Es ist so weit: Als fünfte Bibliothek in Niedersachsen erweitert die Gemeindebücherei Ganderkesee ihren Betrieb ab Freitag, 10. Oktober, um personalfreie Öffnungszeiten. Bürgerinnen und Bürger können künftig also auch dann Medien ausleihen, zurückgeben oder die Räume nutzen, wenn keine Mitarbeiterinnen vor Ort sind. Dass das nach dänischem Vorbild gestaltete Projekt „FlexiBib“ für alle Beteiligten eine spannende Angelegenheit ist, erläutert Einrichtungsleiterin Sigrid Kautzsch im Interview.

Bürgerinnen und Bürger können die Räume der Bücherei ab sofort bis in die späten Abendstunden ohne Personal nutzen. Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie zu Feierabend nicht mehr das Licht ausmachen?

Sigrid Kautzsch: Natürlich ändern sich auch für uns die Abläufe, aber grundsätzlich haben wir als Team große Lust auf das Projekt. Im Augenblick sind wir noch mit vielen Eventualitäten und Details beschäftigt und es gibt auch für uns noch eine Menge Fragezeichen. Ich kann heute noch nicht sagen, wie wir in einem Jahr auf die FlexiBib blicken, weil wir jetzt erst mal Erfahrungen sammeln müssen, die wir im Vorfeld gar nicht planen können. Berichte aus Dänemark zeigen aber, dass sich die Zahl der Nutzer um bis zu 30 Prozent steigern kann.

Müssen sich die Nutzerinnen und Nutzer für die FlexiBib-Zeiten anmelden?

Wenn sie über 18 Jahre alt sind und eine Bücherei-Card haben, nicht. Dann halten sie am Eingang einfach ihre Karte vor den Scanner und die Tür öffnet sich. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bekommen keine Freischaltung für die FlexiBib. Wenn diese die Zeiten nutzen wollen, geht das nur in Begleitung Erwachsener, die eine spezielle FlexiBib-Card benötigen. Mit der können zwar die Räume betreten, aber keine Medien entliehen werden.

Ist das Angebot für die Nutzer eigentlich mit zusätzlichen Kosten verbunden?

Der Aufenthalt in den Räumen und die Nutzung der Angebote innerhalb der FlexiBib-Zeiten sind in der Bücherei-Card enthalten. Die Ausleihe und Rückgabe von Medien findet mithilfe der Selbstverbuchungsterminals statt, die die Nutzer auch aus dem bisherigen Betrieb bereits kennen. Ein Sicherungsgate kontrolliert am Ausgang, ob die Medien verbucht wurden und damit entsichert sind. Weil DVDs und Hörbücher inzwischen kaum noch nachgefragt werden, ist der physische Bestand zwar rückläufig, aber wir haben immer noch rund 30.000 Medien im Angebot. Lediglich Entleihungen aus der „Bibliothek der Dinge“ oder von Switch-Spielen sind während der FlexiBib-Zeiten nicht möglich.

Haben Sie keine Angst vor Missbrauch?

Wir können an die Nutzerinnen und Nutzer nur appellieren, sich in den Räumen anständig zu verhalten, aber wir können nicht alles bis ins letzte Detail überwachen. Sämtliche Bücherei- oder FlexiBib-Karten sind aber ja mit persönlichen Daten verknüpft, das heißt, wir können zu jeder Zeit ermitteln, wer sich gerade in der Bücherei aufhält. Außerdem werden die Räume per Videokamera überwacht, sodass wir über diese Instrumente in der Lage sind, etwa anzeigepflichtige Vorfälle zu verfolgen. Erfahrungen in anderen offenen Büchereien zeigen allerdings, dass der Missbrauch, der dort getrieben wird, doch eher überschaubar ist.

Inwiefern ändern sich für das Team die Arbeitsabläufe?

Natürlich fragen auch wir uns, wie die Bücherei montagmorgens nach zweieinhalb Tagen FlexiBib-Nutzung aussieht und wie viel Zeit wir da erst mal mit Aufräumen verbringen müssen. Auch das gehört zu den Erfahrungen, die wir nicht planen können. Wir denken aber nicht daran, zugunsten des Aufräumens die Leseförderung oder andere wichtige Dinge hintanzustellen.

Zu welchen Zeiten genau kann die Bücherei ab 10. Oktober genutzt werden?

Zusätzlich zu den personalbesetzten Öffnungszeiten ist die Bücherei künftig montags und freitags von 18 bis 22 Uhr, dienstags und donnerstags von 13 bis 15 Uhr und von 19 bis 22 Uhr, sonnabends von 13 bis 22 Uhr sowie sonn- und feiertags von 10 bis 22 Uhr zugänglich. Unter dem Strich ergeben sich dadurch also an vier Tagen in der Woche durchgehende Öffnungszeiten von 10 bis 22 Uhr sowie an weiteren zwei Tagen von 13 bis 22 Uhr. Mittwochs bleibt das Haus weiterhin für den Publikumsverkehr geschlossen, um gegebenenfalls auch weiterhin Lesungen oder andere Veranstaltungen anbieten zu können.

Was passiert, wenn jemand so vertieft in ein Buch ist, dass er gar nicht mitbekommt, dass es 22 Uhr ist?

Kurz vorher gibt es natürlich eine Durchsage. Ungefähr so, wie man das von Ikea kennt.

Gibt es ein besonderes Programm zur Eröffnung?

Erst einmal bieten wir am Freitag, 10. Oktober, einen „Tag der offenen Tür“ an, mit dem wir gleichzeitig auch den 70. Geburtstag der Einrichtung feiern wollen. Von 10 bis 18 Uhr gibt es Gespräche, Erläuterungen, Angebote und natürlich Kaffee, Tee und Knabbereien. Um 17.30 Uhr startet dann die Eröffnung der FlexiBib. Bürgermeister Ralf Wessel wird die Gäste begrüßen, Janina Hempel von der Büchereizentrale Niedersachsen wird ein Grußwort sprechen. Außerdem haben wir die A-cappella-Gruppe Mixed-up vor Ort, die das Ganze musikalisch gestalten wird. Und wenn das Eröffnungsprogramm vorbei ist und wir nach Hause gehen, wird erstmals das Licht an und die Tür offen bleiben. Ich freue mich darauf!

Zur Person

Diplom-Bibliothekarin Sigrid Kautzsch ist seit August 2010 Leiterin der Gemeindebücherei Ganderkesee. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie die Einführung der „Flexi-Bib“ seit mehreren Jahren vorbereitet. Die Umsetzung des Konzepts bedeutet einen der größten Meilensteine in der 70-jährigen Geschichte der Einrichtung.

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