Himmelskörper: Vagabundierender Planet wächst rasend schnell – Spektrum der WissenschaftDirekt zum InhaltHimmelskörper: Vagabundierender Planet wächst rasend schnell
Es gibt Planeten im Universum, die sternlos umherziehen. Ein Exemplar davon legt rasant an Masse zu, wie Beobachtungen zeigen.
Die Illustration zeigt den 620 Lichtjahre entfernten Exoplaneten Cha 1107-7626, der intensiv wächst.
In den Weiten des Universums gibt es wahrscheinlich Milliarden Planeten, die zu keinem Sonnensystem gehören und einsam durch das All ziehen. Diese Vagabunden – im Englischen »rogue planets« und im Deutschen schlicht »Objekt planetarer Masse« genannt – sind schwer zu beobachten, doch die Größe bekannter Objekte reicht von erdgroß bis zur mehrfachen Masse des Jupiters. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar ist Cha 1107-7626 aus dem Sternbild Chamäleon (lateinisch: Chamaeleon, abgekürzt: Cha) in 620 Lichtjahren Entfernung: Laut den Erkenntnissen einer Arbeitsgruppe um Víctor Almendros-Abad vom Observatorium Palermo weist der Exoplanet etwa die fünf- bis zehnfache Masse des Jupiters auf, er wächst aber auch noch rekordverdächtig schnell.
Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) zeigen, dass dieser vagabundierende Planet Gas und Staub aus seiner Umgebung mit einer Rate von sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde aufnimmt und damit extrem an Masse zulegt. Dies sei die bislang stärkste Wachstumsrate, die je bei einem derartigen Einzelgänger beziehungsweise überhaupt bei einem Planeten beobachtet wurde, schreibt das Team in einer Mitteilung.
Cha 1107-7626 befindet sich also noch mitten in seiner Entstehung und einem Wachstum, das durch die ihn umgebende Akkretionsscheibe aus Gas und Staub genährt wird. Die Zunahme erfolgt jedoch nicht einheitlich, sondern schubweise, wie die Daten zeigen. Im August 2025 reicherte der Planet etwa achtmal schneller Materie an als noch wenige Monate zuvor: etwa sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde, was fast der Masse des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko entspricht, der in den 2010er Jahren zeitweise Ziel einer europäischen Forschungsmission war.
Neben den Daten des VLT nutzten Almendros-Abad und Co auch weitere des James-Webb-Teleskops. Sie konnten damit die Spektren vor und während des Akkretionsausbruchs sammeln, als der Planet besonders schnell wuchs. Dabei spielte offensichtlich magnetische Aktivität eine starke Rolle, was bisher nur bei Sternen beobachtet wurde. Die im Vergleich dazu relativ massearmen planetaren Objekte können also dennoch über starke Magnetfelder verfügen, die solche Akkretionsereignisse antreiben. Spektroskopische Aufnahmen zum Zeitpunkt des Ausbruchs legen zudem nahe, dass sich die chemische Zusammensetzung der Scheibe um den Planeten veränderte: Während des Schauspiels konnte Wasserdampf nachgewiesen werden, zuvor jedoch nicht. Dieses Phänomen war bislang ebenfalls nur bei Sternen, nicht jedoch bei Planeten egal welcher Art beobachtet worden.
»Diese Entdeckung verwischt die Grenze zwischen Sternen und Planeten und erlaubt uns einen Blick in die frühesten Entwicklungsphasen von Einzelgängerplaneten«, sagt die an der Studie beteiligte Astronomin Belinda Damian von der University of St Andrews. Dabei ist noch ungeklärt, wie die Vagabunden überhaupt entstehen, etwa ob sie aus ihrem ursprünglichen Sternensystem herausgeschleudert werden. Oder ob sie sich ohne ein solches unabhängig im All bilden, indem sie wie Sterne nach und nach Materie anlagern. Cha 1107-7626 deutet darauf hin, dass Letzteres zumindest für einige dieser Objekte zutrifft.
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ist Chefredakteur bei Spektrum der Wissenschaft.
Almendros-Abad, V. et al., The Astrophysical Journal Letters 10.3847/2041–8213/ae09a8, 2025
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