Am Sonntag wurden erneut UN-Sanktionen gegen den Iran wegen seines Atomprogramms verhängt, wodurch das iranische Regime in eine komplexe Krise gerät.

Die als E3 bekannten europäischen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien aktivierten den im Atomabkommen von 2015 enthaltenen Snapback-Mechanismus, weil sie Teheran vorwerfen, seinen Verpflichtungen aus der offiziell Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) genannten Vereinbarung nicht nachzukommen. Die Zwangsmaßnahmen wurden verhängt, nachdem die Verhandlungen zwischen dem Westen und dem Iran ins Stocken geraten waren und der Sicherheitsrat am vergangenen Freitag gegen eine Verlängerung des Atomabkommens gestimmt hatte.

Die Sanktionen richten sich gegen Unternehmen, Organisationen und Personen, die direkt oder indirekt zum iranischen Atomprogramm oder zur Entwicklung ballistischer Raketen beitragen. In deren Rahmen sind die Einfuhr, Ausfuhr oder Weitergabe von Komponenten oder Technologien im Zusammenhang mit dem Atom- und Raketenprogramm verboten. Die Maßnahmen sehen auch das Einfrieren der Vermögenswerte von iranischen Unternehmen und Personen im Ausland vor, die mit dem Atomprogramm in Verbindung stehen. Außerdem werden besagten Personen die Einreise in andere UNO-Mitgliedstaaten untersagt.

Die Vereinigten Staaten, die in Donald Trumps erster Amtszeit aus dem Atomabkommen ausgestiegen waren, hatten zuvor ihre eigenen Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt, darunter ein Verbot für andere Länder, iranisches Öl zu kaufen.

Der Iran reagierte auf die neuen Sanktionen, die das Regime als »unverantwortliches« Handeln bezeichnete, mit der Rückberufung seiner Botschafter aus London, Paris und Berlin. Darüber hinaus gab Teheran seine Ablehnung der Aktivierung des Snapback-Mechanismus bekannt.

Nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) ist der Iran das einzige Nicht-Atomwaffenland der Welt, das Uran auf den hohen Grad von sechzig Prozent anreichert, der nahe an der technischen Grenze von neunzig Prozent liegt, die für die Herstellung einer Atombombe erforderlich ist. Obwohl es keinerlei zivilen Nutzen für derart hochangereichertes Uran gibt, bestreitet Teheran jedoch jegliche militärischen Ambitionen und beharrt auf seinem Recht, Kernenergie für zivile Zwecke, insbesondere der Stromerzeugung, zu nutzen.

Nach Angaben der IAEO verfügt der Iran über etwa 440 Kilogramm auf sechzig Prozent angereichertes Uran – eine Menge, die nach Ansicht europäischer Experten ausreicht, um acht bis zehn Atombomben herzustellen, wenn es auf neunzig Grad angereichert wird.

Auswirkungen der Sanktionen

Der Iran fürchtet die UN-Sanktionen, weil sie Teheran in eine schwache rechtliche Position bringen, die auch »einen neuen israelischen Angriff rechtfertigen könnte«, so Thierry Coville, Forscher am auf iranische Angelegenheiten spezialisierten Institut für internationale und strategische Beziehungen (IRIS). »Der Iran leidet bereits unter Krisen wie Wasser- und Stromknappheit, während die Zukunft des Waffenstillstands mit Israel ungewiss ist. Wenn zu diesen alltäglichen Problemen noch die UN-Sanktionen hinzukommen, wird sich die Lage zweifellos weiter verschlechtern, was die Befürchtung aufkommen lässt, dass das Land in eine ausgewachsene Krise geraten könnte.«

Der Iran-Experte Nabil Al-Atoum sagte gegenüber dem saudischen TV-Sender Al-Sharq, der Iran könne es sich nicht leisten, »sich mit einer Politik der nuklearen Risikostrategie der internationalen Gemeinschaft zu widersetzen, da die Sanktionen die Schlinge um eine fragile Wirtschaft, die ohnehin schon unter einer zusammenbrechenden Währung und steigender Inflation leidet, erneut enger gezogen haben«. Bereits jetzt leben mehr als vierzig Millionen Iraner unterhalb der Armutsgrenze, was die Wahrscheinlichkeit von Protesten der Bevölkerung erhöht.

Al-Atoums Analyse deckt sich mit den Ansichten vieler aus der iranischen Elite. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte einen nicht namentlich genannten Funktionär mit den Worten: »Das klerikale Establishment befindet sich in einer Zwickmühle. Die Existenz der Islamischen Republik ist in Gefahr … Unser Volk kann keinen weiteren wirtschaftlichen Druck und keinen weiteren Krieg mehr ertragen.«

Ein anderer hoher Beamter erklärte, dass zu den Faktoren, die diesen Druck noch verstärken, die wachsende Besorgnis in Teheran über die Möglichkeit erneuter israelischer Angriffe auf iranische Nuklearstandorte gehört, falls die Nukleardiplomatie mit dem Westen keine Früchte trägt. Darüber hinaus sei die klerikale Führung zunehmend besorgt ist, dass die wachsende Wut der Bevölkerung über die wirtschaftliche Notlage zu Massenprotesten eskalieren könnte, die »ihr Ansehen auf internationaler Ebene weiter schädigen würden«.