Die spanische Bar Gilda Haus wirft einer Stuttgarter Bar eine Verletzung des Urheberrechts vor. Die Betreiberinnen erreichten sogar Solidaritätsbekundungen aus Stuttgart.
Jeder kennt das berühmte Telekom-Magenta – diese knallige Farbe, die man sofort mit Handyverträgen und Werbespots mit übertrieben fröhlichen Menschen verbindet. 1995 hat die Telekom den Farbton RAL 4010 Magenta als konturlose Farbmarke für Telekommunikationswaren und -Dienstleistungen beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen. Warum ist die Farbe geschützt? Weil die Telekom irgendwann festgestellt hat, dass sie mit diesem Farbton einen wahnsinnigen Wiedererkennungswert hat.
David Hockney malt Bilder, die Telekom sichert sich Magenta
Bei speziellen Farbkonzepten und Interiordesign ist die rechtliche Lage nicht so eindeutig wie etwa bei einem Logo oder einem urheberrechtlich geschützten Kunstwerk. Ein bloßes Farbkonzept oder ein gewöhnliches Interieur fällt oft nicht darunter. Außer, wenn ein Architekt, Designer oder Künstler ein sehr individuelles, originelles Raumkonzept entworfen hat, kann dieses urheberrechtlich geschützt sein. Würde man unter diesen Gesichtspunkten kopieren, wäre es eine Urheberrechtsverletzung, so die deutsche Rechtssetzung.
Bar-Betreiberin aus Madrid: „Fühlte mich wie vergewaltigt“ Die Bar Gilda Haus verwandelt sich nahtlos von einer gemütlichen Cocktailbar in einen lebhaften Treffpunkt. Foto: Gilda Haus
Genau um diese Prüfung geht es nun Cristina Bonaga. Die spanische Gastronomin betreibt das Gilda Haus, eine Mischung aus Bar und Bistro im Szeneviertel Chueca in Madrid. Durch Zufall hatte sie im Frühjahr dieses Jahres von einem Design-Zwilling in Deutschland erfahren. Ein Gast hatte Cristina Bonaga und ihrer Geschäftspartnerin Yajaira Malavé den Instagram-Account einer Stuttgarter Bar vorgelegt, der die beiden Spanierinnen sprachlos und wütend zugleich machte. Die damals neu eröffnete Stuttgarter Bar, 1376,6 Kilometer Luftlinie entfernt von der spanischen Hauptstadt, sieht nämlich fast genau so aus wie ihr Lokal, das im Dezember 2023 eröffnet und sogar in der spanischen Vogue vorgestellt wurde.
Cristina Bonaga war damals wie versteinert. „Ich fühlte mich wie vergewaltigt“, schildert sie in drastischen Worten ihre Empfindungen. „Neben dem Farbkonzept, den Texturen, dem DJ-Booth und den Lampen haben sie sogar die Bar aus Stahl und Kristallen eins zu eins kopiert“, so die spanische Gastronomieunternehmerin, die mehrere Lokale in Madrid betreibt. Bonaga war fassungslos, kontaktierte die Bar, unsere Zeitung und machte ihrem Ärger auf Soical Media Luft. Sie forderte eine Stellungnahme – und Konsequenzen. „Es ist ok, wenn man sich Inspiration sucht, aber gleich eine ganze Bar zu kopieren, geht einfach zu weit.“
Kein echter Austausch mit Betreibern der Bar in Stuttgart?
Nun sind Monate seit ihrer Entdeckung vergangen. Die Betreiber der Bar haben sich weder bei Bonaga und ihrer Geschäftspartnerin entschuldigt, sondern die beiden auf allen Kanälen blockiert. Die Kommunikation der Stuttgarter Bar wurde dahingehend gedeutet, dass sie plötzlich die Opfer wären, fasst Bonaga die Eskalation nach ihrer Entdeckung zusammen. Einen richtigen Austausch gab es seither nicht mehr. Bonagas Fazit? „Wir sind mit mehreren Anwälten im Gespräch“, so die Gastronomin, die vier Jahre lang in Berlin gewohnt und einen Erasmus-Aufenthalt in Hannover verbracht hat. „Wir möchten nun einfach abklären, was nach deutschem Recht möglich wäre.“
Bonaga hat sich informiert: Ein Interiordesign kann urheberrechtlich als Werk der angewandten Kunst anerkannt werden, wenn es genügend kreative Eigenleistung zeigt und ausgezeichnet wurde. Ihr Gilda Haus hat bis auf eine Auszeichnung des Frame Magazines, ein internationales Magazin, das herausragende Leistungen in den Bereichen Innenarchitektur und Produktdesign würdigt, bisher noch keine offiziellen Design- oder Gastronomiepreise gewonnen. Allerdings hat die Bar in Fachkreisen und Medien großes Lob für ihr innovatives Konzept und Design erhalten. Wie geht es nun weiter? „Wir prüfen, was möglich ist, und werden dann gegebenfalls weitere Schritte einleiten“, so Bonaga.
Positive Nachrichten aus Stuttgart
Ganz unverhofft erfuhren Cristina Bonaga und ihre Geschäftspartnerin Yajaira Malavé in der Krise Rückhalt und positives Feedback, das die beiden Frauen stärkte. „Wir haben total viele liebe und aufmunternde Nachrichten aus Stuttgart bekommen – sogar von anderen Gastronomen und Unternehmern, die uns für unseren Mut gelobt haben – das hat richtig gut getan“, so die Spanierin. Momentan wird die originale Bar Gilda Haus aufwendig renoviert. Im Oktober soll es wieder frisch losgehen im Szeneviertel Chueca.