
AUDIO: Strengerer Artenschutz sorgt für Krise bei Geigenbauern (7 Min)
Stand: 02.10.2025 11:18 Uhr
Fernambuk-Holz ist vor allem beim Bau von Geigenbögen sehr gefragt. Es zählt aber zu einer bedrohten Art und könnte ab November auf einen strengeren Artenschutzindex gesetzt werden. Welche Alternativen gibt es? Ein Gespräch mit Andreas Hampel, Geigenbauer aus Hamburg.
Herr Hampel, was genau könnte sich da ab November ändern?
Andreas Hampel: Das ist natürlich der völlige Aufreger. Man kann es sehr emotional sehen und sagen: Unsere gesamte Berufsgrundlage wird gestrichen. Ich war erstaunt, wie wenig die Branche darauf reagiert. Ich habe auf der großen internationalen Messe nur einen Stand gesehen, wo mit alternativen Hölzern gearbeitet wird. Das war ein Brasilianer, der sehr schöne Bögen aus Ipé-Holz hatte. Das ist ein bisschen anders, klingt einen Tick anders und wäre eine mögliche Alternative. Es gibt einen Bogenbau-Kollegen in Amerika, der mit Bambus herumexperimentiert. Bambus wächst wie Unkraut in China.

Tropenhölzer sind beliebt – auch für Instrumente. Aber nicht mehr alle Hölzer dürfen verwendet werden. Ein Besuch bei einer Hamburger Geigenbauerin.
Man kann sich fast nicht vorstellen, dass die Lösung so einfach sein könnte.
Hampel: Ja. Ich habe noch keinen Bogen. Ich habe ihn gebeten, mir einen Bogen aus Bambus zuzuschicken, aber er hat gesagt, er hätte so viel zu tun in Amerika, dass er nicht dazu käme, mir einen nach Europa zu schicken.
Es wird definitiv anders werden. So wie die Bögen jetzt ausgearbeitet sind, welche Gewichte es gibt, wie wir uns daran gewöhnt haben, wie man bis zur Spitze ein Crescendo spielen kann und wie genau der Sound ist – das wird mit einem anderen Holz anders sein. Ich persönlich gehe davon aus, dass der Bogenbau als solcher nicht verschwinden wird. Es ist schade, es ist eine lange Tradition mit diesem wunderschönen Holz, aber man hat es nicht geschafft, über die Jahrhunderte eine nachhaltige Bewirtschaftung zu erreichen.
Ist ein zertifizierten Anbau auch nicht vorstellbar?
Hampel: Erst in den letzten 30 Jahren haben die Bogenbauer aus Europa und Amerika gesagt, dass man doch irgendwas machen muss. Man hat insgesamt 380.000 Setzlinge gepflanzt und gemerkt, dass das nicht im Urwald wachsen muss, sondern auch auf Plantagen. Man hat auch gemerkt, dass man das auch mit Kaffee und mit Kakao vergesellschaften kann. Der brasilianische Staat sagt jetzt aber, dass das nicht richtig zertifiziert wurde oder so – ich habe da keinen Einblick. Es ist ein unglaubliches Aufreger-Thema. Das ist verworrene Politik. Ich weiß, dass es bei CITES-I-Material Möglichkeiten von Plantagen gibt. Theoretisch lässt das Washingtoner Artenschutzabkommen das zu, aber es ist kompliziert. Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen ist. Es sieht so aus, als könnten die Plantagen im Augenblick nicht verwendet werden.
Ist wahrscheinlich noch komplizierter, das zu kontrollieren, oder?
Hampel: Die Bogenbauer haben vorgeschlagen, man könnte für jeden einzelnen Baum eine DNA-Analyse machen und sagen: Dies ist eine Stange aus diesem DNA-Baum. Das ist nicht mehr so teuer; wenn für jeden einzelnen High-End-Bogen eine DNA-Analyse für 100 Euro vorliegt, wäre das machbar. Aber es muss der politische Wille da sein, und den sehen wir im Augenblick in Brasilien nicht.
Es ist natürlich auch kein Massenmarkt, oder?
Hampel: Ja, das ist die Frage. Die europäischen und amerikanischen Bogenbaumeister, die in Einzelanfertigungen Bögen für den anspruchsvollen Musiker fertigen, haben mal versucht herauszukriegen, wie viel sie brauchen. Je nach Rechnung kommt man auf Zahlen zwischen 20 und 120 Tonnen im Jahr, was mit einer überschaubaren Anzahl von Bäumen machbar wäre. So funktioniert aber das Artenschutzrecht nicht. Es gibt chinesische, amerikanische, brasilianische Fabriken, die zu tausenden Bögen für den Amateur- und Schülermarkt hergestellt haben. Bis vor Kurzem haben wir immer noch gesagt: Wenn du einen anständigen Bogen als Jugendlicher brauchst, kaufe dir einen Fernambuk-Bogen – die gab es ab 280 Euro. Mit dem konnte man alle romantischen Stricharten ausführen, und das ging mit den einfachen Holzbögen nicht. Die allereinfachsten Anfängerholzbögen sind nicht aus Fernambuk-Holz, sondern aus verwandten Holzarten – die sind aber relativ weich. Ein paar Anfängerstriche kann man damit machen, aber wenn es um kleine Konzerte geht, hat man bisher immer gesagt: Kauf dir einen anständigen Fernambuk-Bogen, und dann hast du was für die Zukunft.
Für diesen Massenmarkt werden wir mit Sicherheit Alternativen finden müssen. Es gibt viele Versuche in Carbon, aber ich persönlich finde Carbonbögen meistens zu steif, das sind wirkliche Prügel. Ich habe noch kaum etwas gesehen, was mich wirklich begeistert hat. Es gibt Hybrid-Varianten mit einem kleinen Carbonkern und Holz außen, das sind, finde ich, die erfolgsversprechendsten Varianten: Man kann ein bisschen weicheres Holz nehmen und macht in die Mitte einen Fernambuk-Kern rein, der die nötige Stabilität gibt. Da gibt es schon Sachen, die wirklich vernünftig sind und womit ein Musiker glücklich werden kann.
Davon muss man die Musiker und Musikerinnen erst mal überzeugen, oder?
Hampel: Ja. Wenn man seinen endgültigen Bogen als Musikstudent oder als anspruchsvoller Amateur sucht, ist ein schöner Fernambuk-Bogen noch unerreicht. Aber wenn es das nicht mehr gibt, wenn der Handel damit verboten wird, dann müssen wir das akzeptieren, und dann wird der gesamte Sound von den Orchestern anders werden. Wenn sich Carbon durchsetzt, dann wird der Sound ein bisschen härter, ein bisschen glasklarer werden. Das ist das, was in Zukunft auf uns zukommen wird.
Das Gespräch führte Franziska von Busse.
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