04.10.25 – Wer am Samstag vor zwei Wochen um 16:26 Uhr mit dem Regionalexpress vom Frankfurter Hauptbahnhof nach Fulda fahren wollte, wird diese Fahrt nicht mehr so schnell vergessen. „Wenn mir jemand vorher gesagt hätte, was ich da mitmachen musste, hätte ich es niemals für möglich gehalten“, sagt einer der bis heute schockierten Zuginsassen. Was war passiert? Der Regionalexpress 50 (4522) fuhr zwar pünktlich vom Frankfurter Hauptbahnhof Richtung Fulda, kam aber nur bis Langenselbold (Main-Kinzig-Kreis) und musste dort wegen eines Notarzteinsatzes auf der Bahnstrecke bei Wächterbach gegen 17 Uhr stoppen. Was zunächst wie eine kurze Verzögerung aussah, entpuppte sich zu einem Alptraum, der für viele der Zuginsassen bis nach Mitternacht andauern sollte.
Im Zug wurde als Grund für den unfreiwilligen Halt angeben, es habe wegen eines medizinischen Notfalls auf einer Lok einen Notarzteinsatz gegeben, die Strecke sei gesperrt. Nach längerem Aufenthalt ohne Durchsage fuhr der RE weiter nach Gelnhausen. Dort wurden alle rund 300 Fahrgäste aufgefordert, auszusteigen und auf weitere Ansagen zu warten. Der dortige Bahnhof ist derzeit eine Komplettbaustelle mit einer Behelfsbrücke zum Überqueren der Gleise. Deren Treppen sind äußerst steil und stellten im Folgenden ein fast unüberwindliches Hindernis für ältere und körperlich eingeschränkte Personen dar. Der Transport von Fahrrädern, Kinderwagen und dem Rollator einer über 90-jährigen Reisenden über die steile Treppe war eine Tortur, berichten die gestrandeten Fahrgäste, die sich zum Glück beim Transport gegenseitig halfen. Dass die mehrfache Überquerung der Gleise überhaupt notwendig war, entstand durch irreführende Lautsprecher-Ansagen. Ein Schienen-Ersatzverkehr wurde an einem entfernten Gleis angesagt, die schwierige Überquerung folgte, doch erwies sich die Ansage jedes Mal als Flop – es kam kein Zug. Während der ganzen Zeit ließ sich kein einziger Bahnmitarbeiter bei den zunehmend entnervten Passagieren sehen.
Da es durch die Baustelle, keinerlei Sitzgelegenheit oder Überdachung gab, mussten die Fahrgäste in der prallen Sonne auf dem Boden sitzend ausharren. Auf der Behelfsbrücke herrschten Chaos und die Sorge, dass diese den Belastungen durch so viele Überquerende nicht gewachsen sei. Nach einiger Zeit kam wohl ein Bus, der allerdings nur bis ins benachbarte Gründau-Lieblos fahren sollte, also für alle, die nach Fulda mussten, sinnlos war. Dieser unhaltbare Zustand zog sich stundenlang hin, ohne dass es Aussicht auf eine Lösung gab. Alle telefonischen Versuche, einen Vertreter der Bahn zu erreichen liefen ins Leere. Die Polizei hatte auf den telefonischen Hilferuf einiger Fahrgäste hin darauf verwiesen, nicht zuständig zu sein. Da OSTHESSEN|NEWS ebenfalls telefonischen Kontakt zu einigen der Gestrandeten hatte, versuchten auch wir, einen Pressesprecher der Bahn in Frankfurt oder von der am Wochenende zuständigen Bundespolizei in Koblenz zu bekommen – ebenfalls vergeblich. Eine Pressesprecherin in Berlin bemühte sich redlich, gab aber schließlich auf. Sie hatte zwar Kenntnis von dem Notarzteinsatz, konnte aber ihrerseits niemanden vor Ort erreichen. Auch die Bundespolizei in Koblenz, die an Wochenenden zuständig ist, gab die lapidare Auskunft, es sei „kein Vorgang offen“. Viele der Verzweifelten wurden am späten Abend schließlich von Freunden und Angehörigen mit dem Auto abgeholt oder nahmen sich notgedrungen ein Taxi, um dort überhaupt wegzukommen.
„Die Bahn entschuldigt sich für die ‚Unannehmlichkeiten‘
Und was sagt die Bahn, wie diese unhaltbare Situation überhaupt möglich war? Eine Woche nach unserer entsprechenden Anfrage schreibt eine Bahnsprecherin: „Wir möchten uns an dieser Stelle zunächst noch einmal ausdrücklich bei allen Fahrgästen für die entstandene Situation und für die damit verbundenen Unannehmlichkeiten in aller Form entschuldigen.
Sämtliche Abläufe und daraus abgeleitete Handlungen bei Störungen sind klar geregelt und erfolgen nach definierten Prozessen. Die DB InfraGo und das Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) (in diesem Fall DB Regio Mitte) arbeiten in Situationen, die die Weiterfahrt von Zügen verhindern eng zusammen. In diesem konkreten Fall war auf dem vorliegenden Streckenabschnitt ein Zug liegengeblieben, sodass der Regionalzug nicht weiterfahren konnten. In solchen Störungen entscheiden die Betriebszentrale und die Leitstelle des Eisenbahnverkehrsunternehmen, was die besten Lösungen für die Reisenden im Zug sind. Es wurde entschieden, dass die Fahrgäste am Bahnhof Gelnhausen aussteigen und zur Weiterfahrt den eingerichteten Busnotverkehr nutzen, um schnellstmöglich eine Weiterfahrt zu gewährleisten.
Wir bedauern es sehr, dass (wie Sie beschreiben) in diesem Fall, die Kundeninformation nicht zufriedenstellend funktioniert hat. Uns ist bewusst: Die Kundeninformation spielt bei Störungen eine wichtige Rolle. Unser Anspruch als Deutsche Bahn (DB) ist, dass die Reisenden gerade in solchen Situationen kontinuierlich durch das Zugpersonal informiert werden. Wir bereiten den Vorfall gerade intern noch einmal auf und überprüfen den Prozess. Im Fokus steht dabei auch die Kundeninformation“, so die Sprecherin.
Wer eine solche Odyssee hinter sich hat, wird sich mit dieser Entschuldigung kaum zufriedengeben. Wer nicht dringend auf die Bahn angewiesen ist, wird sie nach solchen Erfahrungen sicher eher meiden. Man kann es niemandem verdenken. (ci)+++ ![]()

