Anna Maier, bitte beenden Sie folgenden Satz: «Radio machen ist für mich wie …»
… eine entspannte Kopfmassage. Einfach die schönste Medienarbeit. Radio war meine erste grosse berufliche Liebe. Schon als Zwölfjährige habe ich in meinem Jugendzimmer eigene Radiosendungen auf Kassetten aufgenommen und wollte nur eines: irgendwann hinter dem Mikrofon am Mischpult sitzen.
Sie kehren nach über zehn Jahren wieder ins Radio zurück (persoenlich.com berichtete). Was hat Sie dazu bewogen, ausgerechnet bei Vintage Radio das Comeback zu wagen?
Die Idee, wieder ans Radiomikrofon zurückzukehren – dorthin, wo vor 30 Jahren meine Medienkarriere begann –, war für mich ein schöner Full-Circle-Moment. Als mir dann – zusammen mit meinem Moderationskollegen Joel Grolimund – die Programmleitung angeboten wurde, war für mich der Fall klar. Wir haben hier die Chance, eine neue Radioheimat für unsere Generation zu schaffen. Diesen kreativen Prozess finde ich so spannend, dass ich unbedingt Teil davon sein wollte.
«Radio hat etwas Magisches»
2014 verliessen Sie SRF 3. Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie ab November wieder regelmässig hinter dem Radiomikrofon stehen?
Radio hat etwas Magisches – wie man mit Stimmen und Musik Nähe und Stimmung erzeugen kann, fasziniert mich bis heute. Am meisten freue ich mich darauf, mit meiner Generation ins Gespräch zu kommen, Themen aufzugreifen, die uns Menschen in der Lebensmitte beschäftigen – und all das mit dem für mich besten Sound.
Die Vintage-Morgenshow setzt auf Hits aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren. Welche persönliche Verbindung haben Sie zu dieser Musikära?
Ich bin 1977 geboren – die Songs aus dieser Zeit sind mein Musikteppich, geknüpft aus lebensprägenden Erinnerungen, die sofort lebendig werden, sobald die ersten Takte erklingen. So geht es vermutlich den meisten dieser Generation. Wir verbinden die Vintage-Songs mit konkreten Ereignissen unserer Jugendjahre.
Der Claim des Senders lautet «Songs deines Lebens». Welche Songs aus den 70ern, 80ern und 90ern sind denn die Songs Ihres Lebens?
«Too Shy» von Kajagoogoo, «Words» von F. R. David, «Forever Young» von Alphaville, «Vogue» von Madonna, «Never Ending Story» von Limahl oder «One Moment in Time» von Whitney Houston. Jeder dieser Vintage-Titel gehört zu meiner Geschichte – von Jugendträumen bis zu entscheidenden Momenten als junge Erwachsene.
Sie teilen sich die Moderation mit Joel Grolimund im Wechsel, während Melanie Winiger einmal pro Woche dabei ist. Wie gut kennen Sie bereits Ihr künftiges Team?
Joel und ich kannten uns vorher nicht persönlich, hatten aber sofort einen Draht zueinander – wir ticken sehr ähnlich. Melanie kenne ich noch aus der Zeit, als unsere Kinder klein waren. Es ist schön, dass wir uns nun wieder öfter sehen. Der Spirit im Team stimmt einfach.
Haben Sie sich also bereits persönlich getroffen, um über Ihr künftiges Engagement zu sprechen?
Ja, vor allem Joel und ich haben uns in den letzten Wochen intensiv ausgetauscht. Wir teilen uns die Programmleitung und entwickeln gemeinsam Ideen – es ist ein kreatives Sparring auf Augenhöhe.
«Ich war nie Fan von endlosem Gerede»
Vintage Radio setzt auf einen «schlanken Wortanteil». Das ist anders als Ihr früheres «Focus»-Format bei SRF 3. Können Sie sich zurückhalten?
Bei «Focus» habe ich doch vor allem viel zugehört (lacht). Ich war nie Fan von endlosem Gerede – wenn die Essenz stimmt, braucht es nicht viele Worte. Und wer mich privat kennt, weiss: Frühmorgens bin ich ohnehin eher wortkarg. Das passt also ganz gut (schmunzelt).
Die Morgenshow startet aber um 5 Uhr – und Sie sind kein Morgenmensch. Das wird eine Umstellung …
Ich wäre gerne einer, bin es aber nicht (lacht). Mich um 3 Uhr morgens aus dem Bett zu schälen, wird sicher eine Herausforderung. Aber das zeigt auch, wie sehr mich das Vintage-Radio-Fieber gepackt hat, dass ich bereit bin, mich von der Eule in eine Lerche zu verwandeln.
Vintage Radio ist laut Energy-CEO Kevin Gander ein «ungeschliffener Diamant». Was sehen Sie für Potenziale bei diesem Sender?
Für mich ist Vintage Radio eine Schatzkiste voller Geschichten und Musik, die uns als Generation verbindet. Wir haben viel geleistet, vielleicht Kinder grossgezogen, beruflich Gas gegeben – jetzt suchen wir bewusstere Momente. Vintage Radio kann genau diese schaffen: nahbar, echt und wie ein gutes Gespräch mit Freunden am Küchentisch.
Wie hat sich das Radio in den letzten zehn Jahren verändert? Was ist aus Ihrer Sicht anders als früher?
Radio ist heute viel stärker vernetzt – Social Media, Podcasts, Communities sind dazugekommen. Doch das Herzstück bleibt gleich: diese unmittelbare Nähe zu den Menschen, die kaum ein anderes Medium schafft.
«Ich liebe es, tief abzutauchen in Themen, die in der Mitte des Lebens immer wichtiger werden»
Nach Ihrem SRF-Abschied haben Sie ein Motivationsbuch geschrieben und sich als Künstlerin betätigt. Bringen Sie diese Erfahrungen in die neue Rolle ein?
Ja, unbedingt. Sowohl in meinem Buch als auch in meiner Kunst geht es um das, was unter der Oberfläche liegt. Ich liebe es, tief abzutauchen in Themen, die in der Mitte des Lebens immer wichtiger werden. Dieses Gespür für Geschichten, die meine Generation beschäftigen, nehme ich mit ans Radiomikrofon.
Sie haben sowohl Radio- als auch TV-Erfahrung gesammelt – von Radio 24 über TeleZüri bis zu SRF 3 und dem Schweizer Fernsehen, von Nachrichten bis hin zu grossen SRF-Shows wie «Eiger, Mönch und Maier» oder «Die grössten Schweizer Talente». Was ist schöner: Radio oder Fernsehen?
Das ist ein Vergleich wie Äpfel und Birnen. Ich mag beides. Fernsehen bedeutet die grosse Bühne. Radio ist intimer, direkter. Man begleitet die Menschen im Auto, im Bad oder bei besonderen Momenten. Radio ist wie der treue Freund, der immer da ist.