War der neue Namenspatron der bisherigen Mohrenstraße nun selbst versklavt oder stammte er aus der Oberschicht eines Sklavenhändler-Volkes? Allein die Unklarheit zeigt einmal wieder, dass die „Postkolonialisten“ mit ihrem Furor falsch liegen.

Gut gemeint ist in der Regel das Gegenteil von gut. Wobei im Falle des Streits über die Umbenennung der Mohren- in Anton-Wilhelm-Amo-Straße überhaupt erst einmal zu klären wäre, ob es hier jemand irgendetwas „gut gemeint“ hat – alle bisher bekannten Indizien deuten als Ursache des unnötigen Streits auf destruktiven Furor selbst ernannter Aktivisten.

Jedenfalls hat diese seit zehn Jahren laufende Diskussion bisher nur Verlierer produziert: natürlich die Anwohner, dann die Berliner Bezirks- und Landespolitik sowie die instrumentalisierte Justiz und die Steuerzahler. Aber auch die „Postkolonialisten“ stehen schlecht da, gerade wird mit Michael Zeuske einer der wichtigsten Sklavereiforscher beschädigt – und vor allem hat das Andenken an die hochinteressante Figur Anton Wilhelm Amo selbst gelitten.

Der Reihe nach: Die Anwohner sind Verlierer, weil sie nun viel bürokratischen Aufwand haben, den nahezu alle einhellig ablehnen – förderlich für die Demokratie ist das nicht. Die Berliner Politik ist Verlierer, weil sich Bezirk und Land hoffnungslos ineinander verbissen haben. Die Justiz hat sich als politisch beeinflusst offenbart, denn ihre Entscheidungen erst für, dann gegen und schließlich wieder für die Umbenennung überzeugen allesamt wenig. Die Steuerzahler müssen alles bezahlen.

Die Aktivisten mögen sich zwar noch als Sieger fühlen, doch tatsächlich schaden sie mit ihrem lautstark ertrotzten Erfolg ihrem (angeblichen) Anliegen: der Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit. Die kritische Stellungnahme von Zeuske, als Autor des „Handbuchs Geschichte der Sklaverei“ die wichtigste deutsche Stimme in dieser internationalen Diskussion, halten manche Kollegen und (wissenschaftliche) Konkurrenten für ein Missverständnis und eine Verwechslung. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch ohne Zweifel geht Zeuske beschädigt aus der Debatte hervor.

Am schlimmsten aber ist: Die „Postkolonialisten“ haben das Andenken ihres Protagonisten massiv beschädigt. Denn was war Anton Wilhelm Amo denn nun? Ein versklavter Junge, der zur Belustigung eines mittleren deutschen Hofes nach Europa gebracht wurde, sich dort zum Intellektuellen weiterentwickelte und der „erste schwarze Philosoph“ wurde? Oder ein Kind aus der Oberschicht eines westafrikanischen Sklavenhändler-Volkes, das zu Ausbildungszwecken auf eine weite Reise geschickt wurde?

Festzustehen scheint zudem, dass Anton Wilhelm Amo den wichtigsten ihm zugeschriebenen Text gar nicht selbst verfasst hat. Wegen dieser nur mit dem Titel „De iure maurorum in Europa“ („Über das Recht der Schwarzen in Europa“) und einer wenige Wörter langen Zusammenfassung überlieferten Disputatio von 1729 gilt er den Aktivisten als Vordenker im Kampf gegen die Sklaverei. Doch die Stuttgarter Amo-Forscherin Monika Firla kann belegen, dass der Text von einem Lehrer des damaligen Studenten Amo verfasst wurde – seinerzeit an der Universität Halle ein gängiges Vorgehen.

Was bleibt? Die „Postkolonialisten“ und ihre Fürsprecher haben ein weiteres Mal ihre fundamentale Unkenntnis der Materie öffentlich demonstriert. Politik und Justiz verärgern mit ihrem widersprüchlichen Verhalten die Bürger ohne Notwendigkeit. Die Fachwissenschaft demonstriert, dass „Follow the science“ eben keine gültige Maxime sein kann. Der Namenspatron gerät ins Zwielicht. Fürwahr eine beeindruckende „Leistung“ der Aktivisten.

Sven Felix Kellerhoff ist Leitender Redakteur bei WELTGeschichte. Gegen die undurchdachte Umbenennung der Mohrenstraße und ähnliche „postkoloniale“ Einfälle hat er sich immer wieder ausgesprochen.