Das neue Tatort-Team aus Frankfurt sitzt im dunklen Keller und blättert sich durch Aktenberge: Melika Foroutan und Edin Hasanovic befassen sich mit Cold Cases – Mordfälle, die sie alles andere als kalt lassen.
Von Alexandra Müller-Schmieg
Am Anfang stehen Archivbilder: Straßenszenen aus dem Frankfurt der 1970er, 80er Jahre. Dazwischen blitzen immer wieder Tatort-Fotos auf: ein Haufen blutiger Kleidungsstücke und Müllsäcke, daneben die typischen Schildchen mit Nummern, die Beweisstücke markieren.
Das neue Frankfurter Tatort-Team ermittelt solche Fälle aus der Vergangenheit, so genannte Cold Cases, und wie im Genre üblich reichen die Geschehnisse aus der Vergangenheit auch in die Gegenwart.
„Abteilung für Altfälle“ im dunklen Keller
Dass sich ein Ermittlerteam nicht nur im Einzelfall, sondern regelhaft mit Cold Cases befasst, ist tatsächlich neu im Tatort-Universum. Melika Foroutan und Edin Hasanovic spielen die beiden Polizisten im dunklen Kellerbüro der „Abteilung für Altfälle“.
Am Sonntag (5. Oktober) ist der erste Fall der beiden im Ersten zu sehen. „Dunkelheit“ beginnt mit einer Frau, die die Garage des verstorbenen Vaters ausräumen will.
Maryam Azadi (Melika Foroutan r.) und Hamza Kulina (Edin Hasanovic l.) am Fundort der Leichenteile.
Sie stößt dabei auf zwei Plastikfässer und macht beim Öffnen einen grausigen Fund: Es sind Leichenteile einer Frau, die grausam zerstückelt wurde. Wie sich bald herausstellt, ist sie nur ein Opfer von vielen eines psychopatischen Serienmörders.
Reale Mordserie als Vorlage
Zuschauer aus dem Rhein-Main-Gebiet werden sich an die reale Mordserie erinnern, die hier als Vorlage diente: Der Schwalbacher Manfred S. soll über viele Jahre bis zu zehn Menschen bestialisch ermordet haben.
In Verdacht geriet der Familienvater erst nach seinem Tod 2014, als die Tochter seine Hinterlassenschaften ordnen wollte.
Aufklärung unter Zeitdruck
Im Film stehen die beiden Kommissare Maryam Azadi und Hamza Kulina vor der Frage, welche ungeklärten Todesfälle aus dem Archiv dem Mörder noch zuzuordnen sind.
Ihre Chefin will die Angelegenheit so schnell wie möglich abschließen, auch weil ein True Crime Podcaster auf den Fall aufmerksam geworden ist und die Polizei vor sich hertreibt.
Im Dienst der Angehörigen
Doch Maryam Azadi bleibt hartnäckig. „Es ist eine Figur mit einem wirklich stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“, sagt Melika Foroutan über ihre Rolle. „Sie ist sehr fokussiert und sehr entschlossen, dabei auch warmherzig und empathisch.“
Die Kommissarin Maryam Azadi (Melika Foroutan) hütet offenbar ein Geheimnis.
Sie sehe sich im Dienst der Angehörigen, die durch die Morde geliebte Menschen verloren und die jahrzehntelang über deren Schicksal im Ungewissen blieben.
Raum für die Geschichten der Opfer
Die Opfer des Gewalttäters bekommen in diesem Tatort außergewöhnlich viel Raum. In kurzen Rückblenden werden sie lebendig: die junge, lebenslustige Frau, die gern in der Diskothek feiert; die drogenabhängige Prostitutierte, die kurz vor dem Absprung aus der Szene stand oder die junge Mutter, deren Kind vergeblich auf ihre Heimkehr wartete.
Auch die Angehörigen der Opfer bekommen ihren Raum im Film. In einer beeindruckenden Szene bestellen die Kommissare ein Dutzend Menschen ins Polizei-Präsidium, um die Verwandten und Freunde über das Schicksal ihrer Lieben aufzuklären.
Emotionaler Dreh
„Die Kamera war jeweils auf die Schauspieler gerichtet, die die Angehörigen spielten. Aber wir saßen ihnen gegenüber und mussten sie ‚anspielen‘, ihnen also die schlimme Nachricht überbringen“, erinnert sich Edin Hasanovic an die emotionale Situation. „Wir haben Rotz und Wasser geheult.“
Auch seine Figur hat laut Drehbuch eine tragische Familiengeschichte: Kommissar Kulina ist – wie Hasanovic – gebürtiger Bosnier. Er verlor seinen Bruder unter ungeklärten Umständen beim Massaker von Srebrenica, die Mutter kam darüber nie hinweg.
Emina Kulina (Gordana Boban l.) und ihre Sohn Hamza (Edin Hasanovic r.) trauern um den Sohn und Bruder.
Fokus auf Opfer und Angehörige
Dass „Dunkelheit“ den Fokus wegnimmt vom Täter, der hier nur auf Fotos auftaucht, war eine gemeinsame Entscheidung der Hauptdarsteller und des Drehbuch-Teams, sagt Melika Foroutan.
Maryam Azadi (Melika Foroutan r.) und Hamza Kulina (Edin Hasanovic l.) beraten sich in einem Café.
„Natürlich üben diese monströsen Handlungen eine gewisse Faszination aus, weil man das nicht nachvollziehen kann, was der Mörder alles mit den Körpern der Menschen angerichtet hat.“ Man gerate an seine Grenzen und mache den Versuch, sich den Täter zu erklären.
„Wir wollten dagegen zeigen, wer die Opfer waren, ihnen ein Gesicht und ein Leben geben“, sagt Foroutan. „Sie sind dann nicht einfach nur Körperteile, die gefunden wurden, sondern Menschen mit Hoffnungen, mit Ängsten und mit Freundschaften.“