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Stand: 02.10.2025 16:01 Uhr

Im Auftrag des russischen Militärgeheimdienstes GRU sollen 2024 Drohnenteile und mehrere SIM-Karten über Litauen und Polen nach Düsseldorf gebracht worden sein. Das berichtet die polnische Zeitung Wyborcza mit Bezug auf Sicherheitskreise.

Von Manuel Bewarder, WDR/NDR und Florian Flade, WDR

Einem Bericht der polnischen Zeitung Wyborcza zufolge soll ein in Polen lebender Ukrainer via Telegram damit beauftragt worden sein, in der litauischen Stadt Kaunas versteckte Drohnenteile auszugraben und diese nach Düsseldorf zu bringen. Diesen Auftrag soll er kurz darauf trotz einer Autopanne auch ausgeführt und die Teile nach Nordrhein-Westfalen geliefert haben. Die polnischen Behörden befürchten offenbar, dass mit den Drohnen möglicherweise Sprengstoffanschläge geplant waren.

Der Fall ist brisant, da es sich bei dem Kurier um einen der bereits Festgenommenen im sogenannten DHL-Fall handelt. Er soll im vergangenen Sommer mehrere Luftfracht-Pakete mit Brandsätzen transportiert haben, von denen einige später in Flammen aufgingen – unter anderem im Logistikzentrum von DHL in Leipzig.

Inwiefern deutsche Behörden in die Ermittlungen zu den mutmaßlichen Drohnen-Lieferungen eingebunden sind, ist noch unbekannt. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ermittelten deutsche Behörden im Zuge des DHL-Falls aber bereits im vergangenen August auch zu Bezügen nach Nordrhein-Westfalen.

Hintergrund noch unklar

Der Hintergrund des Auftrages zur Lieferung von Drohnen-Teilen ist dem Bericht zufolge für die Ermittlungsbehörden noch unklar. Demnach werde es aber für möglich gehalten, dass die Drohnenteile möglicherweise für Anschlagsvorbereitungen gedacht waren. Zu jener Zeit fand in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft mit mehreren Spielen auch in NRW statt.

Der gleiche Kurier wird offenbar verdächtigt, im Sommer 2024 auch kleine Dosen mit Sprengstoff von Litauen nach Polen transportiert und sie dort in einem Versteck deponiert zu haben. In Litauen sollen Ermittler dem Bericht zufolge in einem Versteck solchen Sprengstoff gefunden haben – abgefüllt in Maisdosen. Aus diesem Versteck soll der Verdächtige Dosen abgeholt haben. Ob diese mit Sprengstoff gefüllt waren, konnten die Ermittler nicht herausfinden.

Die polnischen Ermittler glauben laut Wyborcza, dass der Sprengstoff aus dem Versteck möglicherweise für Anschläge mit Drohnen vorgesehen war. An einem anderen Ort sollen die Ermittler Halterungen gefunden haben, mit denen Dosen genau dieser Größe an einer Drohne angebracht werden könnten. Mit SIM-Karten, wie sie nach Düsseldorf geliefert worden sein sollen, lassen sich Drohnen steuern.

Die Sprengkraft einer mit Sprengstoff gefüllten Dose würde jener von 1,4 Kilo TNT entsprechen, berichtet die Zeitung mit Bezug auf Experten. Eine solche Menge würde ausreichen, um etwa ein Auto schwer zu beschädigen. Die Dosen, die der Kurier nach Polen gebracht haben soll, sind offenbar bis heute nicht gefunden worden.

Beschuldigter bestreitet Vorwürfe

Angesichts der Tatsache, dass der Beschuldigte in Verdacht steht, an den DHL-Brandanschlägen beteiligt gewesen zu sein, nehmen die polnischen Ermittler die Hinweise sehr ernst. Eine Beteiligung hat der Verdächtige laut Medienberichten allerdings stets bestritten. So soll er in Vernehmungen unter anderem den Vorwurf zurückgewiesen haben, er sei für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig. Eine Anfrage an einen Anwalt, der den Verdächtigen zumindest in der Vergangenheit vertrat, blieb zunächst unbeantwortet. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ukrainer unter Verdacht

Im vergangenen Jahr waren europaweit an mehreren Standorten Brandsätze in Luftfracht versteckt gewesen – manche waren auch in Flammen aufgegangen. Eine Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hatte im Frühjahr bereits gezeigt, dass der russische Geheimdienst GRU sogenannte Wegwerf-Agenten eingesetzt haben soll.

Bei dem Kurier, der im vergangenen Sommer die Drohnenteile nach Düsseldorf gebracht haben soll, handelt es sich um einen damals 27-jährigen Ukrainer, der laut Ermittlern bei den DHL-Ermittlungen eine wichtige Rolle spielt. Der Ukrainer soll dem Bericht zufolge im Juli 2024 zunächst mit einem Auto von Polen nach Litauen gefahren sein. Dort habe man ihn aufgefordert, mehrere Pakete aus dem Kofferraum zu nehmen und die jeweiligen Zeitzünder zu aktivieren. Schließlich soll der junge Ukrainer die Pakete einem Litauer übergeben haben, der sie dann verschickte.

Verurteilung in einem anderen Fall

Wie Gerichtsdokumente, die NDR, WDR und Süddeutsche Zeitungen eingesehen haben, belegen, war der Mann im April 2023 in Polen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten wegen Geldwäsche und Cyberbetrugs verurteilt worden. Weil das Urteil im Sommer 2024 aber noch nicht rechtskräftig war, war er auf freiem Fuß.

Mann in Untersuchungshaft

Kurz nach den Brandanschlägen auf DHL war der Mann festgenommen worden und sitzt in Polen in Untersuchungshaft. Am Telefon erzählte seine Mutter im Frühjahr dieses Jahres dem Reporterteam, ihr Sohn habe in jenem Sommer wohl mehrere Aufträge angenommen. Aber „nichts Schlimmes“, soll er auf ihre Nachfrage versichert haben.

Aus deutschen Sicherheitskreisen heißt es, die neuen Erkenntnisse zu möglichem Schmuggel von Drohnenteilen nach Deutschland beruhten auf den Ermittlungsergebnissen in Polen. Das Bundeskriminalamt (BKA), das zu dem sogenannten „DHL-Plot“ eigene Ermittlungen führt, soll informiert worden sein.