Wie Schatzkisten von einer fernen Schatzinsel sehen sie aus. Die drei mächtigen Holzkisten, die den Besucher der Ausstellung „Missionssammlungen ausgepackt“ im Rautenstrauch-Joest-Museum empfangen. In diesen Kisten verschifften Missionare einst Kulturgüter aus aller Welt in die Heimat. Das Bochumer Centrum für Religionswissenschaftliche Studien hat bei Missionsgemeinschaften nachgefragt und über 2tausend Objekte gesichtet – von geschätzt über 30tausend allein in NRW, die zum Teil auf Speichern von Ordensgemeinschaften stehen.
„Es gab Sammlungen, die gar nicht als solche wahrgenommen wurden, weil es Souvenirs waren, und irgendwo im Verborgenen in Kartons lagerten“, erklärt Dr. Oliver Lueb. Er ist Projektleiter im Rautenstrauch-Joest-Museum. In NRW waren es nur die Franziskaner in Werl und die Steyler in St. Augustin, die ihre Sammlungen in Missionsmuseen der Öffentlichkeit zeigten.
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Ausgewählte Kulturschätze, die Missionare einst nach NRW mitbrachten, sind jetzt im Rautenstrauch-Joest-Museum zum ersten Mal zu sehen. Und man reibt sich die Augen, wenn man bei einem peruanischen Wegekreuz genau hinschaut. Das Leiden Christi ist dort abgebildet und gleichwertig daneben das Sterben des letzten Inkakönigs Amaru. Man staunt auch über eine handgeschnitzte Madonna, die einen Jesus auf dem Arm hat, der einem kleinen Buddha sehr ähnlich sieht. Dr. Lueb findet, dass diese, wie er sagt, „hybriden Objekte“ zu den spannendsten Kunstwerken der Ausstellung gehören. „Ein bekanntes Motiv aus der jeweiligen Kultur wurde mit einer christlichen Geschichte aufgeladen“, erklärt er, „zwei Bildwelten wurden da miteinander verbunden“. Das heißt die Missionare nutzen die Bildwelten der jeweiligen Kulturen für die Missionierung zum Christentum.
Warum aber haben Missionare überhaupt exotische Kulturschätze gesammelt und nach NRW verschifft? „Zum einen war es Neugierde“, erklärt Dr. Lueb, „die Missionare schickten Souvenirs nach Hause, weil sie selbst gar nicht mehr selbst nach Hause kamen. Zum anderen gab es von den Missionsorden genauere Aufträge, was gesammelt werden sollte, um damit in Deutschland Werbung für die Mission zu machen, um neues Personal zu gewinnen oder um Geld für die Mission zu sammeln“. Denn Missionare, so war man überzeugt, taten Gutes, indem sie fremden Kulturen das Licht des Christentums brachten. Dass man dabei den Kulturen ihre eigene Identität raubte, spielte damals keine Rolle.
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Obwohl die Ausstellung keine Ausstellung über Mission ist, wird nicht verschwiegen, dass die Missionierung eng verknüpft war mit dem europäischen Kolonialismus und damit mit Sklaverei, Gewalt, Ausbeutung und Unterwerfung vieler Völker in aller Welt. Auch läßt sich die genaue Herkunft besonders der Objekte aus älteren Zeiten kaum noch rekonstruieren. In einer Vitrine sind zahlreiche fernöstliche Gottheiten ausgestellt. Auf einem Beipackzettel kann man lesen, dass vollkommen unklar ist, woher sie genau aus Fernost stammen.
„Missionssammlungen sind ein großer Teil unserer Geschichte“, ist Dr. Lueb überzeugt, „wir zeigen in der Ausstellung auch unsere Verbundenheit in NRW mit den Menschen von früher und den Menschen aus aller Welt, und wie die Kontexte waren, warum die Objekte jetzt hier ins Museum gekommen sind.“ Den Blick in die Welt, den Blick auf andere Kulturen wolle man weiten. Das sei auch ein Grund, warum diese Sonderausstellung im Haus der Kulturen gezeigt werde.
Wie sehr sich Mission im Lauf der Zeit geändert hat und was Mission heute sein kann, zeigt das Beispiel eines nachgebauten Kulthauses in der Dauerausstellung des Museums. Anhand von sieben markierten Beispielobjekten wird in der Dauerausstellung an das Thema „Missionssammlungen“ angeknüpft. Das Kulthaus, ein sogenanntes „Männerhaus“, stammt aus einer Region Indonesiens. Nachdem Indonesien unabhängig geworden war, wollte die neue Regierung, alle Kulthäuser zerstören, weil sie den Verdacht hatten, dass sich dort Revolutionäre treffen könnten. Dem katholischen Bischof Alphonsus Augustus Sowada gelang es damals durch geschicktes Verhandeln, eines dieser Ritualorte als wichtiges Zeugnis der einheimischen Kultur zu retten.