Buchhändlerin gestorben: Das „Buch und Spiel“ in Stuttgart war ihr Leben – Trauer um Marie-Luise Zeuch Marie-Luise Zeuch in ihrem Laden – am vergangenen Dienstag ist sie überraschend gestorben. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die meisten Familien im Stuttgarter Westen dürften Marie-Luise Zeuch gekannt haben. Wenige Tage vor Schließung ihres Ladens ist sie nun überraschend gestorben.

Viele ihrer kleinen oder auch großen „Leseratten“, wie sie sie liebevoll genannt hat, haben in den vergangenen Tagen bei „Buch und Spiel“ vorbeigesehen, um sich zu verabschieden. Darunter war auch eine angehende Studentin, die Marie-Luise Zeuch schon kannte, als sie ein Baby war. Bevor die junge Frau nach Hamburg zieht, wollte sie noch einmal vorbeischauen, um Danke zu sagen. Von anderen wusste Marie-Luise Zeuch, dass sie noch vorbeikommen würden in den nächsten Tagen.

Das erzählte die Stuttgarterin, die in Nordhessen geboren wurde, bei einem Gespräch anlässlich der Schließung ihres Ladens, der nicht nur ihr so sehr am Herzen lag. Aus Altersgründen hatte sich Marie-Luise Zeuch entschieden, den Buch- und Spielwarenladen nach 21 Jahren aufzugeben. Der Ausverkauf lief, der 18. Oktober sollte der letzte Tag sein, an dem Marie-Luise Zeuch den Laden aufmachen wollte. Doch nun obliegt ihren geschätzten Mitarbeiterinnen diese Aufgabe. Marie-Luise Zeuch ist überraschend am 30. September eines natürlichen Todes gestorben.

Kunden haben Blumen vorbei gebracht

Nun liegt ein Kondolenzbuch aus im Laden. „Du warst immer nett zu mir“, hat ein Kind zum Beispiel reingeschrieben. Schon die Nachricht, dass „Buch und Spiel“ schließe, sei für die Familien traurig gewesen. Nun seien viele geschockt und die Trauer groß. Kunden hätten Blumen vorbeigebracht, berichtet die Mitarbeiterin Beatrix von Deym. Wie oft hat sie das Lob von Kundenseite gehört, dass Marie-Luise Zeuch ihnen „genau das richtige Buch“ empfohlen habe. Weil sie die Menschen so gut lesen konnte. „Wir vermissen sie“, sagt Beatrix von Deym.

Marie-Luise Zeuch war keine gelernte Buchhändlerin. Die studierte Germanistin, ehemalige Lektorin und Verlagsleiterin war in den Beruf „hineingewachsen“, wie sie selbst im Gespräch sagte. Sie war mit dem Laden zunächst 14 Jahre am Vogelsang in der Bauernmarkthalle beheimatet. Als alle Mieter rausmussten, ging es – für sie ein großes Glück – in der Rotenwaldstraße in der ehemaligen Kirche St. Stefan weiter. Diese war zuvor profaniert, also entweiht, worden. Der Altar verblieb im Raum, das Kreuz ebenfalls. Marie-Luise Zeuch liebte das Licht, das die bunten Kirchenfenster werfen. Am schönsten sei es immer im Frühling gewesen, meinte sie. Die so angenehm ruhige Atmosphäre im Laden führte sie auch auf diesen besonderen Ort zurück. Zur Kirchengemeinde hielt sie engen Kontakt, auch zum benachbarten Kindergarten.

Für Familien im Westen eine Institution

„Buch und Spiel“ sei ihr Lebenswerk gewesen, sagt Beatrix von Deym über ihre Chefin. Sie hat den Laden zu einem Ort der Begegnung gemacht, an dem gemeinsam gespielt wurde, in dem Konzerte stattfanden. Für Familien im Westen war er eine Institution. Über ihre „tollen Kunden“ sprach Marie-Luise Zeuch selbst mit Wärme. Diese hätten ihr Sortiment immer zu schätzen gewusst – Prinzessin Lillifee und Käpt’n Sharky fanden darin aus Überzeugung keinen Platz. Ihre Kunden hätten auch „schwierige Texten und komplexe Zusammenhänge erfahren wollen“, freute sie sich. Mit einem Lächeln erzählte sie von den „vielen Leseratten“, die sie über viele Jahre habe groß werden sehen und begleiten dürfen. Wie die 16-Jährige, die nun bei den Klassikern angekommen sei.

Der Laden hat eine einzigartige Atmosphäre. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Schade fand sie aber, dass es heute „zu wenig gute Bücher“ für junge Leser gebe. Es fehle vor allem an einem guten Angebot für Jungen. „Mehr historische Geschichten“, „nicht nur Agentengeschichten“, das empfahl sie den Verlagen für die Zielgruppe.

Zum Lesen zwingen sollte man sein Kind nicht, riet sie Eltern

Eltern riet sie in dem Gespräch, früh mit Bilderbüchern anzufangen, viel vorzulesen. Denn wenn die Kinder diese Zeit als schön empfänden, nähmen sie später auch selbst gerne ein Buch in die Hand. Zum Lesen zwingen sollte man sie allerdings nicht. Dafür plädierte sie für Strenge beim Smartphone. „Ich glaube, dass Eltern ihren Kindern ein großes Geschenk machen, wenn sie sich den Auseinandersetzungen stellen, damit das Gerät so wenig wie möglich zum Einsatz kommt“, sagte sie. Je früher die Kinder ein Smartphone hätten, „umso weniger sind sie erreichbar“.

Marie-Luise Zeuch und Beatrix von Deym haben am Dienstagabend noch gemeinsam gelacht, bevor sie nach Hause gingen. Ein schöner Abschied. Die Mitarbeiterin und ihre Kollegin Karin Schneider halten an dem ursprünglichen Zeitplan fest, bis einschließlich 18. Oktober in der Rotenwaldstraße 98 geöffnet zu haben. So lange läuft der Ausverkauf.