Ian McEwan sitz im Sessel und blickt aus dem Fenster

AUDIO: Ian McEwan stellt Zukunftsroman in der Elbphilharmonie vor (4 Min)

Stand: 05.10.2025 12:01 Uhr

Ian McEwans jüngster Roman spielt in der Zukunft im Jahr 2119 und heißt „Was wir wissen können“. Das Harbour Front Festival hat den Erfolgsautor zum Gespräch und zur Lesung in den kleinen Saal der Elbphilharmonie eingeladen.

von Petra Rieß

Die Aussichten sind alles andere als schön: Große Teile der Welt sind überflutet. England ist nur noch eine Ansammlung von kleinen Inseln. Auch Hamburg ist im Jahr 2042 leider in den Fluten versunken. Dazu gab es mehrere lokal begrenzte Atomkriege, Millionen Tote und die Erdbevölkerung hat sich halbiert. Ian McEwan zieht von unserer Gegenwart eine Linie in die nicht allzu ferne Zukunft und fürchtet, dass wir nur mit Glück ohne mindestens einen Atomkrieg durch das 21. Jahrhundert kommen.

NDR Redakteur Jan Ehlert moderiert den Abend zweisprachig und ist zugleich Fragensteller und Übersetzer. So kommt das Publikum in den Genuss, Ian McEwans trockenen Humor und seine punktgenaue Ausdrucksweise in seiner Muttersprache zu erleben. „Denn, man mag es glauben oder nicht“, sagt der Autor über die im Buch beschriebenen Atomkriege, „es wird so viel Staub in die Erdatmosphäre gewirbelt, dass die Erde um zwei Grad abkühlt. Und wir bekommen eine weitere Chance, die globale Erwärmung zu bekämpfen. Ich möchte also nur sagen: Mein Optimismus ist sehr fragil.“

Cover:  Ian McEwan, "Was wir wissen können"

Der englische Schriftsteller entführt in eine Welt, in der man aus heutiger Sicht lieber nicht leben möchte.

Alles andere als rosige Zukunftsvision

Ian McEwans Optimismus ist zwar ein fragiler, doch seine große Liebe für die so widersprüchliche Gattung Mensch ist darin spürbar. Die erfährt offenbar auch Thomas Metcalfe, Literaturwissenschaftler und Ich-Erzähler des Romans, dessen Forschungsschwerpunkt das frühe 21. Jahrhundert ist – unsere Gegenwart.

Mir gefiel, dass die Leute gärtnerten und kochten, ihren Urlaub oder Extremsport brauchten. Mir gefielen das Historien-Schauspiele, queere Paraden, die Risiken, die sie mit KI eingingen, ihr Sinn für Humor, die sicheren Flugzeuge, ihre Leidenschaft für sinnlosen Sport: Hunderttausende bei einem einzigen Fussballspiel.

Leseprobe aus „Was wir wissen können“

Die Menschheit, sagte McEwan, stehe an einer Weggabelung. Der Klimawandel, omnipotente Autokraten und die digitale Informationsflut, die wir zukünftigen Forschern hinterlassen. Die Literatur allerdings wird bleiben, denn in ihr leben seit fast 3.000 Jahren die Emotionen der Menschen. Jan Ehlert übersetzt für das Publikum: „Er sagt, das ist das Faszinierende an Literatur und das ist eben auch die Herausforderung, die Frage: Was können wir wirklich über die Menschen wissen? Wir haben ja schon Probleme, etwas über die Menschen unserer Zeit zu wissen – ganz zu schweigen von uns selbst. Deswegen ist dieser Titel ‘Was wir wissen können’ für ihn so eine große Herausforderung, weil es alles das mit abdeckt.“

Menschen entwickeln sich dennoch zum Positiven – allerdings in Zyklen

Die gute Nachricht zum Schluss: Ian McEwan glaubt, dass die Menschen sich mit all ihren Rückschlägen und Niederlagen dennoch zum Positiven weiterentwickeln, vielleicht allerdings in Zyklen, deren Ausmaß wir nicht kennen: „In 500, 5.000 oder fünf Millionen Jahren könnte es irgendwo auf der Welt noch eine Literaturabteilung geben. Mein Optimismus sagt: Ja.“

Die komplette Lesung wird am 23. November 2025 bei NDR Kultur im Sonntagsstudio gesendet.

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