Wer israelische und jüdische Künstler und Sportler ausschließt, verrät die Grundidee von Kultur und Sport als verbindende Kraft. Befeuert werden solche gezielten Ausgrenzungen von vielen Regierungen. Ein Europa, das diesen Weg geht, verrät seine eigenen Werte.

Ausgerechnet an dem Abend, als Juden auf der ganzen Welt in der letzten Woche gerade den Beginn des neuen jüdischen Jahres feierten und sich darüber freuten, dass das vergangene Jahr mit all seinen entsetzlichen Rückschlägen und Tiefpunkten endlich beendet war, inszenierten Frankreich und Saudi-Arabien in New York eine ganz besondere Konferenz, bei der zahlreiche europäische Staaten Palästina anerkannten. Mit diesem PR-Stunt ist Emmanuel Macron und Co. das große Kunststück gelungen, jede Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation schon am Neujahrsabend im Keim zu ersticken.

Denn damit beginnt das neue jüdische Jahr gleich mit der unmissverständlichen und deprimierenden Botschaft, die jedem Juden klarmachen sollte, wohin die Reise geht: Terror wird belohnt! Denn es besteht offenkundig eine Kausalität zwischen dem größten Pogrom an Juden seit dem Holocaust am 7. Oktober und der nun erfolgten Anerkennung Palästinas. Während die Hamas ihr Glück angesichts dieser westlichen Naivität kaum fassen kann, war dies jedoch noch lange nicht das Ende der „Geschenke“ zum neuen jüdischen Jahr.

Wenige Tage später hielt der israelische Ministerpräsident seine Rede bei der UN-Vollversammlung. Zuvor jedoch verließen Delegationen aus 77 Nationen demonstrativ den Saal, um einmal mehr zu beweisen, dass es heutzutage keine andere Institution gibt, die mit so einer Doppelmoral und Bigotterie agiert wie die UNO. Gegen den – demokratisch gewählten – israelischen Ministerpräsident liegt sogar ein politisch motivierter Haftbefehl vor, während Dutzende Diktatoren und Tyrannen seelenruhig und unbehelligt in der Welt umherreisen dürfen.

Und falls Juden in Europa immer noch nicht verstanden haben sollten, woher der Wind im neuen Jahr wehen wird, können sie sich glücklicherweise auf den Eurovision Song Contest und die UEFA verlassen, damit aber auch wirklich jeder letzte Zweifel beseitigt wird.

Beide Institutionen erwägen nun einen Ausschluss Israels, wodurch der altbekannte Slogan „Juden müssen draußen bleiben“ wieder einmal auf die ganz große Bühne geholt wird. Dabei muss sich jeder darüber im Klaren sein: Diese Entscheidung hat absolut nichts mit Kultur oder Sport zu tun, sondern mit einer Politik der systematischen Ausgrenzung und der Dämonisierung des jüdischen Staates. Anstatt Brücken zu bauen, werden tiefe und dunkle Gräben aufgerissen.

Andererseits wäre ein Ausschluss Israels fast schon konsequent aufgrund des Versagens der Kultur- und Sportinstitutionen. So wurde in diesem Jahr die israelische Künstlerin Yuval Raphael, eine Überlebende des Pogroms vom 7. Oktober, beim ESC auf der Bühne ausgebuht und von vielen Künstlern anderer Nationen wie eine Aussätzige behandelt. Und die UEFA, zu deren Hauptsponsoren übrigens Qatar gehört, konnte sich trotz aller möglichen großspurigen und pseudo-moralischen Kampagnen gegen Rassismus und Gewalt nicht einmal dazu durchringen, nach dem 7. Oktober eine Schweigeminute für alle Spiele anzuordnen.

Wohin all dies führt, ist in ganz Europa täglich zu beobachten. Die Beispiele von Flensburg und Fürth, in denen auf Zetteln Juden beziehungsweise Israelis der Zugang zu Geschäften verboten wurde, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. In Italien wurde das Profi-Rad-Team Israel-Premier Tech ausgeladen, da die „Sicherheit nicht garantiert“ werden könne. Nicht die Täter und Störer wurden gestoppt, sondern die Sportler. Die Idee, stattdessen etwas gegen die gewaltbereite Protest-Bewegung zu unternehmen, war den Veranstaltern offenbar zu abwegig.

Auch hier zeigt sich, dass Gewaltbereitschaft gegen Juden und Israelis sogar noch ausgezeichnet wird. Die Signale, die von solch verantwortungslosen Entscheidungen ausgehen, sind fatal. Sie sind letztlich alle eine Kapitulation vor dem Judenhass und eine Ermutigung für alle extremistischen und radikalen Kräfte, künftig noch hemmungsloser und fanatischer vorzugehen.

Wer israelische und jüdische Künstler und Sportler ausschließt, verrät die Grundidee von Kultur und Sport als verbindende Kraft und drängt jüdisches Leben noch weiter an den Rand. Befeuert werden solche gezielten Ausgrenzungen von der EU und vielen Regierungen in Europa, die sich in Sanktionsandrohungen gegen Israel überbieten. Ein Europa, das diesen Weg mitgeht, verliert am Ende nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern sein gesamtes moralisches Fundament und verrät seine eigenen Werte.

Das alles sind nicht die besten Voraussetzungen für ein gutes neues Jahr; es sind sogar ausgesprochen schlechte. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich das Judentum dennoch über die letzten Jahrtausende seine optimistische Grundeinstellung bewahrt hat, sodass wir uns in dieser Tradition trotz aller Sorgen um Europa und unserer Zukunft auch diesmal ein gutes und besseres neues Jahr wünschen. Wir setzen der Ausgrenzung die Hoffnung entgegen, gerade, weil uns keine andere Wahl bleibt. Happy New Year.

Benjamin Graumann ist Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt