Schweyk (Norbert Kauschitz, li.) redet sich bei dem Gestapo-Agenten (Kolja Eicker) um Kopf und Kragen. (Foto: Jasmin Otman)Schweyk (Norbert Kauschitz, li.) redet sich bei dem Gestapo-Agenten (Kolja Eicker) um Kopf und Kragen. (Foto: Jasmin Otman)

Gestern Abend gastierte das „Theater in der Kreide“ im „Kap.8“ im Bürgerhaus Kinderhaus. Aufgeführt wurde Bertolt Brechts „Schweyk im zweiten Weltkrieg“. „Wir haben so viel mit Krieg zu tun im Moment, da habe ich bewusst ein Stück gesucht, das GEGEN den Krieg ist“, sagt Reinhard Stähling, Regisseur und Gründer vom „Theater in der Kreide“. Entstanden ist das Schauspiel 1943 im Exil und basiert auf Jaroslav Hašeks Roman „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk”. Brecht überträgt die Figur des unterbemittelten tschechischen Hundehändlers in die NS-Zeit, wo sein unverblümtes Verhalten viele Gefahren birgt.

Dass es hier um weitaus mehr als Schauspiel geht, wird schon VOR der Vorstellung im Foyer des „Kap.8“ deutlich. Begrüßt wird das wartende Publikum nämlich durch das Duo „Contra Viento“, dessen Sängerin Isabel Lipthay gefühlvoll das spanische Lied „Para la guerra nada“ („Für den Krieg nichts“) vorträgt.

Theater für alle

Für die anschließende Begrüßungsrede übergibt Regisseur Stähling das imaginäre Mikro an den OB-Kandidaten Dr. Georgios Tsakalidis. „Das Theater zu öffnen auch für eine Community, die sonst nicht den Zugang dazu hat – wir wissen alle, dass meistens die gleichen Leute ins Theater gehen, deshalb finde ich es toll, dass hier in Kinderhaus regelmäßig die Möglichkeit besteht. Und ich glaube, wir brauchen in Münster viel mehr davon.“ Gerade jetzt seien Themen wie „kulturelle Bildung“ und „soziale Solidarität“ so wichtig. Dafür müsse die niedrigschwellige Bildung und Aufklärung aber weiter ausgebaut werden, so Tsakalidis. „Wir sehen ja, wohin das sonst führt: Wir haben das erste Mal die AfD in voller Fraktionsstärke im Rat sitzen. Wir erleben gerade einen Rechtsdrall, da wird einem schlecht!“ Dass so viel Politik mitschwingt, begrüßt und forciert Stähling: „Wir machen ausdrücklich nur politisches Theater und das ist in Münster relativ selten.“ Brecht sei dafür prädestiniert. „Er stellt sowohl das Vergnügen als auch die Politik vorne an.“

Norbert Kauschitz spielt die Hauptrolle des minderbegabten tschechischen Hundehändlers Schweyk. (Foto: Jasmin Otman)Norbert Kauschitz spielt die Hauptrolle des minderbegabten tschechischen Hundehändlers Schweyk. (Foto: Jasmin Otman)

Die Hauptrolle des „Schweyk“ spielt Norbert Kauschitz (66), der seit 20 Jahren mit Leidenschaft Mitglied der Theatergruppe ist und bisher auch in jedem Stück mitgewirkt hat. Für allzu schwere Kost halte er das Stück nicht: „Wir inszenieren meistens Stücke von Bertolt Brecht, aber im Sinne von Volkstheater, also humorvoll. Ich finde, Brecht gibt das durchaus her, dass man mal lachen kann – auch wenn einem das Lachen aufgrund der Thematik manchmal im Halse stecken bleibt.“

Mit dem Skript auf Radtour

Die Vorbereitung dieser Rolle sei ihm sehr schwer gefallen, sagt Kauschitz. „Ich muss sagen, dass ich die Persönlichkeit Schweyks schon ziemlich doof finde. Er ist nicht mein Freund.“ Aber: Verstehen müsse er die Persönlichkeit nicht, solange er sie glaubhaft darstellen könne. Und dafür heißt es erstmal: Text auswendig lernen! Kauschitz verrät sein Geheimnis: „Ich lerne den Text am besten beim Fahrradfahren. Ich wohne ländlich und habe daher immer eine Strecke von etwa elf Kilometern, wo ich alleine durch die Felder fahre. Da lege ich mir das Skript auf den Lenker – man kann sich beim Radfahren herrlich konzentrieren.“

Wie gut das mit dem Text funktioniert, beweist Kauschitz in unzähligen Szenen, in denen er sich um Kopf und Kragen redet. Als amtlich von einer ärztlichen Kommission diagnostizierter „Idiot“ fehlt ihm schlichtweg das Gespür für Momente, in denen man besser schweigt. So beispielsweise gegenüber einem strengen Gestapo-Agenten. Auch sein Versuch, für den SS-Scharführer einen begehrten reinrassigen Spitz zu stehlen, scheitert kläglich.

Krieg ist Leid

An seiner Seite sein ewig hungriger Freund Balloun (gespielt von Karsten Ritter), der für Essen seine Seele verkaufen würde. Versorgt wird er zum Glück von der Wirtin Anna Kopecka (Petra Schulte), die in ihrer Gaststätte „Der Kelch“ alle Hände voll damit zu tun hat, die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Als Geschäftsfrau in schwierigen Zeiten wünscht sie sich von ihrem Verehrer, dem Metzgersohn, keine Blumen als Liebesbeweis, sondern versucht, ihm zwei Pfund Geselchtes zu entlocken. Sentimentale Akzente setzt sie mit ihren Gesangseinlagen wie „Und was bekam das Soldatenweib“, die das Publikum inmitten der humorvollen Inszenierung an das Einzige erinnern, was Krieg erreichen kann: Leid.

Ihr habt noch zwei Gelegenheiten, euch das Stück „Schweyk“ anzusehen:

  • Samstag, 8. November 2025, 19.00 Uhr in der Kulturschmiede im GBS-Kulturzentrum in 48268 Greven, Friedrich-Ebert-Str. 3
  • Samstag, 6. Dezember 2025, Veranstaltung mit dem Paul-Wulf-Freundeskreis und der Ausstellung „Ich lehre euch Gedächtnis!“ in Nordwalde (noch in Planung)

Ich bin gebürtig aus Mönchengladbach, wo ich Soziale Arbeit studiert habe. Als ich 2018 zum ersten Mal auf dem Prinzipalmarkt stand, verlor ich mein Herz an das wunderschöne Münster und bin hergezogen. Neben meinem Job im Krankenhaus genieße ich die Vielfalt an Gastronomie, Kultur und Natur.