder die Vespa.
Auch interessant
Anzeige
Auch interessant
Anzeige
Alle kennen diese Schilder, kaum einer weiß, dass sie aus Berlin-Reinickendorf stammen. Die Firma wird von dem Reinickendorfer Unternehmer Tejo Engel geführt, der sie auch gründete. Das Geschäft läuft gut und würde weiter gut laufen, wären da nicht Verhandlungen mit dem Nachbargrundstück, die Nostalgic-Art in Bedrängnis bringen.
Es geht um eine Zufahrtsstraße auf dem Borsig-Gelände, die von den Sattelschleppern genutzt wird, die Nostalgic-Art ansteuern. Der Senat will die Straße an die Privatuniversität German University Cairo (GUC) verkaufen, die der Kanonenhalle gegenüberliegt.
Die GUC plant einen Erweiterungsbau, der dazu führen würde, dass die Sattelschlepper auf der Zufahrtsstraße nicht mehr rangieren könnten. Sie fahren rückwärts und quer zur Fahrbahn in die Kanonenhalle, um Ware abzuladen oder aufzunehmen.
Tejo Engel, der Inhaber von Nostalgic-Art sieht das Ende seiner Firma kommen, wenn die Anlieferung nicht mehr möglich ist. Er beschwert sich, dass sich Senat und Bezirk um diese existenzielle Bedrohung gar nicht kümmern.
Die besagte Zufahrtsstraße wird von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) verkauft, die zum Finanzsenat gehört. Auf unsere Anfrage hin bestätigt die BIM die Verkaufsverhandlungen mit der Privatuniversität GUC, verweigert aber jede weitere Auskunft, da man sich „in einem laufenden Verhandlungs- und Gesprächsprozess“ befinde.
Die zuständige Reinickendorfer Stadträtin Korinna Stephan (Grüne) gibt Auskunft, die aber voller Widersprüche ist. Die Firma Nostalgic-Art, so schreibt sie uns, müsse die „die bisherige Anlieferungspraxis (…) im Falle der Bebauung aufgeben und privatrechtlich in eigener Verantwortung umplanen.“ Sie verweist auf ein „verkehrstechnisches Gutachten, das mehrere alternative Anlieferungsoptionen aufzeigt“.
Doch dieses Gutachten ist graue Theorie. Es sieht vor, dass sich Nostalgic-Art mit anderen Nachbarn darüber verständigt, ob die Sattelschlepper über ihr Grundstück fahren dürfen, was natürlich niemand möchte, abgesehen davon, dass es die entsprechenden Zufahrtsstraßen gar nicht gibt. Die Auskunft der Stadträtin Stephan muss Teja Engel und seinen Mitarbeitern also wie Hohn erscheinen.
Was soll er also tun? Das CDU-geführte Bezirksamt und der CDU-geführte Finanzsenat schalten auf stumm und verkaufen vor Teja Engels Nase eine Zufahrt, die für seine Firma lebenswichtig ist.
So also geht man mit einem mittelständischen Unternehmen um, das 35 Jahre lang am Standort Reinickendorf produziert, Arbeitsplätze geschaffen und Steuern bezahlt hat. Dieses Unternehmen wird regelrecht vertrieben.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de