Prag – Tschechien hat gewählt und sich klar entschieden. Erste Hochrechnungen sehen die Partei „ANO“ des Unternehmers und Ex-Premiers Andreij Babiš (71) bei überraschend deutlichen 38 Prozent vorn. Abgeschlagen auf dem zweiten Platz das bürgerlich-konservative Bündnis „SPOLU“ des amtierenden Premiers Petr Fiala (61) mit rund 20 Prozent.
Den Hochrechnungen zufolge schaffen es sechs Parteien und Wählerbündnisse, die Fünfprozenthürde zu überspringen und damit ins Parlament. Die Postkommunisten mit ihrem Bündnis „Stačilo!“ (Genug) könnten mit 4,6 Prozent erstmals aus dem Parlament fliegen.
Comeback der Populisten
Politisch steht das Land damit vor einer Zäsur: Der frühere Premierminister Babiš und seine Bewegung ANO kehrten nach ihrer Abwahl 2021 spektakulär an die Macht zurück.
Babiš setzt im Wahlkampf auf Wut, Unzufriedenheit und Kriegsfrust. Er kündigte an, die finanzielle Unterstützung für die Ukraine zurückzufahren und die steigenden Lebenshaltungskosten im Land zur Priorität zu machen. Sein Slogan: „Tschechien muss zuerst an sich selbst denken.“
Entsprechend turbulent verlief der Wahlkampf: Ein Angriff auf Babiš bei einer Wahlveranstaltung im September schockierte das Land. Dazu ein Bitcoin-Spendenskandal in der Regierung und hunderte anonyme, angeblich prorussische TikTok-Accounts.
Erlitt eine deutliche Wahlniederlage: der bisherige tschechische Premier Petr Fiala (61)
Foto: IMAGO/CTK Photo
Schwierige Koalitionsbildung
Trotz seines Wahlsieges kann Babiš kaum alleine regieren. Mögliche Partner: rechte und EU-skeptische Gruppen wie SPD (rd. 8,3 %) oder Stačilo. Präsident Petr Pavel (63), ein Ex-General, hat allerdings angekündigt, keine Minister mit Anti-Nato-Haltung zu ernennen.
Tschechien könnte damit den links-liberalen Kurs von Premier Fiala verlassen und die Achse von EU-Kritikern um Ungarns Premier Viktor Orbán (62) und den Slowaken Robert Fico (61) verstärken.
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Über acht Millionen Tschechen waren aufgerufen, über ein neues Abgeordnetenhaus zu entscheiden. Insgesamt 26 Parteien und Bündnisse hatten sich um die 200 Sitze der unteren Parlamentskammer beworben.
Traditionell wird in Tschechien an zwei Tagen gewählt. Bereits am Freitag waren die Wahllokale von 14 bis 22 Uhr geöffnet. Am Samstag dann bis 14 Uhr. Die Stimmabgabe läuft dabei anders als in Deutschland: Statt eines Kreuzes wirft man die Kandidatenliste der gewünschten Partei in die Urne – und kann bis zu vier Namen darauf bevorzugen.
Erstmals durften auch im Ausland lebende Tschechen per Briefwahl abstimmen. Über 27.000 Wähler haben sich dafür registrieren lassen – rund die Hälfte nutzte die neue Möglichkeit bereits. Aber: Wegen des komplizierten Wahlsystems wird ein vorläufiges Endergebnis erst am Sonntag erwartet.