Frankfurt – Es ist eine dieser Geschichten, die härter als jeder fiktive Krimi sind. Edin Hasanović geht am Sonntag (5. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) erstmals an der Seite von Melika Foroutan im neuen „Tatort“ aus Frankfurt/Main auf Verbrecherjagd. Neues Konzept: Das Team löst alte und ungeklärte Mordfälle, sogenannte Cold Cases.
Der echte Cold Case in seinem Leben
Ein echter Cold Case beschäftigt den Schauspieler schon sein ganzes Leben lang. Es geht um seinen Vater. Verschollen seit dem 1. Juni 1992, wie rund 700 andere Männer aus der Umgebung des bosnischen Ortes Klisa. Die Tat ereignet sich nur wenige Monate nach der Geburt des Sohnes. Vermutlich ermordet während des Balkankonflikts der frühen 90er.
Eines der wenigen Fotos von Edins Papa Senad (undatierte Aufnahme)
Foto: edin__hasanovic/Instagram
Mehr zum ThemaNur ein Anhänger ist ihm geblieben
Edin hat Senad nie kennengelernt, er trägt einen Anhänger von ihm bis heute. Darauf steht: „Volim te“. Es heißt: „Ich liebe Dich“ auf Bosnisch. Auf Social-Media teilt der TV-Star seine Gedanken an das, was ihn nie losließ, und erhofft sich selbst heute noch, nach all den Jahren, irgendeinen Hinweis zum Schicksal des Papas zu erfahren. Die Ungewissheit ist eine Qual, der Vater wurde nur 26 Jahre alt.
Nur dieser Anhänger mit der Kette ist Edin von seinem Vater geblieben. Er wurde am 1. Juni 1992 von serbischen Freischärlern mitgenommen und vermutlich ermordet
Foto: edin__hasanovic/Instagram
Hasanović schildert: „Mein Babo, so nennt man bei uns den Vater – ein Wort, das ich nie sagen durfte, konnte sich nicht mal von uns verabschieden. Er trug mich in seinen Händen. Ein Tschetnik stellt ihn vor die Wahl, den Säugling in den Fluss zu werfen oder seiner Frau zu übergeben.“
Die Szenen tun beim Lesen weh. „Ein letzter Blickwechsel zwischen Mama und Papa. Ohne zu wissen, dass es ihr letzter sein wird. Er wird auf einen Lkw gepfercht. Meine Oma verliert an diesem Tag drei Söhne. Nie wieder wird man etwas von ihnen hören.“ Historiker gehen davon aus, dass die Männer erschossen und dann in Massengräbern verscharrt wurden.
Zwischen 1991 und 2001 wurde auf dem Balkan in den Gebieten des früheren Jugoslawiens erbittert gekämpft. Dabei kam es wiederholt auch zu Massakern an der Zivilbevölkerung, wie 1992 in der Nähe von Klisa
Foto: Roger Viollet via Getty Images
Edins Mutter flieht mit dem Säugling kurz nach dem Massaker nach Deutschland. Flüchtlingsunterkunft, harte Zeiten, wenig Geld, aber Abitur und dann das Schauspiel.
Sein Weg nach oben
„Ich habe ihn nie kennengelernt“, erzählte Hasanovic einmal in einem Interview. Ein Satz, der weh tut. Denn die Leerstelle im Leben ist geblieben. Trotzdem hat er aus diesem Schmerz etwas gemacht, das ihn bis heute antreibt: den Willen, niemals aufzugeben.
Ermittlungen im Keller: Im ersten Fall „Dunkelheit“ stöbern die Ermittler aus Frankfurt in Cold-Case-Akten
Foto: HR/Degeto/Sommerhaus
Schon als Teenager entdeckte er die Schauspielerei – zunächst auf der Bühne, später vor der Kamera. Sein Durchbruch gelang ihm 2015 mit dem Drama „Schuld sind immer die anderen“. Er gewinnt Preise, moderiert große Preisverleihungen. Heute ist Hasanović einer der gefragtesten Schauspieler Deutschlands.
Edin Hasanović im Antikriegs-Epos „Im Westen nichts Neues“. Der Film erhielt bei der Oscar-Verleihung 2023 vier Auszeichnungen
Foto: Netflix/Reiner Bajo
Erfolg bis nach Hollywood
Es reiht sich Erfolg an Erfolg. Bis hin nach Hollywood und dem Oscar-prämierten Werk „Im Westen nichts Neues“ (vier Auszeichnungen). Er hat es geschafft, mit seinem Charisma und seiner Intensität Herzen zu gewinnen. Immer wieder bringt er dabei auch seine eigene Geschichte ein, will Menschen zeigen, dass man trotz allem weitermachen kann.
Seine Geschichte ist eine, die Mut macht. Eine Geschichte, die zeigt, wie aus Verlust und Schmerz Stärke wachsen kann. Edin Hasanović hat sich vom Flüchtlingskind zum „Tatort“-Star gearbeitet – und er ist noch lange nicht am Ziel. Vielleicht wird er eines Tages auch die Antwort finden, die ihn seit Kindheitstagen begleitet: Was wirklich mit seinem Vater geschah.