Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, begrüßt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Kopenhagen am 2. Oktober 2025 [Photo: Suzanne Plunkett/Pool Photo via AP]

Die vergangenen beiden Tage bilden einen neuen Höhepunkt der europäischen und transatlantischen Kriegseskalation gegen Russland. Am Mittwoch und Donnerstag fanden in Kopenhagen gleich zwei hochrangige Treffen statt: Zunächst das informelle Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs, gefolgt vom Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) mit mehr als 40 europäischen Staaten.

Beide Treffen machten deutlich, dass die europäischen Mächte den Krieg gegen Russland unter allen Umständen weiter eskalieren wollen. Im Mittelpunkt standen der Aufbau eines gesamteuropäischen „Drohnenwalls“ gegen Russland, die Verwendung eingefrorener russischer Zentralbankvermögen für Waffen und Munition sowie eine noch engere militärische Abstimmung. Begleitet wurden die Treffen von der Ankündigung Washingtons, die Ukraine künftig mit weitreichenden Tomahawk-Marschflugkörpern auszustatten – eine Entscheidung, die eine direkte Konfrontation zwischen den USA, der NATO und Russland bedeuten würde.

Beim Treffen der EPG am Donnerstag trat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich auf und verbreitete die zentrale Kriegspropaganda: Russland bedrohe nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa.

„Wenn es die Russen wagen, Drohnen gegen Polen einzusetzen oder den Luftraum nordeuropäischer Länder zu verletzen, dann kann das überall passieren“, warnte Selenskyj. Damit knüpfte er direkt an die Äußerungen führender europäischer Politiker an, die den angeblichen Überflug russischer Drohnen über Dänemark und andere Länder zum Anlass nahmen, die europäische Aufrüstung und Kriegsvorbereitung gegen Russland massiv auszuweiten.

„Die Drohnen in Kopenhagen unterstreichen, wie schwierig die Sicherheitslage ist“, erklärte Finnlands Regierungschef Petteri Orpo. Europa befinde sich in einem „hybriden Krieg“ mit Russland. Ähnlich äußerte sich die lettische Ministerpräsidentin Evika Silina: „Die Drohnen fliegen nicht mehr nur über der Ukraine. Plötzlich kommen sie sogar bis nach Dänemark.“

Litauens Präsident Gitanas Nausėda warnte vor „erheblichen Lücken“ bei der Erkennung und Abwehr von Drohnen und forderte massive Investitionen in die europäische Luftabwehr. Dokumente allein, so Nausėda, „verteidigen nicht. Wir brauchen Taten.“

Die Gastgeberin, Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, forderte ein radikales Tempo bei der Militarisierung Europas. „Ich würde sagen, wir müssen bis 2030 in der Lage sein, uns vollständig selbst zu verteidigen“, erklärte sie. Gemeint ist der Aufbau einer eigenständigen europäischen Militärmacht, die sowohl gegen Russland als auch unabhängig von den USA operieren kann.

Frederiksens Worte bringen die Agenda der europäischen Regierungen auf den Punkt: sie rüsten den Kontinent in atemberaubendem Tempo hoch. Und mit der permanenten Stationierung von NATO-Kampftruppen in Osteuropa, der Vorbereitung von Interventionstruppen in der Ukraine, dem nun geplanten „Drohnenwall“ entlang der Ostflanke und der Forderung, russische Jets bei Verletzung des europäischen Luftraums abzuschießen, wird der Kontinent Schritt für Schritt in den Kriegszustand versetzt.

Bereits am Mittwoch hatten die EU-Staats- und Regierungschefs den Plan eines gesamteuropäischen „Drohnenwalls“ bekräftigt. Angesichts der massenhaften Drohneneinsätze im Ukrainekrieg soll eine gemeinsame Abwehrlinie entlang der NATO-Ostflanke aufgebaut werden.

Deutschland treibt diese Entwicklung besonders aggressiv voran. Generalinspekteur Carsten Breuer kündigte wenige Tage vor dem Gipfel an, die Bundeswehr werde noch 2025 sogenannte Loitering Munition – Kamikazedrohnen – einsatzbereit machen. „Am Ende wird es darauf hinauslaufen müssen, dass wir Drohnen gegen Drohnen einsetzen“, sagte er.

Auch der neue und für seine Verbindungen zu ukrainischen Neonazis berüchtigte Inspekteur des deutschen Heeres, Christian Freuding, kündigte an, den Drohnen- und Luftkrieg zu eskalieren. „Wir werden wieder eine Heeresflugabwehrtruppe haben“, verkündete er in seinem ersten Tagesbefehl. Die Zeit dränge, denn „der Feind wartet nicht auf unsere ‚Fertig‘-Meldung.“

Schon die Rhetorik unterstreicht, dass es Berlin und Brüssel nicht um „Verteidigung“ geht, sondern um die aktive Vorbereitung eines umfassenden Kriegs gegen den „Feind“ Russland. Die reaktionäre Invasion des Kremls in die Ukraine ändert nichts daran, dass die NATO-Mächte den Konflikt systematisch provoziert haben. Und nun schlägt ihre langjährige Politik der militärischen Einkreisung Russlands und Kriegsunterstützung für Kiew in offene Kriegsintervention und imperialistische Raubpolitik um.

Ein weiteres zentrales Thema des Gipfels war die geplante Verwendung des eingefrorenen russischen Zentralbankvermögens. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bereits wenige Tage zuvor in einem Gastbeitrag für die Financial Times gefordert, diese Gelder für die Finanzierung der Ukraine einzusetzen. „Wir müssen die Kosten von Russlands Aggression systematisch und massiv erhöhen“, schrieb er.

Die EU vollzieht damit einen beispiellosen Bruch des internationalen Finanzrechts. Russische Reserven im Wert von mehr als 270 Milliarden Euro wurden nach Kriegsbeginn eingefroren. Sie nun für Waffenlieferungen an die Ukraine zu veruntreuen, wäre nicht nur eine massive Eskalation gegenüber Moskau, sondern auch ein Signal an alle Staaten weltweit: Eigentum und Reserven sind nicht sicher, wenn sie den Interessen der imperialistischen Mächte widersprechen.

„Wir sprechen hier über Pläne zur illegalen Beschlagnahmung von russischem Eigentum. Auf Russisch nennen wir das einfach Diebstahl“, erklärte der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow und drohte mit Konsequenzen.

Doch das wird die europäischen Regierungen nicht stoppen. Sie werden das gestohlene Geld nutzen, um die Ukraine weiter bis an die Zähne mit Panzern, Raketen und Drohnen zu bewaffnen. Ein aktueller Vorschlag sieht ein 140-Milliarden-Euro-Programm für Waffen und Munition vor, das teilweise aus diesen Mitteln bestritten werden soll. „Es gibt eine sehr große Übereinstimmung in der Europäischen Union, diesen Weg zu gehen. Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen“, erklärte Merz. Er rechne damit, dass beim kommenden EU-Gipfel in drei Wochen eine Entscheidung fallen werde.

Parallel zu den europäischen Gipfeln verkündete Washington einen Schritt, der die Kriegsgefahr dramatisch erhöht: Die USA wollen der Ukraine Tomahawk-Marschflugkörper liefern. Diese Waffen besitzen eine Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern – ausreichend, um Moskau oder andere russische Großstädte zu treffen.

Die Lieferung solcher Systeme würde eine direkte Beteiligung von US-Soldaten erfordern, da die Steuerung hochkomplex ist. Damit wäre die Grenze zwischen „indirekter Unterstützung“ und direkter Kriegsführung überschritten.

Russland hat bereits unmissverständlich gewarnt: Sollte die Ukraine mit Hilfe solcher Waffen russisches Territorium angreifen, werde Moskau militärische Ziele in NATO-Staaten ins Visier nehmen. Die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation und sogar eines vernichtenden nuklearen Schlagabtauschs erhöht sich damit enorm.

Bereits jetzt gehen die imperialistischen Mächte militärisch gegen russische Schiffe vor. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte in Kopenhagen ein koordiniertes Vorgehen gegen die sogenannte russische „Schattenflotte“ an – Tanker, die russisches Öl trotz Sanktionen weltweit transportieren.

Am vergangenen Wochenende hatte die französische Marine bereits einen Öltanker vor der eigenen Küste festgesetzt. Nun wurden zwei Besatzungsmitglieder verhaftet. „Das illustriert genau diese Politik“, erklärte Macron. In den kommenden Tagen sollen die Generalstabschefs der „Koalition der Willigen“ zusammentreten, um weitere Maßnahmen gegen die russische Flotte abzustimmen.

David North

30 Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990–2020

Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.

Vor allem der deutsche Imperialismus stellt sich an die Spitze der Kriegsoffensive gegen Russland und nutzt die Eskalation, um seine historische Rolle als führende Militärmacht Europas wiederherzustellen. Wie martialisch er dabei wieder auftritt, zeigte die Präsenz der deutschen Kriegsmarine in Kopenhagen. So sicherte die Fregatte Hamburg, ausgestattet mit Flugabwehrtechnik und entsprechenden Aufklärungssystemen, den Gipfel ab.

Mit seiner aktuellen Aufrüstungs- und Großmachtambitionen knüpft Berlin an die Kriegsziele des deutschen Imperialismus im Ersten und Zweiten Weltkrieg an: die Beherrschung Osteuropas, die Kontrolle über die Ukraine und letztlich die Unterwerfung Russlands.

Laut Regierungsplänen sind allein für die nächsten 15 Monate Rüstungsausgaben von über 80 Milliarden Euro vorgesehen. Insgesamt umfasst die Liste 154 Großprojekte: neue Radpanzer, Kampfdrohnen, Luftabwehrsysteme, Kriegsschiffe und U-Boote.

Noch gigantischer sind die mittelfristigen Rüstungspläne: sie sehen aktuell mehr als 350 Milliarden Euro allein für Rüstungsvorhaben in den nächsten 15 Jahren vor. Zusammengenommen belaufen sich die mit den Stimmen von Grünen und Linkspartei im Bundesrat verabschiedeten Kriegskredite auf über eine Billion Euro.

Die Rückkehr Deutschlands und Europas zum eingeschränkten Militarismus ist nicht einfach eine größenwahnsinnige und verrückte Politik, sie hat tiefe objektive Ursachen. Sie ist Ausdruck einer historischen Krise des Weltkapitalismus.

Zum einen eskalieren die geostrategischen Konflikte: die USA bereiten sich auf eine Konfrontation mit China vor, bauen ihre Dominanz im Nahen Osten aus und drängen die europäischen Mächte, die Hauptlast des Kriegs gegen Russland zu tragen. Zum anderen steckt der europäische genauso wie der US-amerikanische Kapitalismus in einer tiefen sozialen und politischen Krise.

Wie in den 1930er Jahren mit der Machtübergabe an Hitler und die Nazis reagiert die herrschende Klasse auf beiden Seiten des Atlantiks nicht mit Reformen, sondern mit Krieg, Aufrüstung und Faschismus. In den USA mobilisiert der faschistische Präsident Donald Trump das Militär gegen die wachsende Opposition der Bevölkerung und in Deutschland sprechen Figuren wie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) offen von der Notwendigkeit, die Gesellschaft „kriegstüchtig“ zu machen.

Doch die gleichen Widersprüche, die erneut die Übel von Diktatur, Faschismus und Weltkrieg heraufbeschwören, schaffen auch die objektive Grundlage, sie ein für alle Mal durch die soziale Revolution zu überwinden.

Die gigantischen Summen für Aufrüstung und Krieg gehen einher mit brutalen Kürzungen im sozialen Bereich, mit Angriffen auf Löhne, Renten und öffentliche Dienstleistungen. Die Gipfel in Kopenhagen fanden zeitgleich mit neuen Protesten und Streiks in mehreren europäischen Ländern statt. Am Mittwoch ereignete sich ein Generalstreik in Griechenland und am Donnerstag protestierten Hunderttausende in Frankreich gegen Macrons Kürzungs- und Aufrüstungspläne. Dies ist nur ein Vorgeschmack auf die kommende soziale Explosion.

Diese Opposition muss die Kontrolle der pro-kapitalistischen gewerkschaftlichen Apparate durchbrechen und auf politischer Ebene entwickelt werden. Um ihre sozialen und demokratischen Rechte zu verteidigen, brauchen Arbeiter ihre eigenen Kampforganisationen – unabhängige Aktionskomitees – und eine klare internationale sozialistische Perspektive, die den Kampf gegen den Krieg mit dem Kampf gegen seine Wurzel – den Kapitalismus – verbindet. Dafür kämpfen die Sozialistischen Gleichheitsparteien und das Internationale Komitee der Vierten der Internationale.

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