Als ich vor Jahren als Gastredakteur bei der Londoner Times arbeitete, fiel mir auf, wie stark sich viele Briten vom europäischen Kontinent abgrenzten. Ob Fußball oder Wirtschaft: Immer wieder diente der „Blitz“, die deutschen Bombenangriffe auf London im Zweiten Weltkrieg, als Analogie. Er stand weniger für historische Analyse als für ein Symbol britischer Standhaftigkeit und eigener Identität innerhalb der englischsprachigen Welt.

Genau dieses Selbstbild griffen die Brexiteers auf, als sie beim EU-Austritt neue wirtschaftliche Freiheiten versprachen – gemeint war vor allem mehr Handel mit den USA. Doch die Vereinigten Staaten wollen unter Präsident Donald Trump keine Partnerschaften eingehen, sie wollen Abhängigkeit. Das zeigte sich dieser Tage: Trump hat gerade seinen zweiten Staatsbesuch in London absolviert – inklusive pompösem Staatsbankett bei König Charles. Für die Amerikaner war vor allem eines wichtig: US-Konzernen Zugang zum britischen Markt zu geben.

US-Investitionen von 170 Milliarden Euro

Trump, der selbst gerne Monarch wäre, hatte in seinem Schlepptau die CEOs großer US-Konzerne, darunter Nvidia-Chef Jensen Huang und Sam Altman von OpenAI. Sie sollen der stagnierenden britischen Wirtschaft auf die Beine helfen, für den britischen Premier Keith Starmer derzeit ein Hauptanliegen. Im Gegenzug dürfen die Amerikaner die britische KI-Infrastruktur aufbauen. Insgesamt sagten die US-Tech- und Finanzkonzerne Investitionen von mehr als 170 Milliarden Euro zu. Ein Auszug: 

  • Der US-Finanzinvestor Blackrock will circa 115 Milliarden Euro innerhalb der nächsten Dekade in Großbritannien investieren.
  • Der Softwarekonzern Palantir investiert bis zu 1,7 Milliarden Euro.
  • Microsoft will 25 Milliarden Euro in die KI-Infrastruktur auf der Insel stecken.
  • Nvidia kündigte Investitionen von mehr als 12 Milliarden Euro in britische Rechenzentren an, darunter 120.000 Hochleistungs-GPUs.
  • Google will knapp 5,8 Milliarden Euro investieren. 
  • Nvidia investiert knapp 570 Millionen Euro in das britische KI-Startup Nscale. Zusammen mit OpenAI und Microsoft soll dieses neue KI-Technologien entwickeln und den größten Supercomputer des Landes bauen.

Britische Regierung hofft auf neue Jobs

Die kriselnde britische Regierung kann positive Nachrichten gut gebrauchen und stellt in ihrer Kommunikation die neu entstehenden Jobs in den Mittelpunkt. Eine Rolle spielt auch die Aussicht, in der US-Zollpolitik weiterhin besser behandelt zu werden als andere Staaten. Unter anderem die EU: Importe aus dem Vereinigten Königreich unterliegen derzeit in den USA einem Zollsatz von 10 Prozent, bei Waren aus der EU fallen 15 Prozent an. Rund 16 Prozent der britischen Exporte gingen 2024 in die USA. 

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Starmer hofft, dass Investitionen in Rechenzentren und KI-Infrastruktur die stagnierende Wirtschaft beleben – im Juli blieb das britische Wachstum auf der Null-Linie. In die Kerbe schlägt auch Microsoft-Chef Satya Nadella. Er behauptete in einem Interview mit der BBC, durch KI könnte die Wirtschaftsleistung des Landes um zehn Prozent steigen – vielleicht sogar schon in den nächsten fünf Jahren. Starmer schwärmt bereits, Großbritannien könnte demnächst eine „KI-Supermacht“ werden. 

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Eine Prognose fernab der Realität: Das Geschäft werden in erster Linie die US-Konzerne machen. Der Ex-Politiker Nick Clegg, früher Kommunikationschef bei Meta, warnte, Großbritannien sei bereits jetzt “technologisch gesehen eine Art Vasallenstaat” – und solle besser seine eigene Tech-Infrastruktur ausbauen. Das Vereinigte Königreich müsse lernen, „mehr auf eigenen Beinen zu stehen“, statt sich „an Onkel Sams Rockschößen festzuklammern“. Was das Land bekomme, seien “Brotkrümel vom Silicon-Valley-Tisch“.

Die EU will Abhängigkeit von den USA reduzieren

Das eigentliche Problem ist Clegg zufolge, dass Großbritannien seine besten Köpfe und Start-ups an die USA verliert. Risikokapital ist dort – anders als in Europa – reichlich vorhanden, so dass erfolgversprechende Tech-Firmen regelmäßig von US-Investoren übernommen werden. „Wir importieren nicht nur all ihre Technologie, wir exportieren auch all unsere guten Leute und guten Ideen“, sagte Clegg. Das Muster ist in der EU nicht unbekannt: Jüngstes Beispiel ist die Düsseldorfer KI-Firma Cognigy – eines der wenigen erfolgreichen deutschen KI-Startups -, die für knapp eine Milliarde Dollar an das US-Unternehmen Nice ging.

In Brüssel, Paris oder Berlin wird aktuell viel über digitale Souveränität diskutiert. Darunter fällt unter anderem der Aufbau eigener technologischer Infrastrukturen, um sich von US-Technologie unabhängiger zu machen. Das Thema war unter anderem zentral beim deutsch-französischen Ministerrat im August. “Digitale Souveränität ist ein zentraler Pfeiler für die wirtschaftliche Stärke und strategische Unabhängigkeit Europas”, sagte der deutsche Digitalminister Karsten Wildberger. “Dafür braucht es auch ein entschlosseneres eigenes Handeln im Bereich der Künstlichen Intelligenz.” 

KI-Gigafabriken in Europa geplant

Das Thema gewinnt an Fahrt, die Initiativen mehren sich. Das dänische Digitalministerium beispielsweise will demnächst komplett auf Microsoft-Produkte verzichten und stattdessen Linux und LibreOffice nutzen; im Cloud-Bereich bringen sich europäische Anbieter wie SAP in Stellung; und die EU will mit viel Geld den Aufbau eigener KI-Gigafabriken unterstützen.

Ob der derzeitige Aktionismus reicht, um digitale Souveränität für Europa zu erreichen, steht völlig in den Sternen – zu groß sind die Abhängigkeiten von Big Tech. Zumindest sind derzeit, anders als in früheren Jahren, ernsthafte Bemühungen zu sehen. In London hingegen sucht die Regierung von Premier Starmer offen den Schulterschluss mit den USA. Großbritannien versteht sich schon lange nicht als Teil eines europäischen Projekts, sondern als Brücke in die englischsprachige Welt – und diese führt heute in erster Linie ins Silicon Valley.

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