Falls Sie Julia Ruhs nicht vorher kannten, dann jetzt. Der NDR hat ihr das Magazin „Klar“ entzogen, weil Teile der Belegschaft Sturm liefen. Zu rechts, zu frech, zu einseitig, so lauteten die Vorwürfe, und man wundert sich: Als gäbe es politische und polemische Formate bei ARD und ZDF nicht reihenweise, nur eben mit linker Schlagseite.
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Nun kommt eine Journalistin, die bei Landwirtschaft oder Migration bürgerlich-konservative Perspektiven aufzeigt, und man möchte meinen, dass die Leute in der ARD vor Freude klatschen. Einfach kann es schließlich nicht sein, in den eigenen Reihen jemand zu finden, der es sich traut, in dieser Weise einen Beitrag zum angeblichen Anspruch der Ausgewogenheit zu leisten.
Weit gefehlt: Ruhs muss gehen. Programmdirektor Frank Beckmann staunte im Nachhinein über die Reaktionen, was die Frage aufwirft: Wie realitätsfern kann man sein? Obwohl, da ist ja noch der Rundfunkrat. Dort berichtete der Redaktionsleiter von hartem Mobbing, während die Rundfunkrätin und langjährige Grünen-Vorsitzende von Schleswig-Holstein, Ann-Kathrin Tranziska, noch nachlegte. Ruhs, monierte sie, nutze ihre Demission in den sozialen Netzen zum eigenen Vorteil aus, indem sie sie dort thematisiere.
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Bloß keinen Einfluss! Außer den eigenen
„Victim Blaming“ nennt man eine solche Verdrehung anderswo, aber das kam der Landespolitikerin nicht in den Sinn, während sich der Rundfunkrat zugleich gegen politischen Einfluss in dieser Sache verwahrte; vom eigenen abgesehen, wie es scheint.
Die innere Verfasstheit des NDR will ich gar nicht bewerten. Vielmehr frage ich mich: Hat dort jemand auch nur fünf Sekunden daran gedacht, dass auch Millionen Ruhs-Fans zwangsweise Gebühren zahlen? Verdienen die nicht ebenfalls ein Abbild ihrer Lebenswelt? Und wäre das nicht bereits viel früher geboten gewesen? Hätte im Flüchtlingsjubeljahr 2015 manch kritischer Ton geschadet? Kamen viele Corona-Übertreibungen nicht viel zu spät und erst durch ganz andere Medien an die Öffentlichkeit?
Vielfalt schützt vor Einfalt. Sie stärkt die Demokratie und schwächt sie nicht. Parallel hätte Ruhs dem NDR im Handumdrehen zu mehr Legitimität verholfen, was die heikle Frage seiner Finanzierung betrifft.
Spannend war zu beobachten, wie selbst Daniel Günther die Ruhe verlor. Der Kieler Regierungschef hatte sich jahrelang mit allerlei Kniffen bemüht, den Streit um Gebührenerhöhungen im Sinne des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks zu entschärfen. Nun fehlte er just auf dem Höhepunkt des Ruhs-Streits bei der Einführungsfeier des neuen NDR-Intendanten. Termingründe, betonte er auf meine Nachfrage – doch die Zeit reichte, um statt in Hamburg in Kiel auf einer Veranstaltung mit Ruhs aufzukreuzen.
Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, mit der Journalistin und Autorin Julia Ruhs.
Foto: DPA/Thomas Eisenkrätzer
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Zu viel Geld im deutschen Rundfunk? Ein Blick ins übrige Europa
Man kann dies als Indiz lesen, wie sehr ARD und ZDF inzwischen sogar Verbündete verprellen. Das kann sich rächen. Denn so sehr sich der Sender politische Einmischung in der Causa Ruhs verbat, so sehr drängt sich der Eindruck auf, dass eine solche an anderer Stelle viel radikaler geboten wäre: Wer Teile seines zahlenden Publikums derart vor den Kopf stößt, wer entgegen seinem Auftrag demonstrativ eng und nicht breit berichten möchte und wer offenkundig über genügend Mittel verfügt, künftig zwei Moderatorinnen für das Format zu bezahlen statt eine, dem mangelt es nicht nur an Respekt vor den Menschen.
Er verfügt auch über zu viel Geld in seinem System, und dann ist von Orchestern, Sportübertragungen, Spaßformaten, Doppelbesetzungen und Direktorengehältern noch gar nicht die Rede. Ganz unideologisch lohnt ein Blick ins übrige Europa:
- In Großbritannien schrumpfte das Budget der BBC zuletzt um 20 Prozent. 1000 Stellen wurden gestrichen, Gehälter gedeckelt. Ende 2027 läuft das Gebührenmodell aus; im Gespräch ist ein freiwilliges Abosystem.
- Dänemark schaffte die Haushaltsgebühr ebenfalls ab und kürzte den Etat um ein Fünftel.
- Italien verlangt nur sechs Euro im Monat, Polen und Tschechien rund fünf, Griechenland drei.
Was meinen Sie, vielleicht sollte Julia Ruhs einmal eine Sendung über Rundfunkgebühren machen? Ich glaube, im Rest der Republik würde man sie mit Interesse verfolgen.