US-Präsident Trumps Aussenpolitik droht die Demokratie weltweit in die Krise zu stürzen. Doch in Osteuropa könnte sich das Blatt wenden. Wenn die EU die Weichen richtig stellt.

Daniel Bochsler04.10.2025, 21.45 UhrDie Avancen des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic gegenüber Trump sind ins Leere gelaufen. Am 2. Oktober 2025 besucht Vucic den EU-Gipfel in Kopenhagen, wo ihn die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen begrüsst.Die Avancen des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic gegenüber Trump sind ins Leere gelaufen. Am 2. Oktober 2025 besucht Vucic den EU-Gipfel in Kopenhagen, wo ihn die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen begrüsst.

Emil Helms / Ritzau Scanpix Denmark

Die Auflösung der amerikanischen Entwicklungs- und Demokratieförderungsagentur USAID übertraf auch pessimistische Erwartungen zu Trumps Aussenpolitik. Die aktive Aussenpolitik der USA hatte zuvor zur Redemokratisierung Lateinamerikas und Mitteleuropas beigetragen, USAID war ein zentraler Pfeiler der Unterstützung der Zivilgesellschaft weltweit. Geben die USA die Demokratisierung als aussenpolitisches Ziel auf, hat dies weltweit gravierende Folgen. Droht eine globale Eiszeit für die Demokratie? Kein Wunder, feierten osteuropäische Autokraten – von den Serbischnationalisten bis zu den rumänischen Rechtsextremen – Trumps Wahlsieg. Die Euphorie ist inzwischen verflogen.

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In Osteuropa ist der Dreh- und Angelpunkt für die Demokratieförderung nicht Washington, sondern Brüssel. 1993 etablierte die EU den sogenannten Konditionalitätsmechanismus. Das heisst, sie bot die vier europäischen Freiheiten im Tausch für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechtsschutz. So schuf sie den stärksten Demokratisierungsmotor der Weltgeschichte. Die amerikanische Demokratieförderung sekundierte die EU, konnte aber mit der Wirkung der EU-Konditionalität nicht mithalten. Doch seit den zehner Jahren des neuen Jahrhunderts funktioniert das Tandem nicht mehr. So drückte die EU etwa vor dem autokratischen Regierungsstil unter dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic beide Augen zu, zwecks Kooperation bei der Migrationskrise oder im Lithiumabbau. Damit war der EU-Demokratisierungsmotor tot.

Den USA kommt hingegen die Führungsrolle bei der Sicherheit zu. Das Thema ist zentral, weil jedes osteuropäische Land, in dem heute die fragile Demokratie gefördert oder mit Hilfe von aussen ins Leben gerufen wird, zuletzt selber Schauplatz eines Krieges oder ein Nachbarland davon war. Vom Südkaukasus bis in den Westbalkan sichern ausländische Truppen die Stabilität, im Westbalkan geben die USA bei der Friedenssicherung den Ton an.

Zeichen, dass sich die USA aus der regionalen Sicherheitsarchitektur zurückziehen würden, gibt es keine. Im Gegenteil setzt Trump mit der überraschenden Inszenierung eines Friedensgipfels zwischen Armenien und Aserbaidschan einen Fuss in den Südkaukasus und bringt den schon länger diskutierten Sangesur-Transitkorridor wieder aufs Tapet. Wirklich neu ist nur die Beteiligung der USA daran. Dem amtierenden armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan, der 2018 durch eine prodemokratische Protestwelle an die Macht kam, werden seit je Sympathien für den Westen nachgesagt, aber ein Politikwechsel in Richtung EU und Demokratie käme einem Hochseilakt gleich. Armeniens Wirtschaft hängt von Russland ab, und russische Militärstützpunkte garantieren Armeniens Sicherheit. Die russische Regierung drohte bei einer EU-Annäherung Konsequenzen an – die Ukraine lässt grüssen.

Doch seit 2023 traut die armenische Öffentlichkeit Russland nicht mehr. Damals eroberte Aserbaidschan die Exklave Nagorni Karabach, und die armenische Bevölkerung floh, während die russischen Friedenstruppen passiv blieben. Mit dem Verlust der Exklave ist allerdings auch das brennendste Sicherheitsproblem ad acta gelegt und Armenien russischen Druckversuchen etwas weniger akut ausgeliefert. Erst diesen März rückte das armenische Parlament den EU-Beitritt auf die Agenda. Jedes noch so beschränkte Sicherheitsengagement der USA würde Armenien weiter aus der Umklammerung durch Russland lösen. Der Sicherheitsschild der USA bereitet in Osteuropa den Weg zur Demokratie und zur europäischen Integration.

Derweil laufen die Avancen von Osteuropas Autokraten gegenüber Trump ins Leere. Der serbische Präsident Vucic und der albanische Ministerpräsident Rama hofierten die Familie Trump mit Hotelprojekten in geschützten Zonen – vergebens. Vucic kehrte im Mai unverrichteter Dinge aus Mar-a-Lago zurück. Er hatte sich ein Treffen mit Trump erhofft. Er soll versucht haben, sich inkognito in ein Donatorentreffen einzuschleichen, wurde aber vor die Tür gesetzt. Die Zollrate für Importe aus Serbien beträgt übrigens 35 Prozent. Das ist nicht weit von der Weltspitze.

Trumps zweite Amtszeit scheint bis jetzt politisch und militärisch sekundär zu sein im Vergleich zu dem anderen Grossereignis, das die Region seit 2022 erschüttert. Wird Russland der Ukraine ein Regime aufzwingen und, der Vision des US-Vizepräsidenten Vance folgend, ein neues Bündnis autoritärer Staaten in Osteuropa aufbauen? Umso wichtiger erscheint eine deutliche europäische Antwort im Demokratie- und Sicherheitsbereich. Zwar hat die EU mit der Moldau und der Ukraine Beitrittsverhandlungen aufgenommen, doch sie muss zuerst im Westbalkan, wo der Beitrittsprozess über ein Jahrzehnt stillstand, dessen Glaubwürdigkeit beweisen. Die Antwort auf den graduellen Rückzug der USA liegt in einer viel entschlosseneren europäischen Demokratisierungs- und Sicherheitspolitik.

Daniel Bochsler, 47, ist ein Schweizer Politikwissenschafter, spezialisiert auf die Demokratisierung in Osteuropa, der an der Central European University (CEU ) in Wien und an der Uni Belgrad lehrt.

Ein Artikel aus dem «NZZ am Sonntag»

Taiwan ist die lebendigste Demokratie in Ostasien – aber ausgerechnet sie ist bedroht durch den Machtanspruch der kommunistischen Führung Festlandchinas. Das Bild zeigt Aktivisten in Taipeh bei der Kampagne für eine Volksabstimmung.Den jungen urbanen Serbinnen und Serben ist der Kragen geplatzt. Sie wollen nicht mehr für dumm verkauft werden von der Regierung.  (Belgrad, 10. Juli 2020) )