Paris. Es sollte ein Vorzeigeprojekt für die europäische Rüstungszusammenarbeit sein. Der Beweis, dass im so sensiblen Bereich der Verteidigung Synergien geschaffen, Know-How und Gelder gebündelt, gemeinsame Projekte gestemmt werden können.
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Kurz nach der Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten 2017 gaben er und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Startschuss für das „Luftkampfsystem der Zukunft“, kurz FCAS (Future Combat Air System), mit geschätzten Gesamtkosten von mehr als 100 Milliarden Euro.
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Ab 2040 soll es laut Plan die Rafale-Kampfjets in Frankreich und die Eurofighter in Deutschland ablösen. Auch Spanien kam mit ins Boot. Es war als Machtdemonstration gedacht: Ein souveränes Europa vermag seine Verteidigungsfähigkeit gemeinschaftlich zu organisieren.
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Gut acht Jahre später droht der Kooperation allerdings das Aus. In der Öffentlichkeit ausgetragene Streitigkeiten der beteiligten Konzerne, vor allem Dassault Aviation und Airbus Defence and Space, nährten Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des ambitionierten Projekts. Sie betreffen vor allem die Aufgabenverteilung, obwohl diese vertraglich festgelegt wurde.
Kampfflugzeuge, Drohnen-Armee und Softwaresystem
Das FCAS bestehe aus drei Hauptbereichen, nämlich einem Kampfflugzeug der sechsten Generation, einer Drohnen-Armee und einem Softwaresystem zum Teilen von Informationen, erklärt Léo Péria-Peigné, Experte für Rüstungs- und Verteidigungsindustrie am französischen Institut für internationale Beziehungen Ifri.
Die Projektorganisation sei wiederum dreistöckig aufgeteilt: „Die politische Ebene ist der Kopf, die militärische der Körper und die industrielle, das sind die Beine.“ Schon in militärischer Hinsicht gebe es große Unterschiede: Anders als Deutschland und Spanien brauche Frankreich als Atommacht einen Kampfjet, der auf einen Flugzeugträger gestellt werden sowie Nuklearwaffen transportieren kann. Er muss entsprechend konzipiert werden.
Noch schwieriger gestalte sich die Zusammenarbeit der Konzerne, die Konkurrenten sind. Die Haltung von Dassault Aviation irritierte zuletzt in Deutschland und Spanien. Der französische Rüstungskonzern fordere eine Führungsrolle beim Bau des Kampfflugzeugs ein, der 60 bis 80 Prozent des Gesamtprojektes ausmache.
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Rüstungskonzern kritisiert Projektsteuerung
Dessen Chef Éric Trappier kritisierte wiederholt die dreigeteilte und daher „unklare“ Projektsteuerung. Er sei nicht gegen die Zusammenarbeit mit den Deutschen, aber bestehe auf der Anerkennung einer Hauptrolle bei der Flugzeugentwicklung und -konzeption für sein Unternehmen, sagte er.
„Sonst können wir manche technische Entscheidungen nicht durchsetzen.“ Dassault Aviation, das seit mehr als 70 Jahren Kampfflugzeuge baue, könne dies „von A bis Z“ machen – auch in Eigenregie. Tatsächlich wird es aber von drei Ländern zu gleichen Teilen finanziert. Die Partner wollen es nicht bei der reinen Zulieferung belassen.
„Kann nicht so weitergehend wie gegenwärtig“
Bei einem Besuch beim spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez im September klagte Friedrich Merz (CDU), die aktuelle Situation sei unbefriedigend: „Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig.“ Der deutsche Kanzler hat Macron zur Feier am Tag der Deutschen Einheit am Freitag nach Saarbrücken eingeladen. Doch ein Durchbruch wird bei dem Anlass nicht erwartet.
Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) räumte wiederholte Rückschritte bei dem Vorhaben ein und hat angekündigt, dies mit seinen beiden Amtskollegen bei einem Treffen in Berlin im Oktober zu besprechen. Bis Jahresende müsse eine grundsätzliche Entscheidung her. Es gelte, „nationale Interessen hinten anzustellen.“ Unklar ist, wer von französischer Seite kommt, nachdem der bisherige Armeeminister Sébastien Lecornu nun Premier ist und sein Kabinett in den nächsten Tagen vorstellen wird.
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2026 soll eigentlich mit der Entwicklung eines Prototypen, deren Kosten auf fünf Milliarden Euro geschätzt werden, Phase zwei beim FCAS beginnen. Längst besteht die Sorge, dass das Zieldatum 2040 nicht eingehalten werden kann. Vor allem für Paris erscheint dies laut Insidern als nicht hinnehmbar, da es die Kampfflugzeuge auch für seine nukleare Abschreckung nutzen will.
Angesichts der veränderten Sicherheitslage durch die Bedrohung durch Russland einerseits und die Zweifel an der Zuverlässigkeit der USA andererseits wäre das Signal, das vom Scheitern des einstigen Prestigeprojekts ausgehen würde, fatal.