Shitposting als Strategie: Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom steigt vom hohen Ross der Demokratischen Partei herunter und verwirrt so das MAGA-Lager in den USA. Was ihm für die Rolle als Herausforderer von Trumps Republikanern noch fehlt

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom

Foto: Anna Connors/AP/DPA

Michelle Obamas Mantra war zehn Jahre lang die Devise für einen Großteil der Demokratischen Partei in den USA: „When they go low, we go high“. In etwa: Wir lassen uns nicht auf das Niveau der Republikaner herab.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche hatten Donald Trumps Partei nichts entgegenzusetzen, andere fühlten sich moralisch überlegen. Viele saßen trotz der politischen Umbrüche sicher auf ihren Posten und scheuten den Kampf. Das Gewagteste, was sich die Demokraten im letzten Wahlkampf trauten, war, die Republikaner als „weird“ zu bezeichnen, als seltsam. Ansonsten wirken sie auch jetzt, da Präsident Trump eine verfassungswidrige, rechtsradikale oder erratische Entscheidung nach der anderen trifft, erstaunlich passiv. So überzeugt man keine Wähler*innen – und schützt das Land nicht vor dem MAGA-Kult.

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom von den Demokraten wählt eine andere Strategie: Er schlägt Trump und die Republikaner mit ihren eigenen Waffen. Sein Team veröffentlicht Tweets im Stil Trumps, inklusive Großbuchstaben, und hat den „Patriot Shop“ eröffnet. Dort gibt es Merchandise-Artikel wie rote Baseballcaps mit der Aufschrift „Newsom was right about everything“: Newsom hatte mit allem recht. Eine Parodie auf den ähnlich lautenden Spruch, den Donald Trump auf seiner roten Cap trägt.

Newsom betreibt in Kalifornien „Gerrymandering“, wie der Republikaner Greg Abbott in Texas

Wenn Trumps X-Account oder das Weiße Haus KI-generierte Bilder von Trump als Papst oder Nobelpreisträger teilt, imitiert Newsom das – mit sich selbst als Hauptfigur und heldenhaft in Szene gesetzt. Dieses sogenannte Shitposting zeigt Wirkung: Viele MAGA-Fans – ob Politiker*innen, Kommentator*innen oder Social-Media-Nutzer*innen – erkennen die Parodie nicht (in der Internetsprache auch trollen genannt) und verurteilen Newsoms Posts als „kindisch“ oder „blasphemisch“.

Hinter dieser Strategie steckt ein ernster Anlass: In Texas zieht die Republikanische Partei Wahlkreisgrenzen neu, um sich Vorteile zu verschaffen – ein Prozess namens Gerrymandering. Gouverneur Greg Abbott hat das entsprechende Gesetz bereits unterzeichnet. Newsom plant nun eine ähnliche Reform in Kalifornien zugunsten der Demokraten, will die Bürger*innen im November aber zunächst abstimmen lassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Newsom im Netz viral geht. Nach der Wahlniederlage der Demokraten im November 2024 kursierten zahlreiche Memes über ihn. Der Tenor: „He’s a psycho, but he is our psycho“, etwa: Er ist zwar ein Psycho, aber er ist unser Psycho.

Gouverneur Newsom ließ Zeltstädte von Obdachlosen rabiat räumen

Und genau das macht ihn für viele attraktiv: Er hat verstanden, wie man den Republikanern begegnet, und scheut sich nicht, in den Kampf zu ziehen – auch wenn er sich dabei die Hände schmutzig macht, während ein Großteil der Demokratischen Partei auf dem hohen Ross verharrt. Für den 57-Jährigen, der seit 2019 Gouverneur ist (zuvor war er Vize), könnte neben seiner Abneigung gegen die Republikaner ein weiterer Faktor eine Rolle spielen: Er darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren und bringt sich für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur in Stellung.

Dafür ist Aufmerksamkeit relevant: Seit Beginn seines massiven Shitpostings hat er laut eigenen Angaben allein im August über 250.000 neue Follower*innen auf X gewonnen. Seine Posts, in denen er den trumpschen Schreibstil imitiert, werden eifrig geteilt, und viele demokratische Wähler*innen scheinen erleichtert, endlich ihren eigenen „Psycho“ zu haben. Er hat damit durchaus Erfolg: So trat er vor Kurzem in der beliebten Late Night Show mit Stephen Colbert auf, um sich als Hoffnungsträger und Gegenspieler von Trump zu positionieren.

Über die Memes geraten allerdings Newsoms politische Inhalte in den Hintergrund: Er ist eine streitbare Figur, keine Lichtgestalt, wie manche ihn gern sehen würden. Seine Politik wirkt oft widersprüchlich und opportunistisch. Er setzt sich für Abtreibungsrechte ein und verabschiedet progressive LGBTQ-Gesetze, schimpfte aber in seinem Podcast This Is Gavin Newsom mit dem getöteten rechtsextremen Aktivisten Charlie Kirk über trans Sportler*innen. Auch gegen Obdachlose geht er extrem hart vor: In Kalifornien leben schätzungsweise 187.000 Menschen auf der Straße, oft in Zeltstädten. Diese ließ Newsom wiederholt räumen, ohne den Betroffenen Alternativen oder Hilfe anzubieten.

So erfrischend Newsoms Angriffe auf das MAGA-Lager auch sind, sie ersetzen keine nachhaltige Politik. Und er ist keine progressive Alternative, die die Demokratische Partei in die Zukunft führen könnte. Diese findet sich eher auf der anderen Seite des Landes: in New York City. Dort begeistert der Bürgermeisterkandidat Zohran Mamdani mit einem Programm, das den Bürger*innen wirklich helfen soll. Dass die Parteielite Mamdani weiterhin nicht unterstützt, zeigt, wie wenig die Demokraten echte Veränderungen wollen. Umso verständlicher, dass viele Newsoms aggressives Auftreten als Lichtblick sehen.

Isabella Caldart ist freie Journalistin mit Fokus auf kulturelle und gesellschaftliche Themen

22;weird“ zu bezeichnen, als seltsam. Ansonsten wirken sie auch jetzt, da Präsident Trump eine verfassungswidrige, rechtsradikale oder erratische Entscheidung nach der anderen trifft, erstaunlich passiv. So überzeugt man keine Wähler*innen – und schützt das Land nicht vor dem MAGA-Kult.Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom von den Demokraten wählt eine andere Strategie: Er schlägt Trump und die Republikaner mit ihren eigenen Waffen. Sein Team veröffentlicht Tweets im Stil Trumps, inklusive Großbuchstaben, und hat den „Patriot Shop“ eröffnet. Dort gibt es Merchandise-Artikel wie rote Baseballcaps mit der Aufschrift „Newsom was right about everything“: Newsom hatte mit allem recht. Eine Parodie auf den ähnlich lautenden Spruch, den Donald Trump auf seiner roten Cap trägt.Newsom betreibt in Kalifornien „Gerrymandering“, wie der Republikaner Greg Abbott in TexasWenn Trumps X-Account oder das Weiße Haus KI-generierte Bilder von Trump als Papst oder Nobelpreisträger teilt, imitiert Newsom das – mit sich selbst als Hauptfigur und heldenhaft in Szene gesetzt. Dieses sogenannte Shitposting zeigt Wirkung: Viele MAGA-Fans – ob Politiker*innen, Kommentator*innen oder Social-Media-Nutzer*innen – erkennen die Parodie nicht (in der Internetsprache auch trollen genannt) und verurteilen Newsoms Posts als „kindisch“ oder „blasphemisch“.Hinter dieser Strategie steckt ein ernster Anlass: In Texas zieht die Republikanische Partei Wahlkreisgrenzen neu, um sich Vorteile zu verschaffen – ein Prozess namens Gerrymandering. Gouverneur Greg Abbott hat das entsprechende Gesetz bereits unterzeichnet. Newsom plant nun eine ähnliche Reform in Kalifornien zugunsten der Demokraten, will die Bürger*innen im November aber zunächst abstimmen lassen.Es ist nicht das erste Mal, dass Newsom im Netz viral geht. Nach der Wahlniederlage der Demokraten im November 2024 kursierten zahlreiche Memes über ihn. Der Tenor: „He’s a psycho, but he is our psycho“, etwa: Er ist zwar ein Psycho, aber er ist unser Psycho.Gouverneur Newsom ließ Zeltstädte von Obdachlosen rabiat räumenUnd genau das macht ihn für viele attraktiv: Er hat verstanden, wie man den Republikanern begegnet, und scheut sich nicht, in den Kampf zu ziehen – auch wenn er sich dabei die Hände schmutzig macht, während ein Großteil der Demokratischen Partei auf dem hohen Ross verharrt. Für den 57-Jährigen, der seit 2019 Gouverneur ist (zuvor war er Vize), könnte neben seiner Abneigung gegen die Republikaner ein weiterer Faktor eine Rolle spielen: Er darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren und bringt sich für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur in Stellung.Dafür ist Aufmerksamkeit relevant: Seit Beginn seines massiven Shitpostings hat er laut eigenen Angaben allein im August über 250.000 neue Follower*innen auf X gewonnen. Seine Posts, in denen er den trumpschen Schreibstil imitiert, werden eifrig geteilt, und viele demokratische Wähler*innen scheinen erleichtert, endlich ihren eigenen „Psycho“ zu haben. Er hat damit durchaus Erfolg: So trat er vor Kurzem in der beliebten Late Night Show mit Stephen Colbert auf, um sich als Hoffnungsträger und Gegenspieler von Trump zu positionieren.Über die Memes geraten allerdings Newsoms politische Inhalte in den Hintergrund: Er ist eine streitbare Figur, keine Lichtgestalt, wie manche ihn gern sehen würden. Seine Politik wirkt oft widersprüchlich und opportunistisch. Er setzt sich für Abtreibungsrechte ein und verabschiedet progressive LGBTQ-Gesetze, schimpfte aber in seinem Podcast This Is Gavin Newsom mit dem getöteten rechtsextremen Aktivisten Charlie Kirk über trans Sportler*innen. Auch gegen Obdachlose geht er extrem hart vor: In Kalifornien leben schätzungsweise 187.000 Menschen auf der Straße, oft in Zeltstädten. Diese ließ Newsom wiederholt räumen, ohne den Betroffenen Alternativen oder Hilfe anzubieten.So erfrischend Newsoms Angriffe auf das MAGA-Lager auch sind, sie ersetzen keine nachhaltige Politik. Und er ist keine progressive Alternative, die die Demokratische Partei in die Zukunft führen könnte. Diese findet sich eher auf der anderen Seite des Landes: in New York City. Dort begeistert der Bürgermeisterkandidat Zohran Mamdani mit einem Programm, das den Bürger*innen wirklich helfen soll. Dass die Parteielite Mamdani weiterhin nicht unterstützt, zeigt, wie wenig die Demokraten echte Veränderungen wollen. Umso verständlicher, dass viele Newsoms aggressives Auftreten als Lichtblick sehen.