So entspannt reagiert nicht jeder Pianist, wie Igor Levit in der Isarphilharmonie auf ein Handyklingeln: „Genau in der Tonart der Zugabe“. Und als es ein zweites Mal klingelt: „Gehen Sie ruhig ran, ich habe Zeit.“

Schubert, Schumann, Chopin: Ein ganz und gar romantischer Klavierabend war Levits Ziel, und er hatte sich dafür neben zwei großen bekannten Sonaten die vier Nachtstücke op. 23 von Robert Schumann ausgesucht. Sie werden selten gespielt, vielleicht weil sie so konträr und rhapsodisch frei sind. Gegenüber zwei großen Mittelsätzen, die „Markiert und lebhaft“ und „Mit großer Lebhaftigkeit“ zu spielen sind, geben sich die Ecksätze schlichter, so das vierte Stück („Einfach“), das eine zarte Melodie mit karger Begleitung bietet. Das gelang Levit genauso wie rauschende Akkordfolgen über Ostinati wie im vorletzten Stück.

Igor Levit in London

:Ein und dasselbe Stück, 840 Mal

Igor Levit spielt in London fast 13 Stunden ununterbrochen Klavier. Das Publikum sitzt vor ihm, neben ihm und hinter ihm. Über einen Tag wie in Trance.

SZ PlusVon Michael Neudecker

Begonnen hatte Igor Levit mit Franz Schuberts großer, letzter Sonate in B-Dur, deren Innerlichkeit aller Dramatik entgegensteht, von Levit mit großer Noblesse und Delikatesse gespielt, wie die Vortragsbezeichnung des Scherzos („con delicatezza“) lautet. Aber schon der Kopfsatz und das Andante sostenuto wollen in ihrer schwebenden Schlichtheit so gespielt werden, was Levit mit großem Einfühlungsvermögen ebenso gelang wie das Perpetuum mobile des Finales, in das plötzlich etwas Gewaltsames einbricht und das Thema in den Diskant hebt.

Frédéric Chopins dritte Sonate in h-Moll bildete das große Finale und den größten Kontrast zu Schubert, von Levit schon im Kopfsatz äußerst geschmeidig dargeboten, mit klarer Setzung der Melodie noch im größten Tumult. Traumhaft schön gespielt das zweite, innige Thema. Das Largo war nach kurzem, virtuosem Scherzo in stetem spannungsvollen Fluss, bevor das Finale perfekte Läufe gewaltigen Akkordfolgen gegenüberstellte oder sie durchdrang. Auch da war Levit hochpräzise und virtuos.

Dafür gab es großen Beifall und das Ges-Dur-Impromptu von Franz Schubert als lyrisch schwebende Zugabe.