- Tikiono ist eine Papeterie in der Bremer Neustadt, gegründet von Friederike Kastner, deren Designs seit 2007 weltweit verkauft werden.
- Das vierköpfige Team besteht aus Quereinsteigerinnen, die ohne klassische Ausschreibung zusammengefunden haben; zentrale Produkte sind verspielte, retro-inspirierte Papierwaren.
- Das Geschäft lebt vor allem vom Onlineverkauf, seit neuen Zollregelungen ist der Versand in die USA eingestellt; lokale Events wie Postcrossing werden vor Ort angeboten.
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Tikiono – was ist das? Eine asiatische Stadt oder ein Kleidungsstück? Weder das eine noch das andere. Tikiono ist eine kleine Papeterie an der Neustadtcontrescarpe. Der Name, sagt Inhaberin Friederike Kastner, sei von der polynesischen Tiki-Kultur beeinflusst. Tiki stehe für den ersten Menschen. Ono für „den Willen, etwas zu erreichen“.
Der Tiki, kann man ergoogeln, ist eine „menschenähnliche Figur“, mit „tiefer spiritueller Bedeutung“ und langer Geschichte. Friederike Kastner war schon einmal in Polynesien. Sie sagt: „Ich fand die Kultur sehr schön“, deshalb habe sie dieses Wort verwandt und ergänzt. „Ich hatte keine Lust auf so was wie ‚Papier und Mee(h)r‘.“
Papier und mehr beschreibt dennoch, was Friederike Kastner kreiert und mit ihren Kolleginnen erschafft und verkauft. Die Designs sind verspielt und bunt, märchenhaft und vor allem retro. Sie bestehen aus Herzen und Ankern, Pilzen und Blüten. Auf Papier und Karton hocken Hunde und Füchse, Pinguine und Kraken, Hasen und Vögel aller Art, Federkleid und Fell bestehen aus unterschiedlichen Schriftarten und -größen. Blüten und Blätter ranken sich über Seiten und Kartonagen.
Die Tiere und Pflanzen, Schiffe und Männeken finden sich auf Postkarten und Spiralblöcken, auf Heften, Geschenk- und Briefpapier, Umschlägen, Alben, Paketband, und, und, und. Ergänzende Texte zum Trost oder Aufmuntern, zum Gratulieren oder Begrüßen entstünden meist in Teamarbeit. Auf einem Notizblock prangt neben einem Insekt mit Handtasche: „Das benötige ich noch für die Weltherrschaft“.
„Eine ganze Papierwelt“ habe sie sich seit 2007 aufgebaut, sagt Friederike Kastner. Inspirationen finde sie in historischen Ausgaben von Zeitschriften und Magazinen, in „vergessenen Schriften“, Büchern und „Dachbodenfunden“. Damit inspiriert entstehen am Computer Collagen, Tiere und Tierchen, florale Ornamente und maritime Motive.
Schriften haben es Friederike Kastner angetan.
Foto:
Majetic, Josie
Selbstständig seit 2012
Was nebenberuflich begann, mündete 2012 in der Selbstständigkeit. Der Papeteriemarkt sei hart umkämpft. Davon habe sie zunächst nichts geahnt. „Ich habe es einfach gemacht.“ Erst beim Besuch von Fachmessen sei ihr aufgegangen, wie groß das Angebot sei. Wäre ihr das früher bewusst gewesen, hätte sie den Schritt womöglich gar nicht gewagt. Aber Tikiono hat sich durchgesetzt. Von Bremen aus werden Geschäfte in Deutschland, aber auch in den Niederlanden, Österreich und Portugal beliefert.
Zu Tikiono zählt ein vierköpfiges Team, allesamt Neustädterinnen. Neben Friederike Kastner besteht es aus Saskia und Oda Klinge sowie Laura Byell. Oda Klinge ist Studentin, sie hat schon als Schülerin geholfen. Die anderen sind durchweg Quereinsteigerinnen. „Wir haben alle etwas komplett anderes studiert“, sagt Friederike Kastner. Sie selbst habe nach einer Ausbildung zur Tischlerin Erwachsenenbildung studiert, Saskia Klinge ist Sozialpädagogin, Laura Byell Kulturwissenschaftlerin. Hündin Kleo gehört ebenfalls zum Team beziehungsweise zum Inventar.
Zueinander fanden die Frauen ohne Ausschreibung oder das Jobcenter. Laura Byell über eine Wiedereingliederung und eine Kunsttherapeutin der Bremer Werkgemeinschaft für psychisch Erkrankte, die Friederike Kastner kennt. Diese suchte eigentlich keine Mitarbeiterin, ließ sich aber dennoch überzeugen. Saskia Kling und Friederike Kastner lernten sich über ihre Hunde kennen.
Friederike Kastner hat das Geschäft mit regulären Öffnungszeiten vor knapp einem Jahr eröffnet.
Foto:
Christina Kuhaupt
Mehr oder weniger durch Zufall wurde Friederike Kastner auch Designerin. Der Besuch von Kunsthandwerkermärkten habe sie ermutigt, selbst kreativ zu werden und etwas herzustellen. Zunächst sei es Schmuck gewesen, erzählt Friederike Kastner. Dann entstand ein Verkaufsschlager: Streichholzschachteln mit einer kleinen Öse für eine winzige Kerze als Miniatur-Aufmerksamkeit zum Geburtstag oder anderen Feierlichkeiten. Die sogenannten Schachtellichter gehören bis heute zum Sortiment. „Sie sind Fluch und Segen zugleich“, beliebt bei den Kunden, aber nicht für die Herstellerinnen.
Sie verstehe sich nicht als Künstlerin, sagt Friederike Kastner, „ich möchte nichts in die Welt tragen, ich habe keine Botschaft. Ich habe einfach Spaß an dem, was ich tue.“ Aus dem „Faible für altes Papier“ entstanden weitere Designs. Pro Jahr kämen zweimal neue Motive hinzu, eine Frühjahrs- und eine Winter- und Weihnachtskollektion. Gerade diese Arbeit mache ihr immer noch „total viel Spaß“. Doch sie stehe nicht im Mittelpunkt ihrer Arbeitstage. „Das macht nicht mehr als zehn Prozent aus.“ Am meisten Zeit verschlängen Bürokratie und Organisation, Buchhaltung und Einkauf, Konfektionierung und Pflege des Onlineauftritts.
Hoher Anteil an Handarbeit
Hinter dem kleinen bunten Laden befinden sich Lager und Werkstatt mit eigener Buchbinderei. Saskia Klinge hat nicht gezählt, wie viele Schachtellichter und Spiralblöcke sie schon angefertigt hat. Es sind viele. „Es steckt neben dem Design sehr viel Aufwand darin, was man ihnen nicht unbedingt ansieht“, sagt Saskia Klinge. Eigentlich habe sie immer im Erzgebirge Engel anmalen wollen, scherzt sie. Ihre jetzige Tätigkeit komme dem ziemlich nahe – es sei ruhig, das Team sei toll, sie könne weitgehend selbstständig arbeiten.
Designs von Friederike Kastner
Foto:
Christina Kuhaupt
Den Laden leistet sich Friederike Kastner, auch um der Neustadt willen. „Die Neustädterinnen und Neustädter sind glücklich über die bunte Neustadt und die schönen Geschäfte. Aber vom Schaufensterbummel können die Läden nicht leben. Wenn die Neustädter möchten, dass es so bunt bleibt, müssen sie auch ab und zu dort einkaufen.“
Das Geschäft sei „ein Schaufenster“ für das Tikiono-Sortiment, sagt Laura Byell, die unter anderem für die Social-Media-Aktivitäten zuständig ist, im Laden aber auch eigene Arbeiten verkauft. „Er ist hübsch, aber allein nicht überlebensfähig.“ Die Arbeit mit den Kundinnen und Kunden sei angenehm, viele seien Stammkunden, viele voll des Lobs, sagt Laura Byell. „Eigentlich gehen alle mit einem guten Gefühl rein und raus, selbst wenn sie nichts gekauft haben.“ Die Kunden wüssten die Handarbeit zu schätzen. Oft werde sie gefragt, „wer hat das gemacht und wie wird das gemacht“. Nicht weniger erfreulich sei der Austausch mit anderen Neustädter Einzelhändlern, ergänzt Friederike Kastner.
Vor allem das Onlinegeschäft trägt die Firma. Zu den Kunden gehörten bis vor Kurzem auch US-Amerikaner. Durch die Aufhebung der sogenannten Minimes-Behandlung unterliegt der Versand so hohen Zöllen, dass Tikiono-Produkte nicht mehr wettbewerbsfähig sind. „Das bedeutet für uns: von heute auf morgen kein Versand mehr in die USA.“
Apropos Versand: Friederike Kastner und ihre Mitarbeiterinnen halten die Tradition des Postkartenschreibens hoch. Am 1. Oktober waren sie erstmals Gastgeber für ein „Postcrossing Event“ zum Weltpostkartentag. Gemeinsam mit Kunden wurden Postkarten beschriftet und veredelt. Der Postkartentag soll daran erinnern, dass Grüße auch weiterhin analog verschickt werden können, beispielsweise auf ansehnlichen Karten. Wo man welche bekommt, muss an dieser Stelle nicht eigens erwähnt werden.