Fahndung nach der Bluttat: Gesperrte Filderbahnstraße beim Bahnhof Möhringen am 28. Januar 2025. Foto: Andreas Rosar
Acht Monate nach einem Attentat im Zentrum Möhringens muss sich ein 26-Jähriger im Stuttgarter Landgericht verantworten.
Die Kugel trifft den Bauch, reißt eine offene Wunde, verletzt die Leber, perforiert den Magen, verletzt nebenbei auch den rechten Unterarm. Wer weiß, wie alles sonst noch ausgegangen wäre, hätte die vollautomatische Schusswaffe in diesem Moment keine Ladehemmung gehabt. Der Schuss in einem umgebauten Dönerimbiss nahe des Bahnhofs Möhringen, der Ende Januar einen 27-Jährigen lebensgefährlich verletzte, beschäftigt von Donnerstag an die 1. Strafkammer des Landgerichts. Eine weitere blutige Episode in der seit Jahren andauernden Fehde zweier multiethnischen Gruppierungen.
Die Anklage lautet auf versuchten Mord. Beschuldigt wird ein heute 26-Jähriger, ein Deutscher mit türkischen Wurzeln, der nur wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt seinen Wohnsitz hat. Der Polizei ist er kein Unbekannter. 25 Tage nach dem Handgranatenattentat auf dem Friedhof in Altbach (Kreis Esslingen) im Juni 2023 hatte es in seiner Wohnung eine Hausdurchsuchung gegeben – mit dem Vorwurf, an dem Angriff auf den Attentäter der verfeindeten Clique beteiligt gewesen zu sein.
Erster Kontakt angeblich „belanglos“
Die Sondereinheit des Landeskriminalamts kann den Beschuldigten also schnell zuordnen: Der heute 26-Jährige wird der Gruppe Esslingen/Vaihingen/Plochingen/Ludwigsburg zugerechnet. Die Vaihinger Fraktion ist speziell mit einer Gruppierung aus dem Fasanenhof verfeindet, die ihrerseits mit der Großgruppierung Zuffenhausen/Göppingen paktiert. Beide Cliquen sind im Kern aus der kurdisch geprägten rockerähnlichen Gruppierung Red Legion erwachsen.
Laut Anklage soll der Angreifer das ehemalige Ladengeschäft, das gerade zu einem Dönerimbiss umgebaut wurde, am 28. Januar gegen 18 Uhr betreten, wo der den 27-Jährigen antraf. Laut Anklage soll er „zunächst belanglos mit ihm geredet und den Imbiss wieder verlassen haben“. Wie „belanglos“ der erste Kontakt wirklich war, versucht die 1. Strafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Monika Lamberti herauszufinden. Schließlich ist der Mann im Imbiss seit Jahren kein Unbekannter – vor allem nicht der gegnerischen Vaihinger Fraktion.
Die Polizei kennt den Angehörigen einer Familie afghanischer Herkunft seit vielen Jahren. Früher wurde ein nach ihm benanntes „Terrorteam“ aus dem Fasanenhof mit Gewalt, Drogen und Waffen in Verbindung gebracht. Im April 2023 soll auf ihn schon einmal geschossen worden sein – allerdings wurde da sein Auto getroffen. Die Ermittler vermuten einen Beteiligten aus der verfeindeten Esslingen-Ludwigsburg-Gruppe.
Auf das Opfer ist schon einmal geschossen worden
Dass der zur Tatzeit 27-Jährige mit einem seiner Gegner vor dem Schuss im Möhringer Imbiss ein „belangloses“ Gespräch geführt haben soll, gilt unter den Experten als eher unwahrscheinlich. Ob der Imbiss selbst der Streitpunkt gewesen ist, bleibt vorerst unklar. Gemeinhin sind die Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden und Justiz eher zurückhaltend bis nichtssagend. Der Laden hat inzwischen geöffnet, muss sich allerdings gegen eine Vielfalt von Dönerangeboten in unmittelbarer Nähe durchsetzen. Die 1. Strafkammer des Landgerichts hat nach dem Auftakt am Donnerstag sieben weitere Verhandlungstage bis in die letzte Novemberwoche terminiert.