Die Straße von Bonifacio ist eines der schönsten Reviere des Mittelmeeres: Traumhafte Buchten, bizarre Felslandschaften, kurze Distanzen und dazu immer im Wechsel zwischen Italien und Frankreich.
So schnell kann aus einer geplanten Investigativrecherche ein normaler Chartertörn werden: 2024 hatte die Nationalparkverwaltung des italienischen La-Maddalena-Parks, der fast alle vorgelagerten Inseln im Nordwestzipfel der Insel umfasst, ein nächtliches Ankerverbot verhängt. Erste Crews wurden mit Bußgeldern belegt, ein Aufschrei ging durch die Charterbranche und Skipper-Foren. So entstand der Plan: 2025 in der Hochsaison dort segeln und sehen, wie die Skipper abends mit dem Verbot zurechtkommen, das vermutete Chaos beobachten, wenn sie in Scharen Ankerplätze an Sardiniens Küsten suchen müssen. Doch Basisleiter Andrea von Sun Charter lächelt und winkt ab, als wir Ende Juni an seiner wunderschönen Basis in Marina dell’Isola zum Törn anreisen. „Die Charterfirmen haben sich zusammengetan und einen Anwalt engagiert, der gegen die neue Regelung vorgeht. Da haben die Behörden die Kontrollen ausgesetzt.“
Aufregung im Ankerparadies
Eine sehr italienische Regelung. Gerichtliche Auseinandersetzungen sind hier berüchtigt langwierig, ein paar Jahre sind da nichts. Denn das Verbot gab es streng genommen schon seit zehn Jahren, nur umgesetzt wurde es nie. Die Posidonia-Felder sollten besser geschützt werden. Warum die von Ankern nur nachts zerstört werden, wissen wohl nur Behörden-Experten. Aber egal – freuen wir uns, dass alles wieder möglich ist.
Und das ist gerade hier eine gute Nachricht, denn sagen wir es einfach mal klar: Es gibt wohl kein schöneres Revier für Crews im westlichen Mittelmeer, die gerne ankern. An Sardiniens Nordostseite und Korsikas Süden samt vorgelagerten Inseln wie Maddalena, Spargi, Caprera, Razzoli oder Budelli gibt es dermaßen viele wunderschöne und geschützte Buchten, dass man kaum weiß, wo man sich abends hinlegen soll. Es ist mein fünfter Törn im Revier, und immer noch könnten wir jeden Tag in einer neuen, uns unbekannten Bucht festmachen. Und immer ist sie schön.
Abkühlung in geschützten Buchten
Wie die Cala Lunga an der Westküste von Razzoli, unserem ersten Ankerstopp. Das Eisen geht runter auf einem sandigen Spot, die Badeleiter geklappt, und schon wimmelt es ums Heck. Schwärme erstaunlich großer Fische schwimmen vor der Taucherbrille und sind überhaupt nicht scheu. Bei Annäherung teilt sich die Wolke einfach und schließt sich hinter einem wieder. Ich kenne kein anderes Revier mehr im Mittelmeer, wo man noch derart viele Fische sieht. Ein Anker-Traum. Die zerklüfteten rötlichen Felsen leuchten in der Sonne. Sardinien stöhnt seit Tagen unter der ersten Hitzewelle, 36 Grad sind es, Wasser fast 25 Grad, die Italiener reden ganz offen vom Klimawandel. Wir Chartersegler nehmen es gelassen, glückselig verfliegen die Stunden bei Baden, Faulenzen, Kochen und Sarden-Bier im Cockpit.
Zu verdanken ist das strengem Schutz: Der Nationalpark La-Maddalena-Archipel ist riesig, Fischen streng reglementiert oder verboten, Bereiche für Yachten sind gesperrt, Fäkalientanks Vorschrift. Das Ergebnis spricht für sich. Und das, obwohl hier wirklich viele Yachten unterwegs sind. Beim Weg von der Charterbasis hoch nach Maddalena mussten wir geradezu Slalom um riesige Megayachten fahren, zahllose Charteryachten, schicke Eignerschiffe. Der Grenztörn zwischen Korsika und Sardinien ist beliebt.
Die Straße von Bonifacio: navigatorisch anspruchsvoll
Doch selbst Ende Juni findet man immer noch einen Ankerplatz, teils sogar freie Bojen. Viel besser als gedacht. Dabei ist das Revier nicht das einfachste: Die enge Straße von Bonifacio zwischen Korsika und Sardinien ist eine berüchtigte Winddüse. Weht Mistral aus West bis Nordwest, steht schnell Starkwind, dasselbe bei seltenerem stärkeren Südost. Reichlich Felsen spicken die schönen Inseln, man muss sorgfältig navigieren. Die Flottenbetreiber haben viele Schäden, die Kautionssummen im Revier sind entsprechend deftig. Man muss die Wettervorhersage im Auge behalten. Das tun wir, denn von der Cala Lunga soll es rüber via die französischen Lavezzis nach Bonifacio gehen. Und der Mistral soll kommen. In zwei Tagen wird es mit 30 Knoten wehen. Die Festungsstadt, hoch oben auf der Steilküste gelegen, ist das städtische Highlight eines Törns. Für zwei norddeutsche Revierneulinge in unserer Crew ein Muss.
Also am nächsten Morgen die Segel hoch und los. Läppische zwölf Meilen sind es, das Revier ist für seine kurzen Distanzen berühmt. Da bleibt genug Zeit für einen Badestopp auf den schon französischen Lavezzi-Inseln. Die sind mit ihren rund geschliffenen grauen Granitbuckeln eine Mischung aus schwedischen Schären und Seychellen, nur mit Macchia statt Tannen oder tropischem Regenwald. Türkis leuchtet das Wasser in dem Meer aus Steinen.
Trügerisches Inselidyll
Die wohl spektakulärste Bucht ist die Cala Lazarina an der Westseite von Lavezzi. Wir ankern aber in der gegenüber, hinter der Landzunge liegenden Cala di Grecu. Von dort kann man easy mit dem Dingi übersetzen für einen Spaziergang über die Insel. Die Hitze flirrt, die Zikaden zirpen. Vorbei geht es am Matrosenfriedhof des 1855 gesunkenen französischen Kriegsschiffs „Sémillante“. 702 Seelen ließen beim Zerschellen der Fregatte ihr Leben, als sie in fürchterlichem Sturm auf einem Riff auflief. Ein erhobener Zeigefinger für alle Seefahrer, sich nicht vom sommerlichen Leichtwind täuschen zu lassen, der stetig über die Insel zieht.
Tatsächlich war es klug, den Weg zur Bucht zu Fuß zu machen. Die Cala Lazarina ist zwar ein Traum von einer Bucht, aber rappelvoll. Wer hier einen Platz will, muss am besten vormittags kommen. Dafür ist der Blick auf das zerklüftete Felsenmeer samt türkiser Bucht unfassbar malerisch.
Doch schon beim Wandern merken wir: Der Mistral zieht langsam an. Also schnell zurück aufs Boot und Kurs Nordwest Richtung Bonifacio, schon jetzt eine Kreuz. Die immer ruppiger wird. Aus 15 Knoten werden 23 Knoten Wind, der Seegang nimmt zu, erstes Reff. Unsere Dufour 385 stampft mit üblen Wendewinkeln durch die See, unser Steuermann Uwe tastet sich die Windkante entlang, so gut es geht. So wird aus dem Kaffeeschlag noch ein unerwartet kerniger Segelnachmittag.
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Revierinfos:
Charter: Wir waren mit einer acht Jahre alten Dufour 38 der deutschen Charterfirma Sun Charter unterwegs. Das Boot war technisch tadellos. Die Flotte ist eine Mischung aus Bavarias, Sun Odysseys, Dufours und einigen Kats von Lagoon und Nautitech. Eine zwei Jahre alte Bavaria 37 kostet bei Buchung vor Jahreswechsel mit Frühbucher-Rabatt von 20 Prozent im Juni 2.970 Euro. Die Basis in Marina dell’-Isola ist eine wunderschöne Anlage in einer ruhigen Bucht, mit Café, Strand, Badestelle und nahen Restaurants. Die wohl schönste Station im Revier! Buchbar über: Sun Charter, www.suncharter.de, Tel.: 08171/29905 oder info@suncharter.de
Das Revier: Im Revier gibt es zahlreiche Untiefen und Felsen, die es unbedingt zu beachten gilt. Immer wieder laufen Crews vor allem unter Autopilot oder bei kurzen Schlägen in die nächste Bucht gehörig auf. Unsere eigentlich gebuchte, eine Woche alte Bavaria 46 musste direkt vor unserem Start in die Werft! Sorgfältige Planung und Karten-/Plotterarbeit sind also ein Muss. Zu beachten sind die Nationalparks der Maddalena-Inseln auf italienischer Seite (lamaddalenapark.it) und die der Lavezzias auf französischer. Crews müssen sich vor dem Befahren des Italienischen Parks online für die Dauer des Törns registrieren und die Nationalpark-Gebühr entrichten. Das Gebiet ist streng zoniert, die Karte dazu gibt es als Download, es gelten teils Anker- und Befahrensverbote. Wichtig: In den meisten Zonen gilt es, einen Abstand zum Ufer von 300 Metern einzuhalten, Landleinen oder Ähnliches auszubringen ist verboten, und es wird auch kontrolliert. Hier und auch auf den französischen Lavezzis ist Ankern auf Seegras streng verboten!
Wind & Wetter: Zwischen Korsika und Sardinien bildet die Straße von Bonifacio eine Enge, die bei Starkwind aus Nordwest bis West oder Ost eine Winddüse ergibt. Droht Mistral, weht es schnell mit 6 bis 8 Beaufort und es steht entsprechend grober Seegang. Dann ist der Weg nach Bonifacio nicht empfehlenswert. Die besten Mistral-Vorhersagen hat der französische Wetterdienst meteofrance.com.
Häfen & Ankerplätze: An der Küste Sardiniens diverse größere Marinas mit guten Plätzen und Service. Die meisten Crews bleiben aber in den Inseln. Dort ist La Maddalena mit Cala Gaveta und der Schwimmsteg Marina Cala Mangiavolpe ein guter Stopp. In Korsikas Süden Bonifacio und Porto-Vecchio. Die Auswahl an Buchten ist gigantisch, man findet fast immer einen Platz. Oft liegen auch gebührenpflichtige Bojen aus, Kassierer kommen mit dem RIB herum.
Literatur & Seekarten: Klaus-Jürgen Röhring: Korsika, Sardinien Elba, Delius Klasing, 39,90 Euro. ISBN: 978-3-667-12585-9