Symbolbild.
(Bild: sibsky2016 / Shutterstock.com)
Die Trump-Regierung will Kiew erstmals Geheimdienstdaten für Angriffe auf Russlands Energieinfrastruktur weit hinter der Front liefern. Moskau ist alarmiert.
In einer bedeutenden Kursänderung will die Regierung von US-Präsident Donald Trump der Ukraine künftig Geheimdienstinformationen zur Verfügung stellen, um Angriffe auf russische Energieinfrastruktur tief im Hinterland zu ermöglichen.
Laut Beamten, die das Wall Street Journal (WSJ) zitiert, ist es das erste Mal, dass die Trump-Administration Kiew bei Angriffen auf Energieziele tief im russischen Territorium unterstützt.
Ziel: Russlands Kriegswirtschaft schwächen
Das Ziel der Maßnahme ist klar: Die Ukraine soll in die Lage versetzt werden, Raffinerien, Pipelines, Kraftwerke und weitere Energieinfrastruktur weit entfernt von der Grenze anzugreifen. Damit will man dem Kreml Einnahmen und Öl entziehen, die er zur Finanzierung seiner Invasion benötigt.
Die Kombination aus besserer Aufklärung und potenziell leistungsstärkeren Waffen soll größere Schäden an neuralgischen Punkten verursachen und zugleich russische Luftabwehrkräfte binden, heißt es.
Wie das WSJ berichtet, hat Präsident Trump sowohl das Pentagon als auch die US-Geheimdienste autorisiert, Kiew bei den Angriffen zu unterstützen. Zudem drängen die USA ihre Nato-Verbündeten, eine ähnliche Zusammenarbeit mit der Ukraine auszuweiten.
Der Schritt folgt auf ins Stocken geratene Friedensgespräche und markiert eine rhetorische wie politische Kursänderung Washingtons: Nachdem seine bisherigen Vermittlungsversuche gescheitert sind, äußerte sich Trump zuletzt zunehmend frustriert über Kremlchef Wladimir Putin.
In einem bemerkenswerten Statement erklärte der US-Präsident, die Ukraine könne mit Unterstützung der Europäischen Union alle von Russland besetzten Gebiete zurückerobern.
Tomahawks und Barracudas im Gespräch
Neben der Geheimdienstkooperation erwägt die US-Regierung laut WSJ auch die Lieferung von Tomahawk- und Barracuda-Marschflugkörpern sowie weiteren in den USA hergestellten Boden- und Luftabwehrraketen an die Ukraine.
Die in den Quellen genannten Reichweiten variieren: Während das WSJ von rund 1.500 Meilen (ca. 2.400 km) für die Tomahawks spricht, nennt Reuters etwa 2.500 km oder 1.550 Meilen. Der Kyiv Independent schreibt von „bis zu 500 Meilen“ (rund 800 km) für Tomahawks und Barracudas. Eine Entscheidung über die Waffenlieferungen steht noch aus.
Fest steht hingegen, dass Washington kürzlich den Verkauf von Extended Range Attack Munitions an Kiew genehmigt hat – luftgestützte Raketen mit einer Reichweite von 150 bis 280 Meilen (ca. 240 bis 450 km).
Bisherige Beschränkungen fallen
Bislang hatte die Trump-Regierung den Einsatz der schlagkräftigsten US-Waffen durch die Ukraine begrenzt und die Weitergabe von Geheimdienstinformationen eingeschränkt.
So stoppte man neue Lieferungen der Army Tactical Missile Systems (ATACMS) und etablierte ein Pentagon-Prüfverfahren, das Kiew seit dem späten Frühjahr daran hinderte, die bereits gelieferten ATACMS mit einer Reichweite von rund 300 km gegen Ziele in Russland einzusetzen. Mindestens ein ukrainischer Antrag wurde abgelehnt. Diese Beschränkungen könnten nun auch fallen.
Wann genau die US-Geheimdienste mit der Informationsweitergabe beginnen, ist noch unklar. Laut einem Beamten warten die beteiligten Stellen auf schriftliche Anweisungen aus dem Weißen Haus, bevor die erforderlichen Daten übermittelt werden. Details zum Umfang und zur Art der Geheimdienstunterstützung wurden nicht genannt.
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Moskau alarmiert
Die Reaktionen aus Moskau ließen nicht lange auf sich warten. Der Kreml analysiere die US-Pläne „sorgfältig“, erklärte Sprecher Dmitri Peskow. Er warf zugleich die Frage auf, wer die Marschflugkörper abschießen und die Ziele festlegen werde.
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja betonte, „schnelle Lösungen“ des Konflikts funktionierten nicht. Außenminister Sergej Lawrow meinte laut Nebensja, selbst die Lieferung von Tomahawks werde „die Lage auf dem Schlachtfeld nicht ändern“.
Verbündete begrüßen Schritt
Ganz anders fiel das Echo bei den westlichen Partnern aus. Europäische Politiker begrüßten die Ankündigung Washingtons. Deutschland etwa hat bereits rund 350 Millionen US-Dollar in den Aufbau der industriellen Kapazitäten der Ukraine zur Herstellung von Tiefschlagwaffen investiert.
Brigadegeneral Joachim Kaschke, der die deutsche Militärhilfe für Kiew koordiniert, betonte laut WSJ die Notwendigkeit von Luftabwehr, Frontstabilisierung und der Fähigkeit zu Tiefschlägen. Um einem zahlenmäßig überlegenen Gegner standzuhalten, müssten die Versorgungslinien unterbrochen werden, so Kaschke.
Die Ausweitung der Militärhilfe ist eingebettet in eine Verschärfung der Energiesanktionen gegen Russland. Trump drängt die europäischen Länder, den Kauf von russischem Öl einzustellen, und koppelt dies an seine Zustimmung zu harten Strafmaßnahmen.
Die USA selbst verhängten zusätzliche Zölle auf Importe aus Indien, um Neu-Delhi zum Verzicht auf verbilligtes russisches Rohöl zu bewegen. Auch die Türkei setzt Washington unter Druck. Die G7-Finanzminister kündigten koordinierte Schritte an, um den Druck auf Käufer russischen Öls und auf Akteure, die Sanktionen umgehen, zu erhöhen.
Kiew entwickelt „Flamingo“-Rakete
Unterdessen treibt auch die Ukraine ihre Raketenprojekte voran. Laut Reuters hat Kiew mit der „Flamingo“ eine eigene Langstreckenwaffe entwickelt. Das System befinde sich aber noch in einer frühen Produktionsphase, die genauen Fähigkeiten und Stückzahlen seien unbekannt.
Fest steht: Die jüngste Kurskorrektur Washingtons dürfte Russland vor zusätzliche Herausforderungen stellen. Noch aber bleiben viele Fragen offen – von den konkreten Waffenlieferungen über den Startzeitpunkt der neuen Geheimdienstkooperation bis hin zur Reaktion Moskaus. Klar ist nur: Im Ukrainekrieg wird eine neue Eskalationsstufe gezündet.