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Zum Erntedankfest erklärt Antonia Dicken-Begrich vom Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises Wuppertal, warum Dankbarkeit mehr ist als Freude über eigene Erfolge – und wie sie uns zu mehr Solidarität in der Gesellschaft führen kann.
Der Oktober ist der Monat der Ernte. Was macht das Erntedankfest für Sie besonders?
Antonia Dicken-Begrich: Für mich ist Erntedank ein Fest der Freude und der Dankbarkeit. Es geht nicht nur um die sichtbaren Früchte der Natur – Kürbisse, Äpfel, Getreide – sondern vor allem um das Bewusstsein, dass all das, was wir schaffen, letztlich ein Geschenk ist. Wir feiern, dass wir in der Lage sind, zu arbeiten, zu gestalten und zu leben, und dass wir Teil einer größeren Schöpfung sind.
Erntedankfest in Wuppertal
In allen evangelischen Gemeinden Wuppertals wird am Sonntag (05.10.) Erntedank gefeiert. Die jeweiligen Gottesdiensttermine finden Sie in unserem Kalender.
In vielen Gottesdiensten wird besonders betont, dass es nicht um Stolz auf die eigene Leistung geht.
Antonia Dicken-Begrich: Genau. Es geht nicht darum, unsere Erfolge zu feiern, sondern anzuerkennen, dass wir vieles nur erreichen können, weil uns die Lebensgrundlagen geschenkt sind – durch Gottes Schöpfung und das Wirken anderer Menschen. Dankbarkeit bedeutet Demut und den Blick über das eigene Ich hinaus.
Welche Bedeutung hat Erntedank für unser gesellschaftliches Miteinander?
Antonia Dicken-Begrich: Dankbarkeit sollte uns motivieren, zu teilen. Alle Menschen haben ein Recht auf Teilhabe. Gerade heute sehen wir, dass Armut und Ausgrenzung zunehmen. Wer dankbar ist, erkennt die Verantwortung, sich für die Schwächsten einzusetzen – sei es im Ehrenamt oder durch das Eintreten für soziale Gerechtigkeit.
In der Lutherkirche gibt es jedes Jahr einen reich gedeckten Gabentisch zum Erntedankfest.
Welche Rolle spielen Kirchen und Gemeinden dabei?
Antonia Dicken-Begrich: Kirchen können sichtbar machen, wie Solidarität funktioniert – durch Lebensmittelaktionen, Unterstützung von Tafeln oder konkrete Hilfe für Bedürftige. Gleichzeitig müssen wir im öffentlichen Raum klar Stellung beziehen, wenn Menschen ausgegrenzt werden und sich die Gesellschaft von den Schwächsten abschottet.
Gibt es einen biblischen Bezug, der Sie besonders anspricht?
Antonia Dicken-Begrich: Ja, der Prophet Jesaja formulierte schon vor beinahe 3.000 Jahren: „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn.“ Diese Worte sind zeitlos und erinnern uns daran, dass Dankbarkeit immer auch eine Verantwortung für andere ist, die wir heute genauso ernst nehmen müssen wie damals.
Was wünschen Sie den Menschen in diesem Erntedankmonat?
Antonia Dicken-Begrich: Dass sie die Fülle des Lebens wahrnehmen, sich an den eigenen Erfolgen und an der Möglichkeit des Teilens freuen. Dass sie ihre Mitmenschen im Blick behalten und Solidarität praktisch werden lassen – das ist für mich der wahre Geist des Erntedankfests.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.
Das Erntedankfest
Kirchengemeinden in ganz Deutschland feiern Anfang Oktober das Erntedankfest, in diesem Jahr am 5. Oktober. In Gottesdiensten bedanken sich Christ:innen für die Ernte eines Jahres und erinnern damit an die Verbindung von Mensch und Schöpfung. Die Altäre werden in den Kirchen mit Feldfrüchten geschmückt.
Erntedank ist wohl einer der ältesten Feiertage der Weltgeschichte, alle frühen Ackerbaukulturen blickten dankbar auf ihre Ernte. Das Fest soll auch deutlich machen, dass der Mensch die Schöpfung Gottes nicht unter Kontrolle hat. Denn der Mensch ist der Bibel zufolge selbst Teil der Schöpfung. Heute spielen die Themen Tier- und Umweltschutz, Gentechnik und
Verschwendung von Lebensmitteln eine wichtige Rolle.
Mit der Bitte des Vaterunsers „unser tägliches Brot gib uns heute“ wird zugleich an die katastrophale Ernährungssituation in den ärmsten Ländern der Erde erinnert. Daher organisieren Kirchengemeinden zum Erntedank-Sonntag oft Solidaritätsaktionen für notleidende Menschen und sammeln Spenden. (Text: epd)
Fotos: Sabine Damaschke