Im Januar versenkten die Fraktionen von AfD, CDU und BSW die Vorlage der Stadt, das „E-Tools Kultur“ mit zweimal 70.000 Euro weiter zu unterstützen. Ein Instrument, mit dem die Leipziger Kulturbetriebe ihre eigene CO₂-Bilanz über alle Teilbereiche ermitteln können und nachsteuern können, wo sich echte Möglichkeiten zum Einsparen ergeben. Und Heizung und Strom sind in den Kalkulationen der Kulturhäuser recht große Posten. Da gibt es echtes Einsparpotenzial. Aber die AfD-Fraktion startete am 24. September einen erneuten Versuch, die Vorlage zur Fortsetzung des Projekts auszuhebeln.
Dafür sang dann AfD-Stadtrat Jörg Kühne am Rednerpult das Hohelied von der Leipziger Hochkultur und dass sich die Häuser doch bitteschön auf das Produzieren von Kunst konzentrieren sollten. Ein völlig schräges Argument, weil beides nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun hat. Auch nicht die strengen Sparauflagen im Rahmen des Doppelhaushalts 2025/2026 für die Kulturhäuser. Mit denen haben sie zu kämpfen. Keine Frage.
Aber gleichzeitig rollt die Klimaerwärmung weiter. Längst haben alle mittleren und großen Betriebe strenge Auflagen, eine CO₂-Bilanz zu erstellen, wie Grünen-Stadträtin Gesine Mertens anmerkte, die nach Kühnes salbungsvollem Auftritt ans Rednerpult ging und einfach noch einmal erklärte, dass der Co2-Rechner ein Kooperationsprojekt ist, in dem die Kulturhäuser mit der Handwerkskammer zusammenarbeiten und einer Leipziger Firma, die beim Aufstellen der CO₂-Bilanz hilft.
Eine Bilanz, die in jedem Unternehmen – und in diesem Sinn sind ja auch die Kulturhäuser Unternehmen – Potenziale aufzeigt, wo man wirklich Geld einsparen kann.
Jörg Kühne (AfD) im Leipziger Stadtrat am 24.09.25. Foto: Jan Kaefer
Das Projekt ist längst deutschlandweit nachgefragt.
Aber ausgerechnet in Leipzig, wo es Gestalt annahm, wollen es die „klimaskeptischen“ Fraktionen wieder abschaffen.
Kooperationsprojekt seit 2022
Zur Geschichte des E-Tools Kultur schrieb das Kulturdezernat in seiner Vorlage: „Unter der Federführung des Dezernats Kultur wurde im Dezember 2022 ein branchen- und städteübergreifendes Kooperationsprojekt mit dem Amt für Kultur und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden, der Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz, der WIPS-com GmbH, der GICON-Großmann Ingenieur Consult GmbH und dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW (als UAN) initiiert.
Im Zuge des Kooperationsprojekts wurde das ‚E-Tool Kultur‘, der erste webbasierte CO₂-Rechner speziell für die Kultur, entwickelt. Darüber hinaus wurde ein intensiver Begleitprozess initiiert, der die städtischen Kultureinrichtungen und -veranstalter/-innen zur eigenständigen Treibhausgasbilanzierung (Datenerfassung und -eingabe) und im weiteren Verlauf des Projekts zur Datenauswertung und Definition wirksamer Energiesparmaßnahmen befähigen soll.
Die Kooperationsvereinbarung der o.g. Partner endete zum 31.12.2024. Die Kooperation soll vom 01.10.2025 bis zum 31.12.2026 verlängert werden.“
Konkret geht es bei der Weiterfinanzierung vor allem darum, dass ein Leipziger Unternehmen zur Weiterqualifizierung des „E-Tools Kultur“ weiterbeauftragt werden kann. Mit den Worten des Kulturdezernats: „Die Fortsetzung der Kooperationsvereinbarung umfasst den Zeitraum 1.10.2025 bis 31.12.2026 und beinhaltet in Hinblick auf die GICON Großmann Ingenieur Consult GmbH und für die WIPS-vom GmbH für das Haushaltsjahr 2025 und für das Haushaltsjahr 2026 die oben beschriebenen Arbeitspakete.“
Die Klimaskepsis von CDU, AfD und BSW
Wahrscheinlich läuft so etwas bei einigen Parteien einfach unter dem Schlagwort „Bürokratie“. Weder sieht man die Potenziale so einer Ermittlung des eigenen CO₂-Aufkommens, noch scheint das Thema Klimaneutralität zu interessieren. Und wie im Januar waren es wieder drei Fraktionen, die gegen die Fortführung der Kooperation stimmten: CDU, AfD und BSW.
Doch diesmal gab es keine knappe Mehrheit gegen die Vorlage, sondern eine dafür.
Mit 30:27 Stimmen bei zwei Enthaltungen befürwortete die Ratsversammlung die Fortführung des Projekts. CDU und BSW entsandten erst gar keinen Redner ans Pult. Man hatte schon im Januar nichts wirklich Wesentliches zu diesem Projekt sagen können. Außer möglicherweise, dass Energie- und CO₂-Einsparung bei beiden Parteien ebenso wenig ernst genommen wird wie bei der AfD. So macht man aber eine Stadt nicht klimaneutral. So zurrt man bestenfalls eine Situation fest, in der Leipzig auf dem Weg zur Klimaneutralität wieder nicht vorankommt.
In Funktion gesetzt wurde das „E-Tool Kultur“ erst 2023. Das sind zwei Jahre, in denen man überhaupt erst einmal Daten zu allen relevanten Bereichen sammeln und eine belastbare Treibhausgas-Bilanz aufstellen konnte. Genau in diesen Prozess wollten die ablehnenden Fraktionen mit ihrem „Nein“ hineingrätschen und ihn damit beenden, bevor er überhaupt belastbare Ergebnisse gebracht hat.
Wie soll es jetzt weitergehen? „Die Auswertung wiederum bildet die Basis für die Ableitung/Definition von einrichtungsspezifischen sowie einrichtungsübergreifenden Maßnahmen, die in einem Katalog zusammengefasst werden“, beschreibt da Kulturdezernat den nächsten Schritt. „Der Maßnahmenkatalog bildet die Grundlage sowohl für die Drittmittelakquise zur schrittweisen Umsetzung von Energiesparmaßnehmen, als auch für die Planung der kommenden Doppelhaushalte 2027/2028, 2029/2030 ff.“
Womit auch der Zeitraum benannt ist, in dem die per „E-Tool Kultur“ ermittelten Einsparmöglichkeiten tatsächlich umgesetzt werden sollen. Das Projekt zu beenden, bevor man überhaupt die belastbaren Einsparpotenziale kennt, wäre schon ein veritabler Schildbürgerstreich gewesen.